Not macht erfinderisch. Und im Fall der Andreaskirche auch sitzwarm. Als die Energiepreise vergangenen Herbst in die Höhe geschossen sind - im Gegensatz zu den Geldern, die von der evangelischen Landeskirche fließen - hat die Gemeinde im Stadtteil Fürstenried auf Nachhaltigkeit und Pragmatismus gesetzt: Statt den kalten, neun Meter hohen Luftraum ihres Gotteshauses aus den 1960er Jahren teuer zu erwärmen, hat sie akkubetriebene Heizkissen für die Gottesdienstbesucher angeschafft. Den Strom ziehen die Thermo-Polster seit diesem Winter größtenteils aus einer kleinen Photovoltaik-Anlage auf dem Kirchenvordach.
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"Statt auf 15 Grad heizen wir die Kirche jetzt an Sonntagen nur noch auf neun Grad", erzählt Pfarrer Johannes Schuster am Telefon. Er sei zwar Theologe und kein Heizungsfachmann, trotzdem sei ihm klar, "dass es völlig idiotisch ist", über die hauseigene Luftheizung im hinteren Teil des Baus über drei Schächte warme Luft in den Kirchenraum zu blasen und nicht dorthin, wo die Gläubigen sitzen. Es dauere eine geschlagene Stunde, das Haus um ein Grad zu erwärmen. Und trotz des hohen Energiebedarfs "kommt die warme Luft nicht bei den Leuten an".
Mit der Zahl der Gemeindemitglieder sinken auch die Zuschüsse
Im Geld schwimmen bekanntlich weder evangelische noch katholische Gemeinden angesichts sinkender Mitgliederzahlen und dem damit einhergehenden Einbruch an Kirchensteuereinnahmen. 1969 zählte die Andreasgemeinde im Südwesten Münchens noch rund 10 000 Mitglieder. Inzwischen sind es nur mehr 4100, Tendenz sinkend. Und damit fallen auch die Einnahmen durch Zuweisungen der Landeskirche, die pro Mitglied errechnet werden. Das Geld in der Gemeindekasse wird rapide weniger.
Zu Hoch-Zeiten wie Familien-Gottesdiensten beten 100 Gläubige sonntags in der Andreaskirche, sonst sind es im Durchschnitt 50 bis 60 Leute, sagt Schuster. Platz hätten hier 560 Menschen. Mit den 48 angeschafften Heizkissen komme man also gut aus und an Weihnachten, wenn das Haus voll ist, wird ausnahmsweise auch wieder auf herkömmliche Weise geheizt.
Die Andreasgemeinde gibt viel auf Nachhaltigkeit und hat bereits 1999 eine eigene Photovoltaik-Anlage auf das Vordach der Kirche gebaut. Eine neue, größere ist in Planung. "Wir wollen CO₂-neutral werden", sagt Schuster. Das ist ganz im Sinne des evangelischen Dekanatsbezirks München, dessen leitende Gremien Ende 2021 beschlossen haben, dass die Einrichtungen in ihrem Zuständigkeitsbereich bis 2035 klimaneutral werden sollen. In der Fürstenrieder Gemeinde wird die bestehende Warmluftheizung mit Fernwärme der Stadtwerke München betrieben. Ein eigener Umwelt-Arbeitskreis hat den Energieverbrauch in der Kirche seit Jahren auf der Agenda.
Um den Gottesdienstbesuchern den Aufenthalt wohltemperierter zu gestalten, hätten sie in Fürstenried wie in anderen Kirchen Sitzheizungen an den Bänken einbauen lassen können. "Da wären wir bei 30 000 Euro gewesen", rechnet der evangelische Pfarrer vor. Die 48 Wärmekissen mit den Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus seien deutlich günstiger gewesen. In einem verschließbaren Tower werden sie immer wieder aufgeladen. "Wir sind eine der ersten Kirchen, die das in München nutzen."
An eisigen Tagen gibt's für den Pfarrer ein Extra-Kissen
Kleine Umbauten waren aber trotzdem notwendig. Statt den Strom der eigenen Photovoltaik-Anlage ins allgemeine Netz einzuspeisen - "dafür kriegen wir praktisch nichts", so Schuster - wurde die Vorrichtung so umgebaut, dass die Gemeinde nun den selbst erzeugten Strom nutzen kann. Über eine Zeitschaltuhr werden die Akkus zwischen 10 und 16 Uhr geladen, dann also, wenn Solarstrom auf dem eigenen Dach produziert wird. Das Los vieler Selbsterzeuger teilt dem Pfarrer zufolge auch seine Gemeinde: "Wenn wir nicht genug Sonne haben, kommt der Strom aus dem Netz."
Johannes Schuster hat beim Gottesdienst am Altar Steinboden unter seinen Füßen. An eisigen Wintertagen mit spärlichem Gottesdienstbesuch nimmt er sich deshalb ein zweites Heizkissen, "für den Rücken". Klingt nach einem warmen Lächeln auf der anderen Seite der Telefonleitung.