Münchner Momente:Die Wahrheit hinter der Mariensäule

Lesezeit: 1 min

Ein Symbol für das idyllische Bayern wird restauriert: Mariensäule vor dem Rathaus. (Foto: Catherina Hess)

Das Wahrzeichen vor dem Rathaus wird saniert - Zeit, daran zu erinnern, wie und warum es an seinen Platz kam. Denn ganz so idyllisch ist der Ursprung nicht.

Kolumne von Stephan Handel

So so, die Mariensäule auf dem Marienplatz wird also restauriert, Bronzefiguren werden gereinigt, Fugen saniert, Inschriften neu gefasst. Das ist schön und eines Wahrzeichens der Stadt würdig, gleichzeitig aber ist es an der Zeit, mit einer Legende aufzuräumen - eine Legende, die unter anderem die Katholische Nachrichtenagentur in ihrem Text zur Sanierung wieder verbreitete.

"Das Friedensdenkmal vor dem Münchner Rathaus ließ Kurfürst Maximilian I. 1638 zum Dank dafür errichten, dass München und Landshut im Dreißigjährigen Krieg nicht zerstört wurden," schreibt die Agentur. Das ist einerseits richtig; die lateinische Inschrift an der Säule sagt, Maximilian habe sie "wegen Erhaltung der Heimat, der Städte, des Heeres, seiner selbst, seines Hauses und seiner Hoffnungen" errichten lassen. Andererseits ist das aber nur die halbe Wahrheit.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Der damalige Markt- oder Schrannenplatz war das Zentrum der bürgerlichen Hoheit in der Stadt, mit dem (alten) Rathaus als Symbol der Selbstverwaltung und der durch den königlichen Gunstbrief von 1315 verliehenen Marktfreiheit - der Platz war eine "Freiung" und somit außerhalb der Macht des jeweils regierenden Fürsten. Dass Maximilian I. diese bürgerlichen Rechte missachtete, war eine Machtdemonstration den Münchnern und ihrem Rat gegenüber: "Warum ich, der Herzog, auf eurem Platz baue? Weil ich's kann."

Dass Maximilian für das Standbild eine Marienstatue aus der Frauenkirche verlegen ließ, war ein schlauer Schachzug - hätte er ein Reiterstandbild seiner selbst errichten wollen, so wäre der Widerstand gewiss größer gewesen. Aber gegen eine "Patrona Bavariae" konnten die Bürger sich schlecht wehren, wollten sie nicht in den Verdacht kommen, gottlose Gesellen zu sein.

Es fällt schwer, sich einen ähnlichen Affront in der heutigen Zeit vorzustellen - vielleicht, wenn Markus Söder beschließen würde, vor der SPD-Geschäftsstelle am Oberanger eine Büste von Franz Josef Strauß (oder gleich von Markus Söder?) aufstellen zu lassen. Die Säule am Marienplatz aber bleibt für die meisten Münchner und wahrscheinlich alle Touristen ein Symbol für das idyllische Bayern - obwohl sie in Wirklichkeit daran erinnert, dass auch hier immer der Ober den Unter sticht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGesellschaft
:"Tendenziell unterschätzen die Menschen, wie ungleich der Reichtum verteilt ist"

300 000 Menschen sind in München offiziell armutsgefährdet. Die Ökonomin Lisa Windsteger forscht zur zunehmenden sozialen Ungleichheit und sagt: Armut wird unsichtbar, je größer die Unterschiede werden. Ein Gespräch. 

Interview von Bernd Kramer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: