Ob man auch vom Stammtisch seines Sprachkurses sei, fragt ein junger Mann in miserablem Spanisch. „Niveau B1, ihr auch?“ Leider nein. „Dazusetzen könnt ihr euch aber trotzdem!“, hakt er nach, rückt sich die Schiebermütze zurecht, grinst und verschwindet dann wieder in der Traube seiner Spanischkollegen, die heute Abend die hintere Hälfte der Bar belegen.
So läuft das hier, im Alten Ofen. Keinen Platz gefunden, kein Problem, dann setzt man sich eben dazu. Oder man trinkt das erste Bier an der Theke und lässt den Blick von dort aus durch die rappelvolle Bar schweifen: rechts ein älteres Pärchen, das Karten spielt. In der Sofaecke an der Tür eine Geburtstagsgruppe, die alle paar Minuten den Gesang auf das beschämte Geburtstagskind Simon anstimmt. Und andauernd kommt ein neues Mitglied des Spanischkurses mit einem lauten „Hola“ zur Tür herein.
Der Alte Ofen ist eine Kneipe, wie es sie in der Maxvorstadt nicht mehr oft gibt. Er hebt sich ab von den altbekannten Szene-Bars an der Universität – allein schon durch die Adresse weiter Richtung Wohnviertel am Josephsplatz, aber vor allem durch seine Bodenständigkeit: Die Preise sind fair (4 Euro für ein Helles oder Glas Weißwein, 7 Euro für den Aperol), die Auswahl der Drinks nicht unbedingt neu. Aber wer auf schicke Hipster-Cocktails steht, ist hier eh am falschen Ort. Dafür gibt es warme Küche mit großer Schnitzel-Expertise: Auf sechs verschiedene Arten der Panade muss man als Koch erstmal kommen – Erdnuss, Haselnuss, Curry, süßer Senf, Cornflakes und als Highlight: Parmesan (jeweils zwischen 13,50 und 15 Euro). Von den fleischlosen Gerichten ist vor allem der Flammkuchen mit Gemüse zu empfehlen (12 Euro).
Seit 1973 gibt es die Bar. Damals hatte der Besitzer sie in der Schellingstraße eröffnet, aber schon fünf Jahre später stand dem Ofen ein Umzug dorthin bevor, wo er heute noch ist, in die Zieblandstraße 41. Das Haus in der Schellingstraße wurde abgerissen. Nochmal zwei Jahrzehnte später, Mitte der 1990er-Jahre, übernahm Susanne Iglesias den Alten Ofen, die Tochter des Besitzers – bis heute ist sie die Chefin.
Die Einrichtung der Bar ist ein bisschen wie aus dem Wimmelbuch, bunt, humorvoll, wahrscheinlich angesammelt seit den 1970ern, allen voran der tatsächlich alte Ofen im Jugendstil. An den Wänden hängen Steckbriefe der Mitarbeiter. „Worauf hast du dich vor einer Schicht immer gefreut?“, steht dort zum Beispiel, und die Köche, Festangestellten und studentischen Aushilfen antworten mit allem zwischen: „Auf die lieben Kollegen“ und „auf das Zusperren“. Man kann sie kaum entziffern, die Steckbriefe in diesem Licht. Die Beleuchtung ist gedimmt, und um die Glühbirnen, die von einem alten Stromkabel hängen, hat jemand Papierschnipsel so gefaltet, dass das Licht wärmer und dezenter wirkt.
Hinten im Eck wurde nun doch ein Tisch frei. Man sitzt zwischen dem Spanischkurs und einem mit 1860-Fußballstickern vollgeklebten Klavier. Über der Bar stehen zwei Tonbüsten von Karl Marx und Lenin, die jemand so zueinander hingedreht hat, als stünden sie kurz vor dem ersten Kuss. Man kann sich kaum sattsehen an den Gästen, der Einrichtung, immer wieder tauchen kleine neue Details auf. Und wenn es doch einmal langweilig wird, nimmt der Spanisch-Stammtisch bestimmt jeden in seine Reihen auf.
Alter Ofen, Zieblandstraße 41, 80798 München, Telefon: 089/527527, Öffnungszeiten: täglich von 18 bis 1 Uhr.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Büsten von Marx und Engels stünden sich gegenüber – tatsächlich sind es die Büsten von Marx und Lenin.