Prozess in München:Psychisch kranker Maler sticht auf Kollegen ein

Lesezeit: 2 min

Auf offener Straße stach der Angeklagte auf seine zwei Kollegen ein. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Auf dem Weg zur Kaffeepause soll der 34-Jährige zwei Männer attackiert haben - weil eine Stimme in seinem Kopf es befohlen habe. Nun steht er wegen Mordes vor Gericht.

Von Susi Wimmer

Tarik F. ( Name geändert) wirkt gefasst und geordnet. Er trinkt keinen Alkohol, er nimmt keine Drogen, und doch ist da immer noch diese Stimme in seinem Kopf, die ihm "hässliche Sachen" sagt. "Stich zu", soll sie ihm im Oktober 2022 befohlen haben, als er mit Arbeitskollegen in Laim unterwegs war. Auf offener Straße versetzte der 34-Jährige mit einem Messer einem Kollegen tödliche Stiche und verletzte seinen Chef schwer. Das Landgericht München I wird nun entscheiden, ob der unter paranoider Schizophrenie leidende Mann auf unbestimmte Zeit in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden soll.

"Ich möchte es jetzt gleich sagen", beginnt der 34-Jährige, und er wolle es auch den Angehörigen persönlich sagen: "Ich möchte mich aus tiefstem Herzen bei den Familien entschuldigen. Es tut mir sehr leid." Er sei an jenem Tag nicht bei sich gewesen, "ich war sehr krank".

Depressionen, Panikzustände, Schlafstörungen und diese Stimme im Kopf begleiten den gelernten Maler schon seit mehr als zehn Jahren. Tarik F. wurde in Albanien geboren, ehe die Familie acht Jahre später nach Griechenland zog, "um ein besseres Leben zu führen". Bereits mit 14 oder 15 Jahren begann F. zu arbeiten, das habe ihn psychisch stabilisiert. "Und man kann die Umgebung bunt gestalten. Das hat mir Freude bereitet", erzählt er. Im Winter, wenn es auf den Baustellen nichts zu tun gab, sei er schwer depressiv gewesen. Er habe monatelang das Haus nicht verlassen und mit dieser Stimme in seinem Kopf diskutiert. Die Antidepressiva, die sein Hausarzt ihm verschrieb, habe er je nach Bedarf eingenommen.

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Die Wirtschaftskrise in Griechenland trieb ihn vor etwa vier Jahren nach München. Er fand Anstellung bei einer Malerfirma, wo auch zwei seiner Brüder beschäftigt waren. Im Sommer 2022 setzte er erneut seine Tabletten ab. "Warum", will die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl wissen. Tarik F. zuckt mit den Schultern. Er habe über einen Suizid nachgedacht, habe sich verfolgt gefühlt, "und ich dachte, dass man mir einen Chip in den Kopf gesetzt hätte".

Die Staatsanwaltschaft hat rekonstruiert, dass Tarik F. am 15. Oktober 2022 mit Kollegen eine Außenfassade in Laim streichen sollte. Da es regnete, soll der Chef angeboten haben, man könne in einer nahen Bäckerei einen Kaffee trinken. Auf dem Weg dorthin hörte F. seinen 28-jährigen Kollegen hinter sich lachen, bezog das auf sich, drehte sich um und stach zu. Woher er das Fleischermesser hatte, das wisse er nicht mehr, erklärt er vor Gericht. Der Mann wurde notoperiert, starb aber tags darauf in einer Klinik. Der Firmenchef, damals 50 Jahre alt, erlitt schwere Verletzungen an Rücken und Hals. Wegen bis heute andauernder, massiver Angststörungen soll er per Video-Schalte befragt werden.

Tarik F., der von Rechtsanwalt Ömer Sahinci vertreten wird, muss sich wegen Mordes und versuchten Mordes verantworten. Er versichert, dass er an die Tat keinerlei Erinnerung habe. Ob das mit seiner Krankheit oder einem Verdrängungsmechanismus zu erklären ist, wird der psychiatrische Gutachter Kolja Schiltz analysieren.

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