Vor der "Trendset":Es kommt wieder Leben in die leeren Messehallen

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Das Messegelände in Riem. Hier soll im Juli wieder eine Präsenzmesse stattfinden - aber nur für Mitarbeiter, Besucherinnen und Aussteller, die entweder getestet, geimpft oder genesen sind. (Foto: Florian Peljak)

Im Juli findet in Riem unter strengen Hygieneauflagen die erste Präsenzmesse nach dem Lockdown statt. Die "Trendset" ist für die finanziell schwer gebeutelte Messegesellschaft auch ein Testlauf für die IAA im Herbst.

Von Catherine Hoffmann

Endlich geht es wieder los. Nachdem die Messe München bis auf ein kurzes Intermezzo seit Anfang März 2020 keine Aussteller und Gäste mehr gesehen hat, sollen sich die Tore nun wieder öffnen. Eine erste Pilotveranstaltung ist für den Juli geplant, die Schöner-Wohnen-Messe Trendset. "Es blutet einem das Herz, wenn man durch die leeren Hallen geht", sagt Klaus Dittrich, Geschäftsführer der Messe München GmbH. "Jetzt freuen wir uns, dass im Herbst das Geschäft wieder richtig anläuft."

In Abstimmung mit Wirtschafts- und Gesundheitsministerium ist ein Hygienekonzept für die erste Präsenzmesse nach dem Lockdown entstanden. Darin geht es nicht mehr allein um Abstand, Belüftung und Maskenpflicht wie auf der Trendset im vergangenen September. Hinzu kommt jetzt: Zugang zum Gelände haben nur Mitarbeiter, Besucherinnen und Aussteller, die entweder getestet, geimpft oder genesen sind, Dittrich spricht von "den drei G".

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Das Oktoberfest sei nicht mit der Veranstaltung der Automobilbranche vergleichbar, so die Argumentation. Einige Autohersteller peilen allerdings einen schlankeren Auftritt an. Die Stadt möchte auch Angebote zur Verkehrswende sehen.

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Die Pilotmesse soll zeigen, wie gut das Regelwerk funktioniert: Werden die Abstände auch wirklich eingehalten, wird die Maske richtig getragen, stauen sich irgendwo die Besucher, wie klappt die Kontrolle der "drei G"? Was passiert, wenn jemand mit einem Impfzertifikat kommt, das auf Arabisch oder Koreanische geschrieben ist? "Wir sind froh, dass wir das im kleineren Rahmen jetzt durchspielen können", sagt Dittrich.

Wenn am 7. September erstmals die Automobilausstellung IAA Mobility in München eröffnet wird, stellen sich dem Messe-Team ganz andere Herausforderungen. Es wird wahrscheinlich die erste große internationale Veranstaltung sein, die in München seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder stattfindet.

Das Besondere daran: Aus der einstigen Automesse soll in Zusammenarbeit mit dem Automobilverband VDA eine Plattform für die Mobilität der Zukunft werden. Im Mittelpunkt soll nicht allein das Auto stehen, vielmehr geht es um alle Formen der Mobilität. So werden allein einige Fahrradhersteller zwei Hallen füllen. Es wird Elektroroller geben, Dittrich hofft, dass auch der Prototyp eines Flugtaxis zu sehen sein wird. Besucherinnen und Besucher können autonom fahren und ausprobieren, wie es sich anfühlt, in einem Bus ohne Chauffeur unterwegs zu sein. Die Öffnung der IAA für alle Formen der Mobilität ist die eine Neuerung, die andere: "Wir wollen nicht nur klassische Messe sein", sagt Dittrich. "Neben dem Summit auf dem Messegelände gibt es die Open Spaces in der Stadt. Und es gibt die Umweltlinie Blue Lane, wo nachhaltige Fahrzeuge bevorzugt fahren dürfen."

