SZ-Serie: München natürlich:Ein echtes Münchner Gewächs

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Der Biologe Andreas Fleischmann ist einer der wenigen Experten, die den Münchner Goldhahnenfuß identifizieren können. (Foto: oh)

Ranunculus monacensis kommt weltweit nur in der Landeshauptstadt vor. Am besten gedeiht der Goldhahnenfuß an warmen Standorten, meist auf Friedhöfen.

Von Thomas Anlauf

Andreas Fleischmann ist auf Augenhöhe mit der Blume. Da liegt er nun im Botanischen Garten im frischen Gras und grinst. "Jetzt sind gerade die ersten Blüten im Stadtgebiet offen", sagt er. "Es ist der früheste Goldhahnenfuß, der jetzt blüht." Das wäre an sich schon eine wissenschaftliche Betrachtung wert. Doch was dieses kleine gelbe Blümchen so besonders macht: Es kommt weltweit lediglich in München vor. Und es ist die einzige Pflanze, die München im Namen trägt: Ranunculus monacensis, der Münchner Goldhahnenfuß.

Hahnenfußgewächse sind eigentlich aus einer Pflanzenfamilie, die weltweit mit mehr als 2500 Arten vertreten ist. Allein in München gibt es nach Angaben von Andreas Fleischmann ein halbes Dutzend Arten von Goldhahnenfüßen. Manche wurden allerdings schon lange nicht mehr gesehen. Es gab beispielsweise in den Fünfzigerjahren eine Art, die nur am Hofgarten vorkam. Doch dann wurde dort die Bayerische Staatskanzlei neu gebaut, es bildete sich eine Bürgerinitiative "Rettet den Hofgarten". Die Staatskanzlei fiel schließlich kleiner aus als ursprünglich geplant. Doch Ranunculus constans, der Hahnenfuß vom Hofgarten, kam bei den Bauarbeiten unter die Räder und war nie mehr gesehen.

Dieser Münchner Goldhahnenfuß steht vor dem botanischen Institut. (Foto: oh)

Der Hahnenfuß mit dem Münchner Beinamen ist zwar in diesen Tagen häufig in der Stadt zu finden, trotzdem gibt es nur wenige Experten, die ihn auch tatsächlich als Ranunculus monacensis identifizieren können. Andreas Fleischmann ist einer von ihnen. Der Biologe an der Botanischen Staatssammlung und Vorsitzende der Bayerischen Botanischen Gesellschaft weiß, dass seine Blüten oft "ein bisschen verrupft und derhaut" aussehen - und das hat einen Grund. "Die haben keine Sexualität mehr", erzählt der gebürtige Landsberger lachend. Das heißt, der Münchner Hahnenfuß muss gar nicht unbedingt besonders attraktiv für Insekten sein, schließlich brauchen die Pflanzen keine Bestäubung für die Fortpflanzung. Sie pflanzen sich apomiktisch, also ungeschlechtlich fort und produzieren identische Klone.

Deshalb gibt es auch viele Mutationen innerhalb der Goldhahnenfüße und im Lauf der Zeit entstehen neue Klein- oder Unterarten. Manche Forscher rümpfen deshalb fast die Nase, wenn man nach dem echten Münchner Hahnenfuß fragt. Dabei ist es schon eine biologische Besonderheit, wenn eine Pflanze auf so begrenztem Raum wie München endemisch ist, also nur hier vorkommt. Er blüht zwei Wochen vor dem Scharfen Hahnenfuß und sieht auch etwas anders aus. "Die Grundblätter sind nierenförmig und leicht gekerbt", weiß Rudolf Nützel, Geschäftsführer beim Bund Naturschutz in München. Die schmalen linealen Hochblätter ordnen sich quirlartig um den Stengel.

Am besten gedeihen die gelben Blumen an warmen Standorten, wo sie ungestört wachsen können. In der Stadt sind das vor allem die Friedhöfe, etwa am Alten Südfriedhof, am Ostfriedhof und dem Haidhauser Friedhof, aber eben auch im Nymphenburger Schlosspark und am Wegesrand auf Höhe des Heizkraftwerks Süd nördlich der Brudermühlbrücke kann der Münchner entdeckt werden. Nützel vermutet, dass der Münchner Goldhahnenfuß vor allem dort wächst, wo er ungestört ist und nicht von Fußgängern niedergetrampelt wird. "Wir brauchen solche Tabuflächen wie die Friedhöfe in München, das sind die letzten Rückzugsorte für Pflanzen wie den Goldhahnenfuß", sagt Naturschützer Nützel. Er hofft, dass künftig bei Bauprojekten in der Stadt auch Artenschutzexperten als ökologische Baubegleitung dazu gezogen werden. "Das vermissen wir bis jetzt", sagt Nützel. Dass ein massives Bauvorhaben durchaus auch eine ganze Pflanzenart vernichten kann, war bei der Bayerischen Staatskanzlei zu sehen.

Allerdings kann sich der Münchner Hahnenfuß wie auch sein Verwandter, der Scharfe Hahnenfuß, ganz gut wehren. Denn er ist ziemlich giftig. Kühe, Schafe und Pferde, aber auch Hasen meiden die gelb leuchtenden Blumen, kein Wunder: Das Protoanemonin, das sich in allen Pflanzenteilen des Goldhahnenfußes befindet, löst unter anderem Magenschmerzen und Übelkeit aus, es kann sogar zu Lähmungserscheinungen kommen. Wer die Pflanzen lediglich berührt, kann bereits schmerzhafte Entzündungen und Hautbläschen bekommen. Die Frühlingsboten sollten deshalb besser aus der Entfernung genossen werden. Lediglich Experten wie Andreas Fleischmann können sich schon mal auf Augenhöhe mit dem waschechten Münchner Hahnenfuß begeben. Der Botaniker kennt sich mit gefährlichen Blumen aus. Er forscht am liebsten über fleischfressende Pflanzen.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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