Forderung nach Abberufung:"Irritierend bis verstörend"

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Von Bürgermeisterin Verena Dietl fehlt bisher jedes klare Wort zu den Vorwürfen gegen Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Kritik aus dem Stadtrat am Chef der Wohnungsgesellschaft Gewofag wegen eines umstrittenen Gutachtens wächst. Am Dienstag muss sich der Aufsichtsrat mit den Vorwürfen gegen das Unternehmen und seinen Vorstandsvorsitzenden auseinandersetzen.

Von Anna Hoben und Sebastian Krass

Der Vereinigung Münchener Wohnungsunternehmen (VMW) gehören neben Genossenschaften auch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften wie die städtische Gewofag und die GWG an. Am Montagnachmittag trafen sich Vertreter der Unternehmen zur Mitgliederversammlung im Kleinen Sitzungssaal im Rathaus. Ein Routinetermin, eigentlich. Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) und Stadtbaurätin Elisabeth Merk sprachen Grußworte. Und sie trafen bei der Veranstaltung auf Gewofag-Chef Klaus-Michael Dengler. Er ist Vorstandsvorsitzender der VMW.

Ein paar Räume weiter tagten zur gleichen Zeit die Mitglieder der Stadtratsfraktionen. Wie jeden Montag besprachen sie die politischen Themen der Woche. Auf den Agenden stand diesmal auch die Affäre um die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag und deren Chef Klaus-Michael Dengler. Dieser hatte in einem forensisch-linguistischen Gutachten nicht nur Texte von Gewofag-Beschäftigten untersuchen lassen, sondern auch von zwei Stadtrats-Mitgliedern der CSU. Die Prüfung zielte darauf ab, herauszufinden, von wem die anonymen Briefe stammen könnten, in denen gegenüber dem städtischen Revisionsamt massive Vorwürfen gegen Dengler erhoben worden waren.

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Am Sonntag hatte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl, einer der zwei Überprüften, empört reagiert und die sofortige Abberufung Denglers gefordert. Am Montag positionierten sich auch die Grünen, die größte Fraktion im Stadtrat: "Die Tatsache, dass mit einem forensischen Gutachten Mitglieder des Aufsichtsrats und des Stadtrats überprüft wurden, ist irritierend bis verstörend", sagte Fraktionschef Dominik Krause. Zur Frage, ob Dengler als Gewofag-Chef weiter tragbar sei, erklärte er: "Das muss der Aufsichtsrat und in erster Linie die Aufsichtsratsvorsitzende klären. Bei ihr liegt die Handlungsverantwortung."

Gemeint ist damit Bürgermeisterin Dietl. Ihr schieben die Grünen die Aufgabe zu, die verfahrene Lage bei der Gewofag zu lösen. Dietl selbst äußert sich öffentlich nur sehr zurückhaltend zur Personalie Dengler: "Wir behandeln das Thema in der nächsten Aufsichtsratssitzung und werden danach über das weitere Vorgehen entscheiden." Ein Bekenntnis zu dem Mann, der im Rathaus bisher als Architekt und Schlüsselfigur der geplanten Fusion von Gewofag und GWG zur "Münchner Wohnen" galt, vermeidet Dietl aber.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will sich weiterhin nicht äußern, bevor der Bericht des Revisionsamts vorliegt. Der Aufsichtsrat kommt turnusgemäß an diesem Dienstagvormittag zusammen. Aus der Politik sind dort je zwei Entsandte von Grünen, SPD und CSU dabei, zudem Kämmerer Christoph Frey (SPD), Stadtbaurätin Elisabeth Merk und vier Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer.

Dem Betriebsratsvorsitzenden wurde inzwischen fristlos gekündigt

CSU-Stadtrat Pretzl legte am Montag noch einmal nach. Er verlangte, dass Reiter und Dietl alle Vorgänge rund um das Gutachten offenlegen. "Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass die Stadt diesen völlig außer Kontrolle geratenen Ego-Trip des Herrn Dr. Dengler duldet", sagte Pretzl. Seine Fraktion werde deshalb auch eine Stadtratsanfrage stellen. "Unabhängig davon werde ich die Aufnahme meiner Person in das Gutachten rechtlich prüfen lassen", kündigte Pretzl an.

Ob die CSU im Aufsichtsrat versucht, eine Abberufung Denglers zu erwirken, blieb am Montag offen. Sie könnte dafür zwar möglicherweise mit den vier Arbeitnehmerstimmen rechnen, hätte aber keine Mehrheit, da die Vorsitzende Dietl bei einem Patt entscheiden kann. Dass SPD und Grüne Dengler fallen lassen, schien zumindest am Montag noch unwahrscheinlich.

Dafür wurde eine weitere Facette aus dem Gewofag-internen Machtkampf bekannt: Der Betriebsratsvorsitzende Harald Wulf erklärte, die Gewofag habe ihm fristlos gekündigt. Das Gutachten hatte nämlich ergeben, dass er "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" Autor der anonymen Schreiben gegen Dengler sei, was Wulf aber bestreitet. Er gibt sich zudem kampfbereit: "Der Betriebsrat hat die Kündigung zurückgewiesen, nun geht die Sache zum Arbeitsgericht." Die Auseinandersetzung dort könne Jahre dauern. Zurückzuziehen komme für ihn nicht in Frage, so Wulf.

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