Vermutlich ist das der gewünschte Effekt: Gespenstisch soll es sein. Bedrohlich. Gerade so, als wäre ein Nazi-Ufo im Notstandsgebiet gelandet. Das klappt durchaus. Umringt von Polizei wartet eine Handvoll Sympathisanten hinter Absperrgittern auf Interessierte - an diesem Abend in der Sendlinger Straße ganz allein, denn niemand will zu dem wenig vertrauenserweckenden Trupp in den Kordon kommen.
Dramatische Musik ist zu hören, der bekannte Filmkomponist Hans Zimmer muss dafür herhalten. Unter den großen Transparenten steht Heinz Meyer, Münchner Pegida-Chef und Stadtratskandidat - breitbeinig und trotz fortgeschrittener Dämmerung mit dunkler Sonnenbrille. Er wirkt so, als genösse er die Situation des Gemiedenen, seine Rolle als "Underdog". Dann beschäftigt er sich mit der technischen Ausrüstung des Wahlkampfstands, füllt Diesel in den Generator und klettert auf den Masten der Leinwand herum. Vielleicht weiß er auch einfach nicht so genau, was er eigentlich die ganze Zeit tun soll hinter seinem Zaun, vor dem ein paar Gegendemonstranten mit Punk-Musik stehen. Die große Masse der Passanten strömt einfach vorbei.
Meyer sollte eigentlich als OB-Kandidat der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (Bia) antreten. Das darf er nun nicht, an seiner Verfassungstreue bestehen erhebliche Zweifel. Auf der Stadtratsliste steht er weiterhin, dort gelten mildere Maßstäbe. Der Pegida-Mann taucht im Verfassungsschutzbericht auf, genau wie Karl Richter, der schon seit 2008 für die Bia ein Mandat innehat. Damals kam der langjährige NPD-Funktionär mit 1,4 Prozent ins Rathaus, 2014 halbierte er seinen Stimmenanteil auf 0,7 Prozent. Das reichte gerade noch für den Wiedereinzug.
Die Bia ist rechtsradikal, und sie versucht das nicht einmal zu verbergen. "Zuwanderung ist keine Bereicherung" steht auf den in der Sendlinger Straße verteilten Wahlzetteln, darunter prangt eine Hand mit Messer. Dazu kommt eine gehörige Portion Rabaukentum, etwa der "Tritt in den Arsch", den Meyer den "dekadenten, wohlstandsverwahrlosten Etablierten" wünscht.
Die Wirkung der Bia für die Münchner Kommunalpolitik lässt sich gar nicht unterschätzen. Sie liegt bei null. Da niemand mit Richter eine Ausschussgemeinschaft eingehen wollte und normalerweise auch niemand außer ihm selbst seinen Anträgen zustimmt, sitzt er in den Vollversammlungen einsam und politisch abgehängt auf seinem Platz. In den Fachausschüssen ist er als Einzelkämpfer nicht zugelassen, das meiste läuft also an ihm vorbei. Gelegentlich tritt er ans Mikrofon, reflexartig, wenn es um Flüchtlinge geht. Dann hetzt er gegen Zuwanderung und alle, die sie zulassen - während der Rest des Saals per Handy E-Mails abruft, ein Schwätzchen mit dem Nachbarn hält oder kurz auf einen Kaffee nach draußen geht. Man weiß allmählich, was Richter so vom Stapel lässt.
Im Kommunalwahlprogramm der Bia ist unter anderem von bezahlbaren Wohnungen und Verkehrspolitik die Rede. Im Stadtrat ist Richter nie mit diesen Themen aufgefallen. Ihm geht es, davon sind die meisten Beobachter überzeugt, vor allem darum, eine Art Show für seine Anhänger abzuziehen. Und das kann er besser, wenn er gegen Flüchtlinge hetzt, als wenn er sich ernsthaft an konstruktiven Debatten beteiligt.
Richter war bis zu dessen Ausscheiden aus dem Europaparlament ein Mitarbeiter des NPD-Abgeordneten Udo Voigt. Wie er tickt, zeigen die Formulierungen in seinem Programm deutlich: Von einem "organisierten Bevölkerungsaustausch", gefördert durch die etablierte Politik, ist da die Rede - freilich ohne zu klären, warum eigentlich irgendwer ein solches Projekt verfolgen sollte. Und er fordert: "Polizeibekannte Brutstätten linksextremer Umtriebe sind auszutrocknen".
Im Internet brüstet sich Richter mit angeblichen Verdiensten: Etwa, dass es die Bia gewesen sei, auf deren Antrag hin die Stadt 2010 nach dem gescheiterten Moschee-Projekt am Gotzinger Platz den Grundstücksverkauf an die muslimischen Initiatoren wieder rückgängig gemacht habe. Tatsächlich jedoch hatte die Stadt ihre für eine Moschee reservierte Fläche wieder einkassiert, weil der Verband das nötige Geld nicht aufbringen konnte. Der Antrag der Bia hatte auf diesen durchaus logischen Schritt keinerlei Auswirkungen.
Welchen Staat sich Richter und die Bia erträumen, lässt sich aus seinen Facebook-Einträgen ableiten. Dort steht, dass zu einem Regimewechsel die "rückstandsfreie Abschaffung der Lügenmedien" und die "konsequente Entsorgung der politischen Kaste" gehören. Das NS-Dokuzentrum am Königsplatz will Richter abreißen. Ein Foto zeigt das 2015 eröffnete Gebäude. Darauf der Stempel: "Kann weg".