Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sich am Donnerstagabend offen zu einer alten Liebe bekannt. "Ich war und bin immer schon ein Autofan gewesen. Ich bin ein Autofreund. Das allererste, was ich mit 18 wollte, war ein Führerschein und ein Auto", sagte der SPD-Politiker, und weiter: "Eins wird in der aktuellen Diskussion schon immer etwas vergessen: Autofahren ist nicht nur dazu da, um von A nach B zu kommen. Autofahren kann durchaus auch Spaß machen zwischendurch. Mir zumindest geht es immer noch so."
Die Reaktion auf das Bekenntnis? Deutlicher Applaus, geklatscht von rund 1000 Händen, der noch anschwoll, als Reiter, auf der Bühne platziert zwischen einem Oldtimer und einem Rennwagen, fortfuhr: "Ich glaube an die Zukunft des Automobils." Lauter wurde es im gewaltigen Festsaal nicht mehr. Reiter hatte den Ton getroffen, nach dem sein Publikum gierte: Endlich mal wieder ein Politiker, der das Fahren mit eigenem Antrieb nicht verteufelt.
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Um die Emotionen, die das wecken kann (und um das Geld, das sich damit verdienen lässt), geht es an dem Ort, an dem Reiter sprach: der sogenannten "Motorworld", die im ehemaligen Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn in Freimann entstanden ist. 2010 hat Andreas Dünkel den monumentalen Bau erworben, in dem früher bis zu 3000 Menschen jeden Tag an Lokomotiven schraubten.
Elf Jahre dauerte die Sanierung. Im vergangenen Mai öffnete die Welt, in der Old- und Youngtimer, Supersportwagen und Sammlerstücke gezeigt und von Händlern angeboten werden, in der es Restaurants gibt, Konferenzräume und auch ein Hotel. Eine richtige Eröffnungsparty aber wurde - wegen Corona - nie geschmissen. Das wurde jetzt mit einer Gala nachgeholt.
In Köln und Böblingen gibt es ähnliche Autotempel schon länger, in Berlin, Rüsselsheim, Metzingen, Herten und Zürich sind sie im Anwachsen, in Luxemburg und auf Mallorca geplant. Die Münchner Welt aber übertrifft in ihren Ausmaßen alle. Die historische Halle ist so groß, dass sie brandschutztechnisch als eigener Stadtteil betrachtet wurde. 1500 Türen wurden bei der Sanierung verbaut, womit ein Ingenieur drei Jahre lang beschäftigt war. Um die Tiefgarage zu gießen, fuhren ein Jahr lang täglich 15 Lastwagen Beton herbei. Ein Bau, der im Ausmaß und im Aufwand an den Bau mittelalterlicher Kathedralen erinnert - und ein wenig auch in der Sinnhaftigkeit: Wer das Auto nüchtern betrachtet, ist hier verloren. Wer es liebt, ist ganz in seiner Welt. Bei den Gala-Gästen gab es da keine Zweifel.
Wohl situiert, eher älter, überwiegend männlich, Motorsport-affin: So lässt sich die Hauptzielgruppe zusammenfassen, weshalb es dann auch nur folgerichtig war, dass Motorsport-Moderatorin Andrea Kaiser als Highlight des Abends eine Runde auf die Bühne bat, in der sich knapp 600 Jahre Erfahrung versammelten: Neben OB Dieter Reiter (Jahrgang 1958) und Kommunikationsberater Stephan Heller (Jahrgang 1961) nahmen Ex-BMW/Ford-Mann Wolfgang Reitzle (1949) und die ehemaligen Rennfahrer Hans-Joachim Stuck (1951) und Leopold Prinz von Bayern (1943) Platz, der einstige Mercedes-Sportchef Norbert Haug (1952) sowie die Rallye-Größen Sébastien Ogier (1983), Christian Geistdörfer (1953) und Walter Röhrl (1947).
Das Anliegen aller: Eine differenziertere Betrachtung des Industrieproduktes, an dem immer noch ein großer Teil des Wohlstands hängt. Kurz: Das Auto wieder aus der Schmuddelecke heraus zu rangieren. "Wir sind nicht die Brumm-Brumm-Heinis": Dies klarzustellen, war Norbert Haug ein Anliegen, der in der Folge für synthetische Kraftstoffe warb.
"Die Zukunft des Automobils ist elektrisch, aber langfristig", die E-Autos würden von der Politik "viel zu früh" in den Markt gedrückt, sagt Wolfgang Reitzle, der mit Blick auf den tagesaktuellen CO₂-Ausstoß, den die Produktion einer Kilowattstunde Strom in diesen Tagen in Deutschland verursacht, vorrechnete, dass der Fahrer eines modernen Dieselautos sich in diesem Punkt aus seiner Sicht umweltfreundlicher bewege. Das Umstellen der weltweit existierenden 1,2 Milliarden Fahrzeuge auf Elektroantrieb würde mindestens 50 Jahre dauern. Alles andere sei "eine Mogelpackung, eine ganz große Lüge".
Dieter Reiter warb für autofreie Innenstädte, warnte aber vor dem "Überstülpen eines Einheitskonzeptes": "Weil es halt nicht so ist, dass wir überall eine Top-Anbindung an den ÖPNV haben." Es war eine muntere Runde, in der es aber kaum Differenzen gab und an deren Ende der zweimalige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl ein fast seliges Schlusswort über den Veranstaltungsort sprach: "Es gibt keinen besseren Ort, um das Auto wieder begeisternd zu machen. Solche Orte brauchen wir, damit das Auto von einer Minderheit nicht verteufelt wird." Dank Photovoltaikanlagen und eigenen Blockheizkraftwerken ist die Welt für die Motoren zumindest klimaneutral.