Haidhausen:Die Zeichen stehen auf Abriss

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Achtung, Baustelle: Bald rücken die Bagger an, um das lange weitgehend leer stehende hellgelbe Gebäude am Johannisplatz 16 abzureißen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Viertel verfallen Wohnhäuser in prominenter Lage, während der Wert der Grundstücke stetig steigt. Am Johannisplatz wird jetzt nach Jahren neu gebaut, an Kirchen- und Kellerstraße dauert der Leerstand weiterhin an.

Von Patrik Stäbler, Haidhausen

Leerstehende Wohnhäuser erwecken Argwohn in einer Stadt mit stetig steigenden Mietpreisen - nachgerade in einem so beliebten Viertel wie Haidhausen. Dort hat der Bezirksausschuss (BA) Au-Haidhausen zuletzt mehrfach über Immobilien in prominenter Lage debattiert, die seit Jahren verwaist sind. Während sich daran an der Keller- und Kirchenstraße so schnell wohl nichts ändert, rollen am Johannisplatz 16 bald die Bagger an. Laut der neuen Eigentümerin des Anwesens neben dem "Johannis Café", der Legat Living GmbH, wird der jahrelang weitgehend leer stehende Bau abgerissen und durch ein siebenstöckiges Gebäude ersetzt. Die geplanten Wohnungen, vorwiegend zur Miete, dürften freilich keine Schnäppchen werden. Schließlich steht die Firma, die das Haus im Herbst erworben hat, für "herausragende Wohnimmobilien" in Bestlage, wie sie im Internet wirbt.

Der frühere Besitzer hatte bereits 2015 eine Genehmigung für einen Neubau erhalten, teilt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung auf BA-Anfrage mit. Eigentlich hätten die Arbeiten bis März 2019 beginnen sollen. "Offensichtlich hat sich dieser Zeitplan verzögert, weil noch verbliebene Mieter*innen in dem Anwesen waren", schreibt die Behörde. Inzwischen sei die letzte Mietpartei ausgezogen, weshalb dem Abriss nichts mehr im Wege steht. Legat Living zufolge soll es im Mai losgehen; die Fertigstellung des Neubaus samt Tiefgarage ist für Ende 2023 anvisiert. Im BA war vor drei Jahren vermutet worden, dass der Vorbesitzer das Haus aus "Spekulationsgründen" leer stehen ließ. Dem Sozialreferat zufolge handelte es sich jedoch "aus zweckentfremdungsrechtlicher Sicht um einen berechtigten Leerstand".

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Auf Abriss und Neubau stehen die Zeichen auch beim Wohnhaus an der Kellerstraße 3 hinterm Gasteig, das ebenfalls seit Langem leer steht - und einen genauso heruntergekommenen Eindruck macht wie das Haus am Johannisplatz. Gutachten hätten "erhebliche bautechnische Mängel" an dem Gebäude gezeigt, teilt das Sozialreferat mit. Es sei somit nicht mehr "Wohnraum im Sinne der zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften. Ein Abbruch ist daher ohne weitere Auflagen möglich". In der Folge könnten dort hochpreisige Wohnungen entstehen, fürchtet BA-Mitglied und Stadträtin Brigitte Wolf (Linke). "Wenn einmal festgestellt wurde, dass es kein Wohnraum mehr ist, dann kann der Eigentümer machen, was er will." Dies beschleunige den "Aufwertungsprozess" in Haidhausen - obschon die jüngst erneuerte Erhaltungssatzung genau das verhindern solle. Brigitte Wolf zufolge lassen Eigentümer ihre Wohnhäuser mitunter bewusst leer stehen und verfallen, in der Hoffnung, dass letztlich ein Neubau zulässig wird - inklusive satter Wertsteigerung.

Wann das Haus an der Kellerstraße 3 abgerissen wird, ist ungewiss. Laut Stadtplanungsreferat liegt weder ein Vorbescheid noch ein Bauantrag für das Anwesen vor. Es habe aber mehrere Bauberatungen gegeben - "anfangs für eine Sanierung des Gebäudes, ab 2018 für den Neubau". Die vom BA angeregten Verhandlungen über eine Zwischennutzung oder einen Ankauf des Hauses weist das Sozialreferat zurück. Ersteres sei wegen der Baumängel nicht möglich. Ein Erwerb komme nicht infrage, da das Anwesen nicht zum Verkauf stehe.

Von außen weniger vernachlässigt wirkt das Wohnhaus an der Kirchenstraße 14, das jedoch ebenso seit Jahren leer steht. Hier genehmigte die Stadt 2011 einen Umbau samt Sanierung - allein es tat sich nichts. Mittlerweile ist diese Genehmigung abgelaufen. Im April 2018 teilte das Sozialreferat dem BA mit, dass eine Sanierung wegen der schlechten Bausubstanz "wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint". Daher sei ein Abriss samt Neubau geplant. Ein Rechtsstreit über die Eigentumsverhältnisse im hinteren Teil des Grundstücks verzögerte die Maßnahme. Dieser sei inzwischen beigelegt, hat das Sozialreferat dem BA im September mitgeteilt. Und: Die weitere Planung werde nun zügig vorangetrieben und ein Bauantrag eingereicht. Dies ist aber bis heute nicht geschehen. Laut Stadtplanungsreferat steht erst noch ein Ortstermin mit Vertretern von Lokalbaukommission und Landesamt für Denkmalpflege an, der sich wegen der Coronakrise jedoch verzögere. Zwar sei das Gebäude selbst nicht denkmalgeschützt, wohl aber das Ensemble Haidhausen, zu dem es gehöre, sagt ein Sprecher des Planungsreferats. Nun müsse geprüft werden, "ob die Fassade erhaltenswert ist".

Derweil hat der BA auf Initiative der Linken im Oktober gefordert, dass die Stadt Maßnahmen ergreift, damit an der Kirchenstraße 14 "Wohnraum zu sozial tragbaren Mietpreisen" entsteht. Das Sozialreferat antwortet hierauf: "Eine Begrenzung der Miethöhe über Vorschriften der Erhaltungssatzung ist nicht möglich." Sollte es zum Abriss und Neubau kommen, werde ein zweckentfremdungsrechtliches Verfahren eröffnet. Demnach müsse Mietwohnraum durch ebensolchen ersetzt werden, die Miethöhe sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren. "Ich kann Ihnen versichern", schreibt die Sozialreferentin dem BA, "dass das Sozialreferat/Amt für Wohnen und Migration alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpft."

© SZ vom 16.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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