Münchner Momente:Ist das Kunst oder kann man darin wohnen?

Lesezeit: 1 min

Häuser? Auf die Käufer warten beim Projekt Hoch der Isar "Unikate". (Foto: Becken Development GmbH)

Wenn Makler in München etwas verkaufen wollen, geht es nicht um Wohnungen, sondern um "Kollektionen" und "Unikate" für "Sammler aus Leidenschaft".

Glosse von Anna Hoben

Wir leben in mangelhaften Zeiten. Erst das Speiseöl, dann das ausgeklügelte Verpackungsmaterial einer bekannten Münchner Bäckerei, die "Brotseide". Und jetzt auch noch Zigaretten. Wegen Papiermangels könnten die Kippen knapp werden, meldete ein Boulevardblatt. Könnte natürlich auch ein Trick der Hersteller sein, die schlicht die Nachfrage nach ihren Erzeugnissen nach oben treiben wollen, so wie die Preise der Immobilien in München.

Ganz oben, da befinden sich zum Beispiel die Häuser des Bauprojekts namens Hoch der Isar. Häuser? Pardon, gemeint sind die 13 "Unikate", wie es auf der Webseite heißt. Die Sprache der Immobilienvermarkter ist längst eine eigene Kunstform geworden. Jüngster Forschungsstand in dem Bereich, der in München mitnichten ein Orchideenfach ist: Der Trend geht dahin, Immobilien so zu vermarkten, als handle es sich um Kunst.

Da ist die Rede von einer "Kollektion", von "Einzelstücken" und einer "Limited Edition". Vermutlich ist jedes Zimmer handsigniert, möglicherweise gibt es wie im Museum "Berühren verboten"-Schildchen. Darin wohnen zu wollen? Verwerflich! Angesprochen ist ein Publikum, das seiner Sammlung an schicken Apartments aus einer Laune heraus noch eines hinzufügen will. Laut Webseite: "Sammler aus Leidenschaft", "Connaisseurs".

Aber damit ist die Trickkiste der Formulierungen noch nicht ausgeschöpft. Bei Instagram warben die Marketingleute von "Hoch der Isar" mit "exklusiven Trophy-Immobilien". Analog zur "Trophy Wife" aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Wikipedia: "Ein auch abwertend gebrauchter Begriff für eine in der Regel gutaussehende junge Frau, die einen älteren, erfolgreichen und gut situierten Mann heiratet". Das führt zu einer weiteren sprachlichen Auffälligkeit, die sich heute hin und wieder in Makler-Anzeigen findet: das "Master-Schlafzimmer". Gemeint ist das größte Schlafzimmer der Wohnung. Unterdessen haben US-amerikanische Makler begonnen, den "master bedroom" aus ihrem Vokabular zu streichen, weil er an ungute Zeiten in der Geschichte des Landes erinnert.

Hier indes ist eines sicher: So lange in München Immobilien verkauft werden, so lange wird auch die Kunstform der Vermarktungssprache immer neue Höhen erklimmen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: