Krieg in der Ukraine:Die erste pro-russische Kundgebung in München

Lesezeit: 2 min

Gegendemonstranten fordern, Putin nach Den Haag auszuliefern. (Foto: Stephan Rumpf)

Nur etwa 130 Münchner haben gegen die angebliche Diskriminierung russischsprachiger Menschen vor der Feldherrnhalle protestiert - umringt von Gegendemonstranten. Das Zurschaustellen des "Z"-Symbols hatte die Stadt untersagt.

Von Martin Bernstein

Etwa 130 Münchnerinnen und Münchner statt der angemeldeten 700 haben am Montagnachmittag in München gegen die angebliche Diskriminierung russischsprachiger Menschen in Deutschland demonstriert - weitere bis zu 150 Demonstranten protestierten mit Sprechchören und Ukraine-Fahnen gegen diese erste pro-russische Kundgebung in München seit Kriegsbeginn.

Etwa 200 Beamte des Polizeipräsidiums, unter ihnen Berittene sowie russischsprachige Staatsschützer, passten auf. Und wachten auch darüber, dass keine verbotenen Bilder oder Symbole gezeigt wurden. Im Vorfeld hatte das Kreisverwaltungsreferat das Zurschaustellen des "Z"-Symbols der russischen Invasionstruppen in der Ukraine untersagt, das den Straftatbestand der Billigung eines Angriffskriegs erfüllen könnte. Nicht erlaubt waren auch die Konterfeis von Stalin und Putin.

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Letzterer war dann doch zu sehen: auf der Seite der Gegendemonstranten. Dort wurde ein Papp-Putin in Lebensgröße in die Höhe gehalten. In Sträflingskleidung, verbunden mit der Aufforderung, ihm als Kriegsverbrecher in Den Haag den Prozess zu machen. Die Gegendemonstranten begleiteten die pro-russische Kundgebung vor der Feldherrnhalle mit einem nahezu andauernden Pfeifkonzert, mit Sprechchören, mit einem Fahnenmeer in Blau-Gelb und mit Plakaten, auf denen der russische Präsident als "Killer" und seine Invasionstruppen als "Nazis" bezeichnet wurden.

Russische Fahnen hier, ukrainische dort: Die erste pro-russische Kundgebung seit Beginn des Kriegs mobilisierte auf beiden Seiten gleich viele Demonstranten, nämlich jeweils etwa 150. (Foto: Stephan Rumpf)

Innerhalb der Absperrung wurden neben deutschen und einer kasachischen Fahne viele russische Fahnen geschwenkt. Wobei Rednerinnen sich beeilten deutlich zu machen, was sie unter "russisch" verstehen: nämlich keine Nation, sondern eine Idee. Und in diese Idee wurden - zumindest in den deutschsprachigen, weitaus kürzeren Teilen der Reden - die Völker der ehemaligen Sowjetunion gleichsam eingemeindet an diesem 9. Mai, der in Russland traditionell als Tag des Sieges über Nazi-Deutschland gefeiert wird. Als unrussisch wurden dagegen Nazi-Kollaborateure aus heute unabhängigen, westlich orientierten Staaten von den Rednerinnen gebrandmarkt - unter anderen der in München ermordete und begrabene Stepan Bandera.

Diese Erklärung der angeblichen "russischen Seele" mag für Gegendemonstranten aus den längst unabhängigen Nachbarstaaten Russlands durchaus bedrohliche Aspekte haben - auch wenn eine Rednerin versicherte, niemand wolle Krieg, aber verteidigen werde man sich ja wohl dürfen. Daran dürften auch die Polonaise und andere Tänze der pro-russischen Kundgebungsteilnehmer unmittelbar nach einer von Pfiffen unterbrochenen Schweigeminute für die Opfer des Zweiten Weltkriegs nichts geändert haben. Zumal eines der betanzten Lieder mit folgenden Textzeilen aufwartet: "Schöne Slawin aus Moldawien ... nach unserem Sieg wird niemals wieder sein ein Krieg. Mutter Russland, für dich nur steh'n wir auf der Wacht. Auf zum Feinde ..."

Seit Beginn des Kriegs wurden sechs antirussische Straftaten in München registriert

Über die angeblichen Diskriminierungen der russischen Sprache und Traditionen in Deutschland, gegen die die Kundgebung eigentlich gerichtet war, war zumindest im ersten Drittel der auf viereinhalb Stunden angesetzten Kundgebung nicht viel zu erfahren. Es fehlten offenbar die Münchner Beispiele dafür. Auch die russische Botschaft, die seit Wochen offensiv zum Sammeln und Melden derartiger Fälle aufrief, hat seit 11. April keine Vorfälle mehr veröffentlicht. Unter den bis dahin publizierten Fällen war nur eine knappe Handvoll aus München.

Das deckt sich mit den Angaben der Münchner Polizei. Sie registrierte seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine sechs Straftaten gegen in München lebende Russen oder russische Einrichtungen. Betroffen war vor allem das russische Generalkonsulat in Bogenhausen, das mit Flaschen und Farbbeuteln attackiert wurde, auf das ein Schriftzug gesprüht wurde, der Putin mit Hitler gleichsetzte, und dem per Post ein verdächtiges weißes Pulver zugestellt wurde, das sich am Ende aber als harmlos erwies.

Auch der Überfall auf eine in München lebende Russin am 14. März an deren Wohnungstür wird von der Polizei als politisch motivierte Tat betrachtet. Die Hintergründe sind indes noch unklar. Die beiden Männer, die die Russin durch Schläge verletzten, sprachen nach Angaben des Opfers akzentfreies Russisch. Derlei Zwischenfälle blieben am Montagnachmittag nach ersten Angaben der Polizei zunächst aus. Auch das ominöse "Z"-Symbol wurde nicht gesichtet.

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