Zwei-in-eins-Produkte sind nicht immer praktisch, das gilt auch für Zwei-in-einer-Veranstaltungen. Am Dienstagabend wird im Löwenbräukeller der Fred-Jay-Preis für Songwriting an die Musikerin, Songwriterin, Komponistin, Autorin, kurz: Künstlerin Judith Holofernes verliehen, eingebettet in das Gema-Mitgliederfest, da die Schirmherrin des Preises ist. Die Verleihung soll losgehen, doch ein Teil des Saals ist schon in Partystimmung. "Eine innere Ruhe strahlt auch nach außen", sagt Moderatorin Loretta Stern streng, bevor sie deutlicher wird: "Da hinten, hören Sie mich?"
Eine, deren innere Ruhe alles überstrahlt, ist Preisträgerin Judith Holofernes. Ziemlich zen sitzt sie vor der Veranstaltung im Biergarten und spricht über Songwriting, ihre Zeit als Frontfrau der deutschen Überfliegerband Wir sind Helden und das Danach. 2003 startete die Gruppe, Indierock mit kapitalismus- und gesellschaftskritischem Anspruch, aber auch hintergründig-witzigen und zarten Texten, getragen von Judtih Holofernes' Stimme.
Doch mit dieser kann sie nicht mehr singen, eine Stimm-Störung macht das seit einigen Jahren unmöglich. Seitdem schreibt sie vor allem, finanziert sich das durch ihre Fans über die Plattform "Patreon", auch ein Roman über die Musikindustrie mit dem Titel "Die Träume anderer Leute" ist erschienen. "Der Prozess des Songwritings ist sehr ähnlich zum Romanschreiben, aber viel intuitiver, viel magischer, da es über die Poesie geht", sagt Holofernes.
Bevor die Preisverleihung losgeht, erinnert die Stimmung so an eine Firmenfeier ("Ich wollt mal fragen, wann das Buffet aufmacht?"), viele der 600 Gäste freuen sich über Freigetränke, es wird genetworked. Das Publikum ist durchmischt, von geladenen Gästen wie Singer-Songwriter-Urgestein Rolf Zuckowski sind allerlei Gema-Mitglieder in steilen Outfits vertreten, Lederjacken und Tücher ums Handgelenk, Knallfarben, High-Heels.
Der amerikanische Preisstifter, Fred Jays Sohn Michael Jay-Jacobson, ist zufrieden mit der Wahl der Jury. "Ihre Texte sind raffiniert, zum Teil komisch, politisch engagiert", sagt er in leisem Deutsch über Holofernes. Jay-Jacobson ist aus New York angereist und erklärt den Doppelcharakter der Veranstaltung: "Meine Mutter hat bis zu ihrem Tod die Preisverleihung ganz alleine organisiert. Deshalb bin ich froh, dass die Gema die Schirmherrschaft hat." Wie wichtig die Auszeichnung ist, betont auch Jury-Mitglied Johannes Oerding, Preisträger von 2017: "Dieses Talent, alleine Texte zu schreiben, kann man hiermit belohnen. Der Preis geht sehr auf Originalität."
In seinem Grußwort nennt der Jury-Vorsitzende Tobias Reitz Holofernes "wilde Poetin" und bedauert, dass er und die Jury sich "nicht erklären konnten, warum diese Ehrung nicht schon vor 20 Jahren kam." Eine gute Frage, schließlich waren Textzeilen im Stile von "Meine Seele gegen eure sanfte Epilation" ("Guten Tag/Die Reklamation") oder "Sie haben uns ein Denkmal gebaut, und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut" ("Denkmal") damals ein Novum.
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Nun wird der 46-jährigen Holofernes also ein Denkmal mit diesem Preis gesetzt. Bevor sie diesen entgegennehmen kann, hält ihr langjähriger Freund und Musiker Francesco Wilking ( Tele-, Die Höchste Eisenbahn- und Crucchi Gang-Gründer, bei dem er deutsche Songs auf Italienisch interpretiert), eine schnoddrige Laudatio. Wilking, hellblauer Anzug, schelmisches Grinsen, kürzt nach einer launisch-launigen Rede mit ein paar Längen vor einem liebevollen Schlusswort lapidar ab: "Ich hab noch ganz viele Sachen zu sagen, die mit deinen Texten zu tun haben, aber die sag ich dir nachher einfach so oder mach dir morgen eine Sprach-Whatsapp." Ähnlich freundlich-pragmatisch auch Holofernes' kurze Dankesrede: "Wegen meiner Stimm-Störung klinge ich die ganze Zeit so, als sei ich wahnsinnig gerührt. Ich bin aber wirklich gerührt. Vielen Dank!"
Zum Abschluss covern Wilking und die Sängerin Wencke Wollny drei Songs von Holofernes, den letzten in der Crucchi Gang-Version "Solo una parola", das kommt im italophilen München gut an, gelöste Stimmung im Saal, alle singen mit. Kurz Konzertatmosphäre, danach wieder Firmenfeier-Charme mit einer Jazz-Version von "Highway to Hell", ganz two-in-one.