Zwei junge Frauen im Teenageralter umarmen sich innig. Die Hände berühren den Körper der jeweils anderen - die Oberschenkel, den Hals. Beide wirken gelöst und glücklich. Das Bild macht deutlich: Die beiden haben Gefühle füreinander. Es ist das Bild eines homosexuellen Paares, das in der Gesellschaft schon vielerorts angekommen ist. Ungewöhnlich ist jedoch der Ort, an dem sich die beiden jungen Frauen auf dem Foto befinden. Eng umschlungen sitzen sie auf dem Altar einer evangelischen Kirche. Im Hintergrund hängt Jesus am Kreuz, die Bibel ist aufgeschlagen - so wie es in evangelischen Kirchen üblich ist. "Für mich ist Liebe Liebe. Und es macht keinen Unterschied, wen man liebt", sagt Elisabeth Zahn im Gespräch mit der Süddeutsche Zeitung. "Es ist schade, wenn ein Unterschied zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren gemacht wird."
Elisabeth Zahn ist Teil des Leitungskreises der Jugendkirche in München, die das Projekt "Keine Ehe zweiter Klasse!" ins Leben gerufen hat. Seit September 2019 hatten sich die jungen Ehrenamtlichen aus ganz München mit gleichgeschlechtlicher Liebe in der Evangelischen Kirche in Bayern auseinandergesetzt. Das Ergebnis der monatelangen Arbeit sind zahlreiche Bilder, die die Jugendlichen auf ihrer Instagram-Seite posteten und jetzt als Kalender veröffentlicht haben. Die Botschaft: Auch gleichgeschlechtliche Paare sollen sich kirchlich trauen lassen können.
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Das ist in einigen der 20 deutschen evangelischen Landeskirchen bereits möglich. In anderen gibt es zumindest einen Segen - im Gegensatz zur katholischen Kirche. Erst am Montag hat die vatikanische Glaubenskongregation mit Zustimmung des Papstes ein Papier veröffentlicht, demzufolge katholische Priester nicht befugt sind, über schwule oder lesbische Beziehungen einen Segen zu sprechen. Laienverbände äußerten teils scharfe Kritik an dem Schreiben. Die evangelische Kirche handhabt das Thema deutlich offener. Homosexuelle, die heiraten möchten, haben in Deutschland fast überall die Möglichkeit, sich von einem evangelischen Pfarrer einen Segen zusprechen zu lassen. Eine Trauung dagegen gibt es noch nicht überall. Die bayerische Landeskirche etwa ermöglicht seit 2018 homosexuellen Paaren lediglich eine Segnung, keine Trauung.
Eine Frage der Begrifflichkeit? Der Ablauf von Trauungs- und Segnungszeremonie sei fast identisch, erklärt Judith Amend-Knaub. Die Diakonin hat das Projekt "Keine Ehe zweiter Klasse" als Leitung der Jugendkirche betreut. Dennoch: "Für Außenstehende mag es eine Wortklauberei sein - Trauung oder Segnung. Aber