Fertigstellung:Zurück zur Klassik

Fertigstellung: Ein Blick in die Vergangenheit kann auch in die Zukunft gerichtet sein. "Der Königsplatz soll allen zu Gute kommen. Aber die vielen kommerziellen Veranstaltungen, die seine Bauten wie die Glyptothek zur reinen Staffage machen, lehne ich ab", sagt Direktor Florian Knauß.

Ein Blick in die Vergangenheit kann auch in die Zukunft gerichtet sein. "Der Königsplatz soll allen zu Gute kommen. Aber die vielen kommerziellen Veranstaltungen, die seine Bauten wie die Glyptothek zur reinen Staffage machen, lehne ich ab", sagt Direktor Florian Knauß.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Glyptothek ist saniert und bereit, wieder Besucher zu empfangen. Die warten so sehnsüchtig wie neugierig. Auch auf das Museumscafé

Von Susanne Hermanski

Die Glyptothek ist bereit, wieder Besucher zu empfangen. "Sobald die Politik es uns erlaubt", sagt Florian Knauß. Ein Mann mit klassischem Profil und der klaren Worte. Seit 2011 ist er Direktor des ältesten öffentlichen Museums von München. Und des schönsten, wie manche meinen. Bis sie sich allerdings mit den anderen darüber streiten können, ob das nach zwei Jahren der Sanierung immer noch der Fall ist, oder ob die Architekten zu viel, zu wenig, das Falsche verändert haben, wird noch Zeit vergehen. Knauß bedauert das.

Er leitet neben der Glyptothek auch Bayerns Staatliche Antikensammlungen mit zwei Dependancen in Aschaffenburg und Weiden. Knauß teilt die Position jener Museumsleiter, die sich in einem nicht-öffentlichen Schreiben vor wenigen Tagen an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters wandten, um für die Wiedereröffnung der Museen zu kämpfen. Trotz anhaltender Pandemie. "Wie die Verfasser dieses Memorandums, meine ich, dass die Sehnsucht nach Kultur bei vielen Menschen sehr groß ist. Sie schöpfen Lebenskraft und Freude aus Kunst", sagt Knauß. "Sie wieder zugänglich zu machen, würde vielen sehr helfen. Das sage ich nicht so dahin. Ich weiß das aus vielen Gesprächen mit Besuchern. Und Kirchen sind doch auch auf." Knauß, der Archäologe, erinnert an den Hygieniker Max von Pettenkofer. Der zitierte im Angesicht der massiven Bedrohung Münchens durch die Cholera - nur sechs Jahre nachdem Ludwig I. seine Glyptothek eröffnet hatte - Pompeius: "Navigare necesse est." Verkehr und Handel sind unverzichtbar. "Oder frei übersetzt, das Leben muss weitergehen in so einer Krise", glaubt Knauß. Seine Mitarbeiter und er hätten "die letzten Monate gut durchgestanden, weil wir Ziele hatten, die wir unbeirrt weiterverfolgt haben".

Unbeirrt heißt nicht, dass davor nicht kontrovers über jene Ziele diskutiert worden wäre. Nachdem klar war, aus Sicherheits- und Brandschutzgründen lassen sich bestimmte Arbeiten an dem Klenze-Bau keinesfalls mehr aufschieben, galt es eine schwierige Frage zu klären: "Wie viel Klenze und Ludwig sollte wieder sichtbar werden? Und wie sollte man trotzdem die Spuren der Zeit bewahren?" Denn das Haus hat in der Nachkriegszeit viele bauliche Veränderungen erfahren. Der Architekt Josef Wiedemann und die damals beteiligten Kunsthistoriker verfolgten beim Wiederaufbau in den Sechzigerjahren ein puristisches Konzept, entsprechend dem Zeitgeist. Weg vom Dekor, hin zu mehr Licht etwa. So wurden manche Teile, die durchaus erhalten waren, wie zusätzliche Giebelfiguren, schlicht nie wieder positioniert. Aber man vergrößerte die Fenster, weil die Glyptothek im Ursprung sehr viel kleinere halbrunde besaß, die nur spärlich Tageslicht durch die Oberzone der Innenhofmauern ließen. Dass die großen Nachkriegsfenster mit Materialfehlern behaftet und nach einiger Zeit heillos mit Schlieren durchzogen waren, war auch einer der Gründe für die jetzige Sanierung. "In den Ausstellungssälen werden die Besucher nun kaum Veränderungen wahrnehmen. Das ist beabsichtigt", sagt Knauß. "Doch die neuen Fenster lassen deutlich mehr Licht herein, was den Skulpturen wie den Räumen sehr gut tut."

Die hell geschlämmten Ziegelwände im Inneren wurden nur punktuell ausgebessert, wo es nötig war. Münchner und Kenner der Glyptothek aus aller Welt, werden wohl alles wiederfinden, was sie schätzten. Freilich auch das Museumscafé mit seiner verwunschen schönen Anbindung an den Innenhof. Dort wie an einigen anderen Stellen sind es Veränderungen auf den zweiten Blick und in der Infrastruktur, die den Unterschied ausmachen: Das Café wurde sanft modernisiert, vor allem im Hinblick auf seine Anbindung an die Küche im Untergeschoss. Dort gibt es jetzt zudem nicht nur sehr ästhetische Holzschließfächer, sondern auch menschenwürdige sanitäre Anlagen. Erstmals haben die Sicherheitsleute auch einen kleinen Aufenthaltsraum. Dafür hat der Direktor seit Gründung des Museums kein Büro mehr im Haus. Knauß ist jetzt in einem nahen Verwaltungsbau untergebracht. Das ohnedies sehr bescheidene Arbeitszimmer, das eher einer verwinkelten Dachkammer ähnelt, hat nun der Chef der Sicherheit für die Einsatzplanung bezogen.

Im Innenhof haben junge Bäume die siechen Eschen ersetzt. Der Efeu ist kletternden Rosen gewichen, weil sie das Mauerwerk weniger in Mitleidenschaft ziehen. Die Pflasterung des Hofs hat eine Bahn dazu bekommen, auf der sich Rollstuhlfahrer hoffentlich besser bewegen können. Und um Menschen mit körperlichen Einschränkungen überhaupt den Zugang zum Haus zu erleichtern, ist schließlich die größte sichtbare Veränderung vorgenommen worden: Auf der Nordseite, am "Königseingang" der Glyptothek, gibt es jetzt große gemauerte Rampen beidseits des Eingangs. Freilich werden die auch für Transporte aller Art genutzt. Zudem ist die Fassade dort, wie zu Ludwigs Zeiten, nun sanft farblich gestaltet. Mit unterschiedlich schattierten Quadern, die den Marmor und Stein von der Vorderseite aus Kostengründen immer schon nur imitierten.

Die Umgestaltung des gesamten Bereichs hinterm Haus soll noch viel weitreichender wirken. Lange Zeit bot der kleine Park dort alles andere als ein fürstliches Entrée. Vor der Sanierung, die weiträumige Bauzäune mit sich brachte, hatten da Obdachlose ihr Lager aufgeschlagen, Drogenhändler sich breitgemacht. Das soll nicht wieder so werden, wenn mit dem zweiten Bauabschnitt im Sommer die Außenanlage fertig wird. Im Gegenteil, dann könnte endlich ein anderes, städtebauliches Desiderat geschlossen werden: der bessere Anschluss des Königsplatzes ans Kunstareal. Hin zu den Pinakotheken. Wo schon das nächste, ungleich kostspieligere Sanierungsprojekt des Freistaats infolge von Ludwigs Erbe wartet: die Neue Pinakothek.

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