Angriffe auf Infrastruktur:Brandanschlag unweit des Landtags: Polizei ermittelt in 29 ähnlichen Fällen

Lesezeit: 3 Min.

Der Einsatz der Feuerwehr dauerte mehr als zweieinhalb Stunden. (Foto: Berufsfeuerwehr München)

Nach dem Feuer auf einer Baustelle zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke werten die Ermittler Videoaufnahmen aus. Wer steckt hinter den Attacken auf Baumaschinen, Brücken und E-Autos?

Von Stephan Handel

Nur wenige Hundert Meter vom Bayerischen Landtag entfernt sind in der Nacht zum Donnerstag auf einer Baustelle vier Fahrzeuge in Brand geraten und vollständig ausgebrannt. Die Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus - und von einem Zusammenhang mit einer Serie ähnlicher Anschläge, bei denen seit mehr als einem Jahr immer wieder Infrastruktur-Einrichtungen in München und Umgebung zerstört werden.

Der Notruf ging am Donnerstag gegen 3.40 Uhr ein: Mehrere Anwohner meldeten einen Brand in der Grünanlage südlich des Maximilianeums am sogenannten Meillerweg. Als die Feuerwehr eintraf, standen vier Baustellenfahrzeuge bereits in Vollbrand: ein Bagger, zwei Radlader und ein Unimog. Zwar gelang es schnell, das Feuer zu löschen, die Fahrzeuge wurden jedoch komplett zerstört. Die Polizei schätzt den Schaden auf einen hohen sechsstelligen Betrag. Zeugenaussagen, es habe auch Explosionen gegeben, bestätigte die Polizei nicht: Sie geht davon aus, dass Knallgeräusche entstanden sein könnten, als die Reifen der Fahrzeuge aufgrund der Hitze platzten.

Auf der Baustelle wird wegen der zweiten S-Bahn-Stammstrecke gebaut: Dort soll ein Rettungsschacht aus dem Bahntunnel entstehen, wofür zunächst aber eine Fernwärmeleitung versetzt werden muss. Mit dem Bau beauftragt ist ein Unternehmen aus Tirol in Österreich.

Am Donnerstag hat neben den Brandfahndern auch die Ermittlungsgruppe "Raute" des Polizeipräsidiums die Arbeit an dem Fall aufgenommen. Die Ermittlungsgruppe wurde im vergangenen Jahr gegründet, als sich der Verdacht erhärtete, dass eine Reihe von Brandanschlägen miteinander in Zusammenhang stehen könnten. Auch das Polizeipräsidium Oberbayern-Süd in Rosenheim hat eine Ermittlungsgruppe gegründet, weil sich einige der Anschläge in seinem Zuständigkeitsbereich ereigneten. "Geo", so der Name der Rosenheimer Gruppe, arbeitet eng mit "Raute" zusammen, auch Experten des Landeskriminalamts sind dabei.

Im Oktober des vergangenen Jahres schaltete sich zudem die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) ein, die bei der Generalstaatsanwaltschaft in München angesiedelt ist. Bei den Anschlägen, die im Visier der Ermittler stehen, sei davon auszugehen, dass es einen extremistischen, politisch motivierten Hintergrund gebe. Das ist bis jetzt eine reine Vermutung - es gab nie ein Bekennerschreiben oder eine Gruppe, die für die Brandstiftungen öffentlich die Verantwortung übernommen hat. Ein einziges Mal fand die Polizei in der Nähe eines Tatorts etwas, das womöglich in Zusammenhang mit den Anschlägen stehen könnte: Am 19. Mai 2023 brannten in Sendling zwei Elektroautos der Stadtwerke, die an einer Ladesäule parkten. In der Nähe stand auf einer Mauer der Schriftzug "No HKW", die Abkürzung steht wohl für Heizkraftwerk.

Die Polizei schätzt den Schaden auf einen hohen sechsstelligen Betrag. (Foto: Alessandra Schellnegger)
Die mutmaßliche Brandstiftung ereignete sich auf einer Baustelle für die zweite S-Bahn-Stammstrecke. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bis zum November des vergangenen Jahres nahmen die "Raute"-Ermittler 17 Fälle in ihre Liste auf - der Gesamtschaden lag damals schon im Millionenbereich. Die Zahl der Fälle ist seitdem stetig gestiegen und liegt nun bei 29. So brannte am 11. Dezember 2023 an der Ludwigsbrücke ein Kabelschacht. Am selben Tag wurde im Forst Kasten eine Arbeitsmaschine durch Brandlegung zerstört. Nur wenige Tage später, am 15. Dezember, brannten in Pullach zwei Forstmaschinen aus, ebenso am 18. Dezember in Brunnthal. Am 25. Dezember schließlich fiel in Mittersendling eine Baumaschine den Flammen zum Opfer.

Zudem gibt es mindestens drei Fälle, bei denen noch unklar ist, ob sie in das Schema der anderen Anschläge passen: Am 28. November 2023 brannte es in einer Lagerhalle in Obersendling. Ein Sicherheits-Mitarbeiter hatte das Feuer entdeckt; die Feuerwehr stellte fest, dass es in einem Stapel Paletten und in einem Doppeldeckerbus entstanden war, der in der Halle abgestellt war. Vergangene Woche erst musste die Feuerwehr in Moosach einen BMW löschen, der am Straßenrand geparkt war und offenbar vorsätzlich in Brand gesteckt wurde. Am 2. April brannte es wiederum in einer Lagerhalle in Hohenbrunn; auch hier geht die Polizei von Brandstiftung aus.

Die Baustelle am Maximilianeum, an der es am Donnerstag brannte, wurde nicht videoüberwacht - überhaupt scheinen die Täter, wenn es denn immer dieselben sind, sehr darauf zu achten, außer dem Brandschaden keine Spuren zu hinterlassen: An keinem Tatort gab es bislang Kameras oder andere Alarmierungssysteme. Allerdings werden rund um den Landtag 24 Stunden am Tag Bilder von zahlreichen Kameras aufgezeichnet. Die sollen jetzt ausgewertet werden, in der Hoffnung, dass der oder die Täter aus Unwissenheit oder mangelnder Vorsicht doch einmal durchs Bild gelaufen sind.

Eins ist allen Anschlägen bislang gemeinsam: Es scheint den Tätern sehr daran gelegen, möglichst keine Menschenleben zu gefährden. So gab es auch noch keine Verletzten. Allerdings ist es, wie bei der Tat am Donnerstag, nie auszuschließen, dass Menschen in Gefahr geraten. Mitten in der Stadt in einer Grünanlage voller Bäume ein Feuer zu entzünden, das ist in letzter Konsequenz für niemanden kontrollierbar.

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