Großübung:Rettung vom schwimmenden Hausdach

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Übung im Lußsee: Auf einem schwimmenden Hausdach warten vier Menschen auf ihre "Retter". (Foto: Stephan Rumpf)

130 Mitglieder von Bergwacht und Wasserwacht trainieren am Lußsee den Einsatz bei Hochwasserkatastrophen. In München ist die Gefahr solcher Überflutungen zwar gering, aber gebraucht werden die Helfer auch anderswo.

Von Sophia Coper

Der Strand ist voll, aber zum Schwimmen ist an diesem Samstag keiner vorbeigekommen. Statt Menschen in Badehose bewegen sich Einsatzkräfte in voller Montur entlang der Langwieder Seenkette im Münchner Westen, Kommandos und Sirenen dröhnen durch die Luft. Gerade eben gab es eine Übung auf dem Campingplatz, nun sind alle Augen auf die Mitte des Lußsees gerichtet. Mehrere Personen sitzen dort auf einem Hausdach. "Hilfe", tönt es über das Wasser.

Grund zur Sorge gibt es jedoch nicht. Im Rahmen einer zweitägigen Großübung des Bayerischen Roten Kreuzes haben sich die Kreiswasserwacht und die Bergwacht München im Nordwesten der Stadt versammelt. Am Ufer lassen sie bereits gemeinsam die ersten Schlauchboote zu Wasser. Ziel des Trainings an diesem Wochenende ist es, die rund 130 Einsatzkräfte mit verschiedenen Hochwasserszenarien zu konfrontieren - um für den Ernstfall gewappnet zu sein.

Mit Schlauchbooten werden die Hochwasser-Opfer in Sicherheit gebracht. (Foto: Stephan Rumpf)
(Foto: Stephan Rumpf)

Alle Situationen, die geübt wurden, seien in der Vergangenheit genauso aufgetreten, erklärt Johann Penn, der als stellvertretender technischer Leiter der Kreiswasserwacht München maßgeblich für die Planung der Großübung verantwortlich ist. Überflutungen wie 2013 in Deggendorf oder 2021 im rheinland-pfälzischen Ahrtal sind laut Experten längst keine einmaligen Jahrhundertereignisse mehr. Auch die jüngsten Ereignisse in Baden-Württemberg, wo nach einem heftigen Unwetter mehrere Personen aus Häusern und Fahrzeugen gerettet werden mussten, unterstrichen die Dringlichkeit so einer Übung, sagt Penn.

"In München ist die Gefahr von Überflutungen tatsächlich aber eher gering", räumt er ein. Der Sylvensteinspeicher — ein Stausee im Isarwinkel, der in den 1950er-Jahren eigens zum Hochwasserschutz gebaut wurde — sei ein riesiger Vorteil, die Isar zudem gut in die Natur eingebettet. Auch der Eisbach werde sehr wahrscheinlich niemals überlaufen. Gefahr drohe eher von oben. "Denkbar sind Sturzfluten aufgrund von Starkregen", erklärt der Hochwasserexperte, geografisch verorten könne man diese vorab jedoch nicht.

"Gewitterzellen entstehen sehr lokal. Zwischen strahlendem Sonnenschein und intensivem Niederschlag liegen manchmal nur wenige Kilometer", erklärt Penn. Sturzfluten seien kurzfristige Ereignisse, auf die man sich schlecht vorbereiten könne. "Die urbane Infrastruktur ist mit solchen Wassermassen überfordert, aber deshalb nicht zwangsläufig mangelhaft", sagt er. Obwohl es unmöglich sei, die Kanalisation aufzurüsten, habe die Stadt dennoch vorgesorgt. "Wir sind in die Starkregenkonzepte mit unserem Wissen eingebunden", sagt Penn. So solle der Münchner Pegel, der im 15-Minuten Takt den Wasserstand der Isar misst, in Zukunft auch die Fließgeschwindigkeit berücksichtigen.

Am Lußsee haben die ersten Schlauchboote mittlerweile ihr Ziel erreicht. "Leider hat der Helikopter kurzfristig einen realen Einsatz bekommen", bedauert einer der Beobachter. Klappen tut die Rettung aber auch ohne dessen Hilfe. Nach und nach werden die Menschen von dem sanft auf dem Wasser schaukelnden Hausdach in Sicherheit gebracht.

Sowohl Retter als auch Gerettete gehören zu den Einsatzkräften der Kreiswasserwacht und der Bergwacht München. Wieder an Land, ziehen sie eine positive Bilanz. "Es lief sehr ruhig und konzentriert ab", heißt es übereinstimmend. Selbst diejenigen, die als Hilfe suchende Teilnehmer eingeteilt waren, sind von einem Mehrwert der Übung überzeugt. "Jetzt habe ich ein Gefühl dafür, wie gruselig es für Laien sein muss, in ein wackeliges Boot einzusteigen. Dieser Perspektivwechsel war neu und wichtig für mich", sagt eine Teilnehmerin.

Auch wenn in München wahrscheinlich nie Hausdächer mit dem Schlauchboot angesteuert werden müssen, ist das Wissen für die Einsatzkräfte wichtig. "Die geringe Gefahr in der Stadt bedeutet, dass wir überregional helfen können", sagt Experte Penn von der Kreiswasserwacht. Eine reibungslose Zusammenarbeit sei zudem elementar in allen Katastrophensituationen. "Normalerweise üben nur drei oder vier Einheiten zusammen. An diesem Wochenende sind es 15", berichtet er. Darüber hinaus schaffe so eine groß angelegte Übung das Bewusstsein, mit welchen Problemen in der Zukunft häufiger zu rechnen sei.

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