Der Ton in der Debatte um den Bau eines neuen Konzerthauses wird schärfer. Die Stiftung Neues Konzerthaus München veröffentlichte am Freitag einen geharnischten Brief an die Kuratoriumsmitglieder. Man wolle und werde "diese irrlichternden Meinungsschwankungen der Politik und ihr Einknicken bei Gegenwind" nicht hinnehmen. "Wir empfinden das Vorgehen des Ministerpräsidenten als höchst befremdlich. Jede weitere Verzögerung des Projekts bedeutet eine kolossale Kostensteigerung", schreiben die Vorstandsmitglieder Georg Randlkofer und Hans Robert Röthel.
Ministerpräsident Markus Söder hatte Ende März im Interview mit der Süddeutschen Zeitung das geplante Projekt im Werksviertel grundsätzlich infrage gestellt. Der CSU-Politiker forderte eine "Denkpause": Nach den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie und den Folgen des Ukraine-Kriegs müsse der Freistaat genau überlegen, wofür er sein Geld ausgebe. "Wir merken doch, wie sehr sich die Welt verändert hat. Die Wahrheit ist: Die Stadt München muss ihren Kulturetat kürzen", sagte Söder. Seit mehr als 20 Jahren wird um Standort, Größe und Notwendigkeit des Projekts gestritten. Die Kosten für einen Neubau beliefen sich nach Söders Einschätzung bereits auf eine Milliarde Euro. "Wir sollten uns die Zeit nehmen, noch mal in Ruhe alles zu überdenken. Das ist keine Entscheidung für oder gegen etwas, sondern die Anregung zu einem Prozess."
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Für die Stiftung Neues Konzerthaus München klingt das freilich anders. Man habe den Eindruck, dass der Ministerpräsident entschlossen sei, das Haus "bestenfalls so nicht zu bauen, eher aber es überhaupt nicht zu bauen". Für den Steuerzahler würde es in letzterem Fall trotzdem sehr teuer. "Die Planung hat bis jetzt etwa 27 Millionen Euro Kosten verursacht", heißt es in dem offenen Brief an das Kuratorium mit Mitgliedern wie den Künstlerinnen und Künstlern Georg Baselitz, Christian Gerhaher, Anne-Sophie Mutter, Zubin Mehta, Igor Levit sowie Vertretern aus der Unternehmerbranche von Roland Berger, René Benko, Martine Dornier-Tiefenthaler, Nina Hugendubel bis Wolfgang Reitzle. So könne der Erbpachtvertrag für das Grundstück auf dem ehemaligen Gelände der Pfanni-Fabrik erstmals nach 88 Jahren gekündigt werden. "Seit 2016 zahlt der Freistaat Bayern jährlich rund 600 000 Euro an den Erbpachtgeber. Die indexierten Zahlungsverpflichtungen des Freistaats Bayern für die gesamte vertraglich festgelegte Laufzeit belaufen sich somit auf rund 60 Millionen Euro."
Randlkofer und Röthel machen aus ihrer "Erschütterung" über Vertrauensverlust und gebrochene Versprechen keinen Hehl. Möglicherweise werde das Konzerthaus auch zum Fall für den Bayerischen Obersten Rechnungshof: "Aufgrund fehlender Vorausschau der Politik wären - folgte man dem Ministerpräsidenten - ohne ausreichendes Nachdenken Millionen Euro für die Planung und Erbpacht bewilligt worden."
Bei der SZ-Diskussion über die Zukunft des Konzerthauses im Mai hatte Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) das "Innehalten" verteidigt, weil es notwendig sei zu prüfen, ob "wir die finanzielle Kraft haben, das zu schultern". Außerdem sei mit der neuen Isarphilharmonie eine neue Situation entstanden. Zwischen der Staatsregierung und der Stadt München laufen bereits erste Gespräche.