Filmpremiere "Sterben":Mitten aus dem Leben

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Regisseur und Drehbuchautor Matthias Glasner (links) mit den Schauspielern Saskia Rosendahl und Lars Eidinger. (Foto: Florian Peljak)

Bei der Premiere von "Sterben" im Rio-Filmpalast geht es ziemlich lustig zu. Lars Eidinger studiert das Publikum, Matthias Glasner erzählt vom Glück.

Von Josef Grübl

Premieren sind eine eher heikle Angelegenheit. Da sind immer alle wahnsinnig angespannt, da kann von Triumph bis Niederlage alles passieren. Das weiß auch Regisseur Matthias Glasner: In seinem neuen Film "Sterben" erzählt er von einer Horrorpremiere, bei der so ziemlich alles schiefläuft, was schieflaufen kann. Und zwar nicht nur auf der Bühne: Nach diesem Film schaut man sich genau um, wer im Publikum hinter einem sitzt und hustet.

Das wissen die Gäste der München-Premiere vor Vorstellungsbeginn natürlich noch nicht, die Stimmung ist trotz des Filmtitels quicklebendig bis heiter. "Sterben - Auch eine Komödie" sollte der Film ursprünglich einmal heißen; es hat sich herumgesprochen, dass diese tragikomische Familienstory etwas Besonderes ist. Bei der Berlinale gab es viel Gelächter, lang anhaltenden Applaus und einen Silbernen Bären für das beste Drehbuch, beim Deutschen Filmpreis (der Anfang Mai in Berlin vergeben wird), ist "Sterben" mit neun Nominierungen haushoher Favorit. Der Film gilt also schon vor seinem bundesweiten Kinostart am 25. April als Triumph.

Das ist wohl auch der Grund, warum im bis auf den letzten Platz gefüllten Rio Filmpalast keine Nerven blank liegen. Im Gegenteil: Es geht sehr familiär zu, im Foyer herrscht fröhliches Gewusel. Nicht alle angekündigten Stars sind gekommen, Corinna Harfouch fehlt und Ronald Zehrfeld. Schauspielerin Saskia Rosendahl ist aber da: Geduldig beantwortet sie Reporterfragen, erfüllt Autogrammwünsche oder stellt sich zu Gruppenfotos auf.

Als eine ältere Dame ihren Rollator durch die Menschenmenge bugsiert, öffnet ihr Rosendahls Film-Liebhaber und Hauptdarsteller Lars Eidinger galant ein Absperrband. So etwas nennt man wohl Dienst am Kunden. Der Berliner Schauspieler ist ohnehin für seine Nahbarkeit bekannt, als "Jedermann" in Salzburg mischte er sich regelmäßig unters Festspielvolk, als DJ ( zuletzt auf einer Party in der Villa Stuck) hüpft und tanzt er höher als alle anderen.

Wie sehr das alles miteinander zusammenhängt und wieso er ständig die Nähe seines Publikums sucht, erklärt der ganz in Schwarz gekleidete Schauspielstar am Rande des roten Teppichs: "Wenn im Theater die Menschen im Saal unterschiedlich reagieren, beziehe ich das immer auf mich. Wenn sie also unkonzentriert sind oder nicht lachen, denke ich, dass die Vorstellung vielleicht nicht gut ist." Kino ist dagegen Konserve, da sehen alle das Gleiche. Trotzdem würden die Leute immer anders reagieren, erklärt er. Das habe wohl mit diversen Temperamenten zu tun und der Bereitschaft, sich auf das Leinwandgeschehen einzulassen. "Ich würde sogar so weit gehen, dass es schlechtes Publikum gibt", sagt der Schauspieler.

Was er damit meint: Kino ist keine Einbahnstraße, ohne Zuschauer-Engagement geht es nicht. Lars Eidinger kann sich auf seine Fans verlassen, er überrascht immer wieder aufs Neue. Derzeit etwa dreht er einen Film mit George Clooney und Greta Gerwig in London. Dass "Sterben" solche hohen Wellen schlägt, liegt an ihm und seinen fantastischen Kolleginnen. Es liegt aber auch an Matthias Glasner, der sehr persönlich von sich selbst, seiner Familie und dem Tod der eigenen Eltern erzählt - und damit das Publikum berührt. "Der Film hat einen humorvollen Blick auf das Dunkle, ich habe beim Schreiben die ganze Zeit gelächelt", sagt er.

Sogar seine schmerzvollen Erlebnisse bei einem aus München stammenden Prominentenzahnarzt in Berlin hat er im Film verarbeitet - nicht als Horrorstory, eher als Mischung aus Liebesdrama und absurder Komödie. Das Kino imitiert eben das Leben und umgekehrt, alles passiert auf einmal, es ist tragisch, komisch, schrecklich und dabei auch noch viel zu kurz. Sogar bei einem Film, der geschlagene drei Stunden dauert, der sein Publikum aber mit glücklichen Gesichtern in die Münchner Nacht entlässt.

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