Migration:Warum München in Jordanien helfen will, Müllcontainer zu bauen

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Nagelneue Maschinen, die niemand in Gharb Irbid bedienen kann. Das soll sich durch die Hilfe aus München ändern. (Foto: RAW)
  • Münchner Spezialisten sollen in der jordanischen Stadt Gharb Irbid dabei helfen, eine Anlage zum Bau von Müllcontainern zu betreiben.
  • Die Verantwortlichen von Gharb Irbid hoffen, die Behälter so nicht mehr selbst für viel Geld kaufen zu müssen.
  • Mit dem Projekt könnte Einheimischen und Geflüchteten in der Region eine neue Perspektive gegeben werden, heißt es von den Initiatoren des Vorhabens.

Von Heiner Effern

In der Stadt Gharb Irbid im Norden Jordaniens steht eine moderne, große Halle, in der Maschinen zum Bau von Müllcontainern aufgebaut sind. Diese wurden vor knapp zehn Jahren von einer Hilfsorganisation gespendet, gelaufen sind sie nie. Sie gehören der klammen Kommune, doch niemand konnte sie bedienen, niemand wusste, wie man einen Eigenbetrieb organisiert. Als Henriette Wägerle im Herbst 2018 in der Halle stand, sah die Abteilungsleiterin im Wirtschaftsreferat, dass sie organisieren kann, was hier fehlt. Denn ihre Fachleute haben die Kenntnisse, die in Gharb Irbid benötigt werden. "Wie leite ich einen Eigenbetrieb, wie kann der Betriebsablauf aussehen?" Deshalb werden München und die jordanische Stadt bis Ende 2021 Partner.

Der Wirtschaftsausschuss beschloss, beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen Antrag zu stellen. Das Projekt ist dort bekannt und gewünscht, die Genehmigung sollte eine Formsache sein. Die Hilfe von Stadt zu Stadt brachte noch der in den Landtag gewechselte Wirtschaftsreferent Josef Schmid (CSU) auf den Weg. Ende November besuchten Wägerle und ihre Fachleute Gharb Irbid.

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Fünf Tage lang wurde intensiv diskutiert, was konkret anzugehen ist. "Hoch motiviert" seien die Kollegen aus Jordanien gewesen, sagt Wägerle. Diese hofften, die vielen teuren Container, die sie jetzt kaufen müssten, künftig selbst zu produzieren. Und als Einkommen für die Stadt vielleicht sogar noch welche nach außen zu verkaufen. Nicht zuletzt könnten Arbeitsplätze für Jugendliche entstehen, was besonders Flüchtlingen aus Syrien eine Perspektive bieten könnte.

Gharb Irbid liegt nahe an der Grenze. Jeder sechste der 80 000 Einwohner ist vor dem Krieg dort geflohen. München will sich bewusst in einer solchen Flüchtlingsregion engagieren. "Wir wollen dort mit unserer Hilfe ansetzen, wo die Notlage entsteht. In erster Linie sollen damit eine Verbesserung der Lebensverhältnisse und neue Perspektiven in den Herkunfts- und Anrainerländern von Flüchtlingsbewegungen geschaffen werden", sagt Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU).

Da in Gharb Irbid 70 Prozent der Flüchtlinge weiblich sind, sollen die Experten der Stadt auch ein Projekt speziell für Frauen auflegen. Benötigt wird Hilfe bei der Gründung einer kleinen Firma oder bei Fragen der Selbständigkeit. Viele Frauen - Einheimische wie Flüchtlinge - backen bereits jetzt Brot oder bereiten eingelegtes Gemüse zu, das sie verkaufen. Doch fehlen die Kenntnisse und Strukturen, um damit ausreichend zu verdienen. "Das klingt nicht groß, doch mit den Speisen könnte man mittags zum Beispiel Bürogebäude versorgen", sagt Abteilungsleiterin Wägerle.

Denkbar sei auch der Aufbau einer Genossenschaft oder der Vertrieb über Internet. "Vereinzelt ist das nötige Wissen da, zum Beispiel auch beim Web-Design." Wie man eine Existenzgründung organisiert und dauerhaft davon profitiert, "da speisen wir unsere Kenntnisse ein". Angedacht ist zudem eine Ausbildungs-Kooperation für Jugendliche. Metallbauer könnten in der Fabrik Praktika absolvieren. Parallel dazu könnte eine Münchner Schule weitergeben, wie Jugendliche in Jordanien künftig Schneiderei, Hauswirtschaft und Kosmetik erlernen können.

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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