Rocker-Prozess:Aussage unter Polizeischutz

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Khaled B. soll zwei Brüder mit Messerstichen schwer verletzt haben

Von Susi Wimmer

Polizeiautos säumen die Zufahrtsstraßen, eine Spezialeinheit ist auf das Gerichtsgebäude verteilt, und wer in den Sitzungssaal gelangen will, muss Gepäck- sowie Körperkontrollen über sich ergehen lassen und den Ausweis zur Personenfeststellung abgeben: Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ist am Montag am Landgericht München I der sogenannte Rocker-Prozess gegen Khaled B. fortgesetzt worden. Der 39-Jährige, der wegen zweifachen versuchten Mordes angeklagt ist, soll den Hells Angels nahestehen. Da eines der beiden Opfer mit der Black-Jackets-Gruppierung sympathisieren soll, war das Risiko von Krawallen groß.

Bereits zum Prozessauftakt am 12. November kam es beinahe zu einer Schlägerei auf dem Gerichtsflur. Gut 40 Hells Angels hatten sich im Saal, auf dem Gang und vor dem Gebäude postiert, offenbar darauf wartend, dass die Opfer, die Brüder Milan und Erik S. ( Name geändert) zu ihrer Aussage erscheinen. "Wir haben uns bedroht gefühlt", sagte Milan S. nun vor Gericht. "Und Sie sollen in der Cafeteria via Handy getrommelt haben, dass noch Unterstützer kommen", hält ihm der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann vor. Wohl aufgrund dessen wurde die für November geplante Aussage der beiden Brüder verschoben.

Nun säumen Beamte des Unterstützungskommandos (USK) den Weg zu Saal B 275. Wieder sind gut drei Dutzend Hells Angels aufgelaufen, Männer mit tätowierten Schädeln und teils in Jogginghosen, die merklich Probleme haben, im Gerichtssaal still zu sitzen. Nun aber haben sie kaum Chancen, im Pulk zu agieren. Jeder wird einzeln kontrolliert, vor dem Gerichtssaal dürfen sie sich nicht aufhalten. Dort sitzen die Brüder Milan und Erik S., zum Schutz umstellt von USK-Beamten. Nur einmal versuchen ein paar Hells Angels, sich vor den Gegnern aufzubauen, aber da lässt das USK nur die Schlagstöcke klackend ausfahren, schon ist wieder Ruhe.

Warum die Brüder, ihre Freunde und die Hells Angels so verfeindet sind, das wird auch an diesem Verhandlungstag nicht klar. Im Vorfeld soll es mal in Pasing eine Auseinandersetzung gegeben haben, als Erik S. im Knast saß, und sich "der Nachbar die Frau nahm", so erzählt es ein Freund der Brüder. Daraufhin soll sein Bruder Milan auf Murat, den Chef der Hells Angels losgegangen sein. Man habe das aber klären können. Im weiteren Verlauf habe es noch weitere Auseinandersetzungen gegeben, erzählt Milan S. vor Gericht. "Dann kamen Morddrohungen." Warum, das sagt er nicht. Er bestreitet auch, den Black Jackets anzugehören. "Herr Vorsitzender", sagt er, "ich mache Fitness, Bodenkampftraining, Boxen, da lernt man Menschen kennen, die zu einer Gruppe gehören."

Jedenfalls soll die Luft gebrannt haben, als die Brüder mit Freunden in einer Mainacht 2015 zur Tanzveranstaltung "Istanbul Nights" im Crowns Club an der Rosenheimer Straße auftauchten. Gläser flogen, auch das Mobiliar, und die Brüder und ihre Freunde versuchten zu fliehen. "20 bis 30 Leute gehen auf zwei bis drei Jungs los, was soll das", schimpfte einer vor Gericht.

"Das Messer hatte er versteckt", erzählt Milan S. Er sei draußen auf der Treppe gestanden, bereit zum Kampf, als ihm Khaled B. das Messer in die Seite gerammt haben soll. "Der Darm ist ausgetreten, ich hab' ihn wieder reingedrückt", sagt er. Ein Freund drückte auf die Wunde, sie kamen zu einem Taxi, der Fahrer wollte sie zunächst nicht in eine Klinik bringen. Im Krankenhaus wurde er dann operiert, erlitt Narbenbrüche und innere Blutungen. "Es ist seitdem keine Nacht vergangen, in der ich nicht Schmerzen hatte." Anschließend soll Khaled B. auch seinen Bruder Erik mit einem Stich in den Bauch lebensgefährlich verletzt haben. Ein Urteil soll Mitte Dezember fallen.

© SZ vom 03.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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