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Eine Messe, die nicht nur in geschlossenen Hallen stattfindet, sondern im öffentlichen Raum der Stadt, stellt an das Sicherheits- und Hygienekonzept besondere Anforderungen. "Ganz so offen, wie es ursprünglich einmal gedacht war, wird die IAA Mobility wahrscheinlich nicht sein können, weil man sicherstellen muss, dass Abstand gehalten wird, und kontrollieren muss, wer reingeht", sagt der Messechef. "Auch der Zugang zu den öffentlichen Flächen muss wohl reglementiert werden, aber so, dass jeder, der Interesse hat, auch reingehen kann."

Nun gehören zu einer Messe ja auch internationale Gäste. Eine uneingeschränkte Reisefreiheit wird es im September aller Voraussicht nach nicht geben, allerdings wird Reisen zunehmend wieder normal. Der internationale Luftfahrtverband IATA schätzt, dass die geflogenen Passagierkilometer im Gesamtjahr 2021 vielleicht nur rund 40 Prozent des Niveaus von 2019 erreichen könnten. Die europäische Flugsicherung Eurocontrol rechnet mit knapp 60 Prozent. "Es wird also sicher einen gewissen Rückgang auch bei der Zahl der Messebesucher geben, aber keine dramatischen Einbrüche", hofft Dittrich.

Trotz aller Pandemie-bedingten Widrigkeiten ist der Messe-Chef zuversichtlich: "Messen als Präsenzveranstaltung haben eine Zukunft, denn die Menschen haben in den vergangenen Monaten gemerkt, wie wichtig persönliche Kommunikation ist", sagt Dittrich. "Ein Zurück zum alten Messegeschäft wird es aber nicht geben, vielmehr werden die Präsenzmessen digitaler werden."

Mit digitalen Formaten hat die Messe in den zurückliegenden Monaten schon reichlich Erfahrungen sammeln können; mehr als 20 digitale Veranstaltungen wurden als Ersatz für die abgesagten Veranstaltungen organisiert. Das Unternehmen arbeitet an Plattformen, die für eine Branche nicht nur während der Messe da sind, sondern das ganze Jahr über zur Verfügung stehen, um miteinander im Gespräch zu bleiben. So könne man auch Regionen und Kunden erreichen, die nicht zu einer Präsenzmesse kommen können oder wollen.

Mit ispo.com habe man beispielsweise ein solches digitales Medium entwickelt, das eine so große Reichweite habe, dass die Messe sogar den Sportartikelhersteller Adidas zurückgewinnen konnte, der sich einst von Riem verabschiedet hatte, weil er seine Shirts und Schuhe lieber direkt an die Kundinnen und Kunden verkaufen wollte als über Fachhändler. "Wer digital nichts macht, riskiert künftig, Aussteller zu verlieren", sagt Dittrich. "Unser Geschäftsmodell wird auch in Zukunft erfolgreich sein, wenn es gelingt, das beste aus beiden Welten, also Onlinegeschäft und Präsenzmesse, clever zu verbinden."

Die Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr sind angesichts der ausgefallenen Präsenzmessen im ersten Halbjahr recht bescheiden. "Wir werden wahrscheinlich wie im Vorjahr etwa 70 Prozent des Umsatzes vor Corona verlieren", so Dittrich. "Damit fehlt ein Umsatzvolumen von ungefähr 200 Millionen Euro, das ist schon heftig." Kosteneinsparungen und Stellenabbau seien deshalb unvermeidlich gewesen, zumal man glaubt, erst in drei bis fünf Jahren an das Niveau aus dem Rekordjahr 2019 heranreichen zu können. Ziel der Geschäftsführung war es deshalb, 25 Prozent der Stellen einzusparen - das entspricht 170 Vollzeitstellen. "Wir sind fast am Ziel", sagt der Messechef.

Bei den Stelleneinsparungen sei es nicht nur um die Kosten gegangen, sondern auch darum, das Unternehmen neu aufzustellen. Dazu habe man auch eine ganze Hierarchiestufe abgebaut, die Größe der Geschäftsführung halbiert, einige Bereiche zusammengelegt und andere ganz aufgelöst. Jetzt sieht man sich gut gerüstet für die Zukunft, in der sich Deutschland als weltweit wichtigster Messestandort behaupten will.

© SZ vom 17.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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