USA:Entrümpelt

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Der Begriff Master-Bedroom ist bei Maklern sehr beliebt, verheißt er doch Großes. Doch nun soll er aus dem Immobilien-Vokabular verschwinden, weil ihn manche für rassistisch oder sexistisch halten. Dabei ist gar nicht klar, wo der Begriff seinen Ursprung hat.

Von Viola Schenz

Wer die Netflix-Serie House of Cards verfolgt hat, weiß, dass der fiktive amerikanische Präsident Frank Underwood (Kevin Spacey) und seine Gattin Claire (Robin Wright) ihre politischen Intrigen gerne abends im Schlafzimmer spinnen. Dort, im Nachttischlampenschein und mit den vielen Kissen auf dem ausladenden Boxspringbett, mit Lesebrillen und Laptops lässt es sich trefflich gegen das Washingtoner Establishment verschwören.

Das Underwood´sche Schlafzimmer ist nicht nur die Brutstätte für die miesen Machenschaften des Polit-Paars, sondern auch der Protz-Prototyp für etwas "All-American", für etwas, was nur in den USA existiert beziehungsweise dort seinen Ursprung hat. Der "Master Bedroom" ist das wichtigste, größte, luxuriöseste Schlafzimmer im amerikanischen Heim. Es ist dem Hausherren oder der Hausherrin oder beiden vorbehalten, vulgo: den Eltern. Die repräsentative Schlafstatt liegt in der ruhigsten Ecke, sie hat den schönsten Ausblick und umfasst idealerweise das eigene Umkleidezimmer, zumindest einen begehbaren Kleiderschrank sowie das eigene Bad - denn wer will sich schon zusammen mit niederen Familienmitgliedern oder gar Gästen die Zähne putzen? Ein Master Bedroom suggeriert Weite, Luxus, Herrschaftlichkeit, sprich: hohe Rendite, und deswegen darf in den USA kein Makler auf diesen verheißungsvollen Begriff verzichten. Bei amerikanischen Immobilien kommt es auf die schiere Zahl der "Bedrooms" an, egal, ob die tatsächlich zum Schlafen genutzt werden; ein Wohnzimmer wird als selbstverständlich vorausgesetzt, Küche und Bad finden nur Erwähnung, wenn mehrere vorhanden sind. Der Markt ist daher auf ein Verkaufsargument angewiesen, auf ein Schlagwort, auf einen Master Bedroom eben.

Rassistisch? Sexistisch? Tatsächlich ist unklar, wo der Begriff seinen Ursprung hat

Doch nun soll ausgerechnet dieser Schlüsselbegriff aus dem Immobilien-Sprachschatz verschwinden. Das Real Estate Board of New York hat gerade angekündigt, das Wort aus seinen Grundrissen und Hausbeschreibungen zu tilgen wegen seines möglichen "rassistischen und sexistischen Untertons". Andere US-Städte, etwa Houston, sind bereits vorausgegangen, aber mit New York setzt natürlich ein Marktgigant ein Zeichen. Als Grund werden die landesweiten "Black Lives Matter"-Proteste genannt, aber auch die Nachwehen von #MeToo. Die New York Times (NYT) zitiert Tanna Young, eine schwarze Maklerin in Houston, wonach das Wort "Master" Bilder vom Plantagenleben vor dem Bürgerkrieg (1861-1865) hervorrufen könne. An seine Stelle soll nun der "Primary Bedroom" treten, also das "Hauptschlafzimmer".

Doch es ist unklar, wie der Master Bedroom zu seinem Namen kam. "Master" hat viele Bedeutungen: Magister, Meister, Könner, Kapitän, Original, Vorlage. Aber auch die Sklaven im amerikanischen Süden mussten so ihre "Herren" anreden. Je nach Situation und Bezug kann man sich also einen Mann oder eine Frau mit viereckigem Akademiker-Hut vorstellen ("Master" ist geschlechtsneutral, im Gegensatz zu anderen Titeln gibt es keine weibliche Form, keine "Mastress"), einen genialen Künstler, eine Gussform oder eben einen brutalen Plantagenbesitzer mit Peitsche. Laut NYT tauchte der Master Bedroom erstmals 1926 in einem Katalog des Versandhauses Sears, Roebuck and Co. auf. Er diente darin als eine Art Bauanleitung und Orientierung auf dem Grundriss, es liegt also nahe, dass mit Master ursprünglich die harmlose Bedeutung "Vorlage", "Muster" gemeint war. Schon früher hatte man nach möglichen etymologischen Fallstricken des Worts gesucht, sodann aber freie Fahrt gewährt. 1995 verlautbarte das "U.S. Department of Housing and Urban Development", also quasi die Bundesbaubehörde, dass Master Bedroom als Begriff weder diskriminiere noch gegen geltende Vorschriften für "faires Wohnen" verstoße und dass keine Belege für einen historischen Zusammenhang mit der Sklaverei existierten.

Doch inzwischen, in der aufgeheizten Stimmung, die die USA erfasst hat, haben Rationalität und Besonnenheit keine Chance. In Zeiten von Hypersensibilitäten und Opfer-Identitäten gilt es, pro-aktiv zu handeln. Da hilft auch der Einwand von Kritikern nicht, dass Wortbereinigungen meist Augenwischerei bleiben und nichts an grundlegenden sozialen Problemen ändern: der Diskriminierung von Minderheiten auf dem Immobilienmarkt und bei der Wohnungsvergabe oder der hohen Anzahl an obdachlosen Schwarzen in den USA. Die Abschaffung eines "Sklaven-Master" wird Afroamerikaner also nicht weiterbringen, und so war denn auch die Entrüstung in den sozialen Medien erwartbar: Dort ist die Rede von einer "lächerlichen Cancel Culture" angesichts von wirklichen Sorgen wie Covid-19, dem Leben unter Donald Trump oder den gewalttätigen Straßenprotesten. "RE" aus New York zum Beispiel schlägt vor, künftig gesetzlich vorzuschreiben, alle Zimmer gleich groß zu bauen, damit niemandes Gefühle verletzt würden.

Auch Frank und Claire Underwood würden ob der Wortkosmetik wohl mit den Schultern zucken. Denn egal, ob sie ihre Heimtücke in einem "Master" oder einem "Primary Bedroom" planen - sie setzen sie in der Regel eh erst am nächsten Morgen um: bei Peanutbuttertoast, Kaffee und Orangensaft, und nicht im Bett, sondern an der Kochinsel ihrer Hochglanzküche.

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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