Jüdische Kulturtage:Der Grausamkeit etwas entgegensetzen

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Der Künstler Manfred Bockelmann beim Ausstellungsaufbau. (Foto: Lukas Wögerer)

Die 37. Jüdischen Kulturtage wollen in diesem Jahr eine Botschaft des Dialogs in verhärteten Zeiten aussenden. Das Festival widmet sich vier Wochen lang der grausamen Vergangenheit ebenso wie der Gegenwart.

Von Andrea Schlaier

"Die jüdische Geschichte kennt viele Tragödien, in denen die Kultur oft ein tragendes Element der Kraft und Hoffnung blieb." Judith Epstein sagt das. Und darauf setzt sie auch als Veranstalterin der Jüdischen Kulturtage in München, die an diesem Montag beginnen. Darauf, "der Situation in Nahost", die mit "den Massakern und der Geiselnahme der Hamas", eine "neue brachiale Dimension der Gewalt und Grausamkeit erreicht hat", etwas entgegenzusetzen: "das gelebte jüdische Leben mit Vielfalt, Demokratie und in Freiheit". Man wolle mit der eigenen Reihe die Wertegemeinschaft stärken mit Aufklärung, Begegnung und Austausch.

Das Programm der Jüdischen Kulturtage sei infolge der Gräuel am 7. Oktober "angepasst" worden, erläutert Epstein. Statt fröhlicher traditioneller Hora-Kreistänze wird es beim zentralen Festakt am 29. November nun getragene religiöse Gesänge geben. Das weitere Programm passe in seiner ursprünglichen Konzeption "bitter in den aktuellen Kontext" und sei, wie in den Vorjahren, an die Gegenwart gekoppelt. Auch für die 37. Auflage der Reihe gelte: "Jüdische Kultur ist nicht nur Klezmer, sondern war und ist integrativer Bestandteil der Gesamtkultur."

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Die Botschaft für Kultur, Dialog und Reflexion bleibe, der Kontext habe sich in diesem Jahr verändert, so Epstein. Und der rufe vielen Menschen noch einmal ins Bewusstsein, dass Demokratie, Frieden und Sicherheit erkämpft werden müssten. "Der Dialog in verhärteten Zeiten ist eine doppelte Herausforderung." Kultur könne in diesen Tagen besänftigen und Brücken bauen, auf diesem Fundament werde und müsse die Gesellschaft wieder zusammenfinden.

Was die Sicherheitsvorkehrungen bei den einzelnen Veranstaltungen angeht, die im gesamten Stadtgebiet stattfinden, verweist die Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition auf traurige Erfahrungswerte: "Wir sind nicht naiv in guten und schlechten Zeiten." Die Realität jüdischen Lebens in Deutschland sei auch zwischen allen Kriegen geprägt von hohen Sicherheitsvorkehrungen. Das Zusammenstehen im Freundeskreis tröste aber gerade jetzt, viele wollten die persönliche Begegnung nicht missen.

Die Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition, Judith Epstein. (Foto: Sabine Grudda)

Zu einer bewegenden Begegnung geraten wird bereits der Auftakt des Festivals: Manfred Bockelmann zeigt von 13. bis 16. November Porträts von Kindern, die von den Schergen des NS-Regimes ermordet wurden - gezeichnet mit brüchigem Kohlestrich auf mannshohen Schwarz-Weiß-Leinwänden unter dem Titel "Zeichnen gegen das Vergessen". "Um diese Kinder hat niemand geweint und es wäre wunderbar, wenn man das jetzt nachholen könnte", sagt der renommierte Künstler. Im Jüdischen Zentrum am Sankt-Jakobs-Platz ist begleitend zu seiner Werkreihe auch Bärbel Jacks' Film über das Kunstprojekt zu sehen.

Im Staatlichen Ägyptischen Museum an der Gabelsberger Straße 35 wird von 25. November an erstmals in Deutschland die Ausstellung "Operation Finale: Die Ergreifung und der Prozess von Adolf Eichmann" gezeigt. Die Schau bietet Einblicke in die geheime Geschichte, die zur Ergreifung des "Architekten der Shoa" geführt hat.

Eine bewegte Familiengeschichte aus dem Nachkriegsdeutschland und -österreich mit tragikomischem Witz wird am 5. Dezember im Luitpoldblock, Brienner Straße 1, erzählt. Der Schauspieler und Kabarettist Heinz Marecek liest aus dem Buch "Ich bin ein Zebra: eine jüdische Odyssee" des österreichischen Unternehmers und Publizisten Erwin Javor.

"Die Sprache der Kultur verbindet" heißt es beim offiziellen Festakt der 37. Jüdischen Kulturtage im Gasteig HP8 am 29. November, 19.30 Uhr. Das Orchester Noya mit Refael Mirila streift musikalisch durch die Welt jüdischer Melodien. Die Piano-Zwillinge Franziska und Melanie Überreiter übernehmen dann mit jüdischen Klängen des Broadways. Den Schluss machen am 11. Dezember, 19.30 Uhr, im Saal X des Gasteig HP8, die Klezmer Angels mit Pianistin Inna Surzhenko und den Sängerinnen Svea Zhidetskaya und Margarita Hayer mit Klezmer-Songs. Gemeinsam werden dann die fünfte Chanukka-Kerze entzündet und Channuka-Spezialitäten gereicht, um diesen jüdischen Feiertag der Münchner Stadtgesellschaft vorzustellen.

37. Jüdische Kulturtage München, 13. November bis 11. Dezember. Infos und Anmeldung unter www.juedischekulturmuenchen.de

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