Geschichte:Phoenix aus den Trümmern

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Treffer: der Römersaal 1945. Zu erkennen sind noch die Stuckaturen an den heute kahlen Wänden. (Foto: Staatl. Antikensammlungen/Glyptothek, Archiv (Inv. Nr. 5926))

Zeitleiste mit Bruch: 1945 lag die Glyptothek in Schutt und Asche. Genau wie das Bild Münchens als eine von klassizistischen Idealen durchdrungene Stadt

Von Susanne Hermanski

"Ich will aus München eine Stadt machen, die Teutschland so zur Ehre gereichen soll, dass keiner Teutschland kennt, wenn er nicht München gesehen hat." Der Gestaltungswille Ludwigs I. war von einer ähnlichen Vehemenz wie sein Lieben, und das eine ließ sich wohl vom anderen nicht trennen. "Ruhe kann mein Wesen nicht ertragen, feurig muss das Leben mir schäumen, ... sehnen will ich und schwärmen und träumen." Eher weniger der duldsame Lockdown-Typ. Was er dazu sagen würde, dass seine Glyptothek in neuer Pracht dasteht, aber kein Besucher den Fuß in sie setzen darf, wissen die Götter, die er unter ihrem Dach so zahlreich versammelt hat. Vorstellen darf man es sich aber.

In Auftrag gegeben hat er den Bau bei Leo von Klenze, da war er noch Kronprinz. Zwischen 1816 und 1830 errichtete der Hofbaumeister die Glyptothek als klassizistisches Gesamtkunstwerk - äußerlich in Anlehnung an griechische Tempelfronten, im Inneren erinnerte sie mit ihren gewölbten Decken an römische Thermen. Die optimale Präsentation der Originale stand nicht im Vordergrund. Auch wenn Ludwig (1825 bis zu seiner Abdankung 1848 dann König) für sein Museum nur qualitativ hochwertige Antiken zusammentragen ließ. Sein römischer Kunstagent Johann Martin von Wagner hatte zwischen 1810 und 1820 einen Bestand an erstrangigen Skulpturen für ihn erworben. Er half die Sammlung danach immer weiter zu veredeln. Zahlreiche Porträts antiker Denker und Herrscher von Homer bis Platon, von Alexander dem Großen bis zu Augustus waren darunter.

Mehr als 100 Jahre standen sie dort in voller Pracht, bis einer kam, der für München und Deutschland seine eigenen Pläne hatte. Hitler siedelte zuerst seine Parteizentrale in unmittelbarer Nähe an. Später machten die Nationalsozialisten den gesamten Königsplatz zu ihrer erweiterten Parteizentrale. Ließen Ludwigs Arkadien für Aufmärsche pflastern, am Fuße der Glyptothek Bücher verbrennen und pflanzten schräg gegenüber zwei "Ehrentempel" für die Gefallenen des Hitlerputsches. Eine fatale Nachbarschaft.

Im Sommer 1944 wurde die Glyptothek bei Bombenangriffen der Alliierten schwer getroffen. Die Skulpturen und Bildwerke waren zuvor in Klöster in Sicherheit gebracht worden. Doch was am Bau nicht unmittelbar zertrümmert war, litt in den folgenden Jahren schwere Schäden. Das Haus wurde ohne Notdach stehen gelassen. Die prachtvolle, farbige Stuckausstattung der Säle war dem Verfall ausgeliefert.

Was Regen, Frost und Stürme nicht erledigt hatten, war dennoch nicht sicher. Denn als man sich in den 1960er-Jahren an den Wiederaufbau machte, griff man auf ein Konzept zurück, das nicht von Klenze und Ludwig stammte. Martin von Wagner hatte es zur Erbauungszeit vorgelegt: Der Kunsthändler hatte für eine bessere Präsentation seiner ehemaligen Ware, die Skulpturen plädiert. Sandfarbene Wände, einfarbige Fußböden, große Fenster. Die Figuren weg von den Wänden, in die Mitte der Räume gerückt.

Als im Olympiajahr 1972 die Glyptothek wiedereröffnete, bot sich der Welt ein entsprechendes Bild. Farben und Stuck, die 1945 überlebt hatten, abgeschlagen. Nun gab es Fenster und Licht, wo einst Mauern waren und sichtbare, hell geschlämmte Ziegel, statt Dekor

© SZ vom 30.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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