Nachruf:"Die Bilder waren ihm das Allerwichtigste"

Lesezeit: 2 min

Erst Drucker, dann Verleger und Galerist: Kürzlich ist Christoph Dürr im Alter von 87 Jahren gestorben. (Foto: Robert Sakowski)

Der Münchner Galerist, Drucker und Verleger Christoph Dürr war eine schillernde Figur. Was geschieht nun mit seinem Lebenswerk?

Von Jürgen Moises

Er konnte aufbrausend und sehr direkt sein. So erinnert sich Dimitri Gkotses an Christoph Dürr. Und mit dieser unverblümten Art hat der Galerist, Drucker und Verleger polarisiert. Die einen schätzten ihn deswegen. Andere gingen ihm lieber aus dem Weg, und vor allem Rechten und Nazis war das zu empfehlen. Denen sagte Dürr sofort die Meinung. Seit dem 9. Februar 2023 geht das nicht mehr. Denn Dürr ist an dem Tag mit 87 Jahren verstorben. Zurück bleiben Bilder, Freunde, eine Tochter, ein Sohn (der Galerist Christian Nagel), viele Geschichten sowie seine Galerie und Buchdruck-Werkstatt, die sich in der Hübnerstraße in München befinden. Nun ist die Frage: Was passiert damit, mit Dürrs Vermächtnis?

Seit 1978 war Christoph Dürr in der Druckerei. Seit 1996 befand sich auch die Galerie darin, die Dimitri Gkotses zuletzt mit ihm zusammen führte. Die beiden hatten sich 2010 kennengelernt. Als Nachbarn im Hinterhaus. Gkotses, etwa halb so alt und von Beruf Bezirkskaminkehrer, und Dürr wurden Freunde. Gkotses' Mutter pflegte Dürr die letzten Monate, nachdem nach Problemen mit dem Rücken, dem Fuß, einer neuen Herzklappe die Diagnose Krebs dazugekommen war. Gemeinsam mit befreundeten Künstlern hat er Bilder in Dürrs Krankenzimmer gebracht und aufgehängt, erzählt Gkotses. "Die Bilder waren ihm das Allerwichtigste."

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Begonnen hatte der am 1. April 1935 in Bromberg (heute Bydgoszcz) in Polen geborene Dürr als Drucker. Im Jahr 1959 meldete er in der Hohenzollernstraße seine erste Druckerei an, die später in die Blütenstraße umzog. Als Verleger gab er Anfang der Sechziger das "1 Pfennig-Blatt" heraus. Ein Anzeigenblatt mit redaktionellen Inhalten, dessen Jahres-Abo, deshalb der Titel, einen Pfennig kostete. Als Galerist führte er von 1963 an "Muttis Pfennig-Blatt-Galerie", die sich in der Ursulastraße gegenüber der Lach- und Schießgesellschaft befand. Die hatte ihren Namen, weil die Räume der Wirtin der Kneipe "Mutti-Bräu" gehörten. Miete zahlte Dürr keine, dafür schenkte er "Mutti" aus jeder zweiten Ausstellung ein Bild.

Diese Ausstellungen erregten zuweilen großes Aufsehen. Etwa "Moderne Malerei und Grafik aus der Tschechoslowakei" 1965, zu der es deutschlandweit rund 150 Kritiken gab. Denn abstrakte Malerei aus der Tschechoslowakei? Das hatte man noch nicht gesehen. Die kirchenkritische Ausstellung "Wärmflasche 67" wurde sogar zum Bild-Aufmacher. 1968 bekam er einen Galerie-Platz in der Villa Stuck. Ein steiler Aufstieg für Dürr, der als Kriegswaise in Potsdam bei Pflegeeltern gelandet war, 1953 alleine die DDR verließ, nach Niedersachsen kam und 1958 zum BWL-Studium nach München ging. 1991 ging es kurzzeitig in die Maximilianstraße. Von 1995 bis 2002 hatte Dürr auch eine Galerie in Berlin.

Lob des Analogen: Der vor kurzem gestorbene Münchner Galerist, Drucker und Verleger Christoph Dürr hat ein ganz eigenes Reich geschaffen. (Foto: Robert Sakowski)

Um Geld ging es Dürr dabei nie. Die Galerie, in der zuletzt etwa Werke von Will McBride oder Ira Blazejewska hingen, hat er durch die Druckerei querfinanziert. Die hat wie Dürr eine bewegte Geschichte. Vor 96 Jahren hat sie ein Sympathisant der NSDAP gegründet und dort deren Pamphlete gedruckt. Als Dürr das erfuhr, musste er erst einmal schlucken. Wie damals sind die Druckmaschinen heute noch analog. "So etwas gibt es nur noch im Museum", sagt Gkotses, der sie deshalb gerne erhalten sehen möchte.

Das gilt auch für den Verein Freunde der Buchdruck-Werkstatt, der sich vor fünf Jahren gegründet hat. Man plante Aktionen, wurde durch Corona aber ausgebremst, erzählt Vereinsmitglied Lorenz Kloska, der auch den Film "Portrait Christoph Dürr" gedreht hat (auf vimeo.com zu finden). Und jetzt? Die Räume gehören einer Erbengemeinschaft. Es klingt kompliziert. Christoph Dürr wird am 16. März um 9 Uhr auf dem Münchner Nordfriedhof beerdigt.

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