CO2-Emissionen:Wenn Nachhaltigkeit zum boomenden Geschäft wird

Lesezeit: 3 min

Das Münchner Unternehmen Climatepartner hilft Firmen auf dem Weg zur Klimaneutralität - denn Verbraucher kaufen immer bewusster ein.

Von Thomas Anlauf

Die Zahlen machen Moritz Lehmkuhl Mut. Mehr als 60 Prozent der Verbraucher in Deutschland kaufen ausschließlich umweltfreundliche Produkte oder versuchen es weitgehend, jeder zweite Kunde achtet vor allem beim Kauf von Lebensmitteln und Drogerieartikeln auf Informationen zu den CO₂-Emissionen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die Lehmkuhl für sein Münchner Unternehmen Climatepartner vom Marktforschungsinstitut Appinio erstellen ließ. Mehr als eintausend Menschen zwischen 16 und 65 Jahren wurden zu ihrem Einkaufsverhalten und ihrem Klimaschutzbewusstsein befragt. Die Ergebnisse der Studie werden an diesem Donnerstag veröffentlicht.

"Wenn es um die Reduzierung und Vermeidung der weltweiten CO₂-Emissionen geht, spielt auch der private Konsum eine wichtige Rolle", sagt Lehmkuhl, der vor 15 Jahren das Beratungsunternehmen Climatepartner gegründet hat. "Verbraucherinnen und Verbraucher können mit ihren Entscheidungen Einfluss auf Unternehmen nehmen", damit diese ihr Produktangebot klimafreundlicher gestalten und ihre Emissionen reduzieren. Das haben mittlerweile auch viele Firmen verstanden: Das einstige Start-up Climatepartner boomt und betreut heute mit 150 Mitarbeitern an neun Standorten mehr als 3000 Kunden im In- und Ausland.

Das Umweltbewusstsein hat sich dank Greta Thunberg verändert

Bis dahin war es ein weiter Weg. "Die ersten zehn Jahre sah es nicht so aus, dass man davon leben könnte", sagt Lehmkuhl über seine Firma. Doch in den vergangenen Jahren hat sich das Umweltbewusstsein vieler Menschen, auch vieler Firmeninhaber, grundlegend verändert. Entscheidend dazu beigetragen habe nicht nur das Pariser Klimaschutzabkommen im Jahr 2015, als sich fast alle Staaten der Welt zu nationalen Klimaschutzzielen verpflichteten.

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"Greta Thunberg und Fridays vor Future haben damit natürlich auch ganz viel zu tun", sagt Lehmkuhl. Die Menschen würden seit einigen Jahren merken: "Der Klimawandel findet ja wirklich statt." Der Betriebswirt, der anfangs vor allem Druckereien beim Klimaschutz beraten hat, weiß, dass sich viele Mittelständler Gedanken machen, wie sie ihre Unternehmen umweltfreundlicher aufstellen können.

Genau da setzt Climatepartner an. Die Beratungsfirma bietet Unternehmen ein Paket an, wie sie ihre Firmen und ihre Produkte möglichst klimaneutral machen können. Das geht zunächst über ein eigens entwickeltes Softwareprogramm, mit dem die CO₂-Bilanz berechnet wird. Dann betrachten die Berater die Emissionen der Produkte über den gesamten Lebenszyklus. Das kann durchaus zu überraschenden Ergebnissen führen, weiß Dieter Niewierra, Unternehmenssprecher von Climatepartner.

Eine Textilfirma, die in Indonesien produzierte, habe wissen wollen, wo sie dort ihre höchsten CO₂-Emissionen verursache. Die Firmenchefs vermuteten, dass die höchste Umweltbelastung durch die Produktion entsteht. Doch dann stellten die Berater von Climatepartner fest, dass fast alle Angestellten der Textilfabrik mit Mopeds in die Arbeit fuhren. "Das war ein ziemlich großer Faktor", sagt Niewierra.

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Er steht in einem der großen Büroräume vor einem langen Regal mit Waren. Da findet sich zum Beispiel Biomilch vom Netzwerk "Unser Land", das 1994 im Großraum München mit regionalen Lebensmitteln von Bauernhöfen startete. Die Milchtüten tragen das Siegel "klimaneutral" von Climatepartner ebenso wie Kosmetikprodukte verschiedener Hersteller, Toilettenpapier aus Bambus und sogar Bücher - zum Beispiel Goethes "Iphigenie auf Tauris" aus dem Reclam-Verlag oder Bill Gates' bei Piper erschienenes Buch "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern". In München arbeitet laut Niewierra beispielsweise das Büro-Fachgeschäft Kaut Bullinger mit Climatepartner zusammen, aber auch internationale Textilfirmen wie Marc O'Polo mit Sitz in Stephanskirchen.

"Wenn wir in den nächsten zehn Jahren nichts tun, haben wir ein existenzielles Problem"

Während Lehmkuhl und sein ständig wachsendes Team die ersten Jahre viel Überzeugungsarbeit bei Firmen leisten mussten, kommen laut Niewierra nun auch große Unternehmen "aktiv auf uns zu". Viele Firmen hätten verstanden, dass die Kunden immer stärker auf umweltfreundliche und möglichst klimaneutrale Produkte achten, wie auch die aktuelle Umfrage von Climatepartner belege.

Allerdings gibt es da auch Nachholbedarf: Während jeder zweite Befragte bei Lebensmittel am meisten auf klimafreundliche Produkte achtet, sind es bei Bekleidung und Schuhen deutlich weniger - 37 Prozent bei den 45- bis 65-Jährigen und nur 23 Prozent bei den 16- bis 25-Jährigen. Das mag auch an den oft schwierig zu durchschauenden Produktions- und Lieferketten der Textilindustrie liegen. Und nicht jede Firma, die sich von Climatepartner beraten lässt, reduziert ihre Emissionen mit aller Kraft in der eigenen Produktion.

Bei Climatepartner können sich Firmen ihre Emissionen auch durch ausgewählte Klimaschutzprojekte weltweit kompensieren lassen. So ein Ablasshandel ist bei Umweltschützern nicht unumstritten, schließlich sind beispielsweise massenhaft gepflanzte Bäume kein Garant dafür, dass sie tatsächlich jahrzehntelang CO₂ aus der Atmosphäre filtern. Für die Klimaberater sei die Kompensation aber noch ein unverzichtbarer Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität von Firmen, sagt Niewierra. "Vermeidung und Reduktion der Emissionen sind entscheidend." Firmenchef Lehmkuhl weiß, dass die Zeit drängt: "Klimaneutralität muss sein. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren nichts tun, haben wir ein existenzielles Problem."

© SZ vom 15.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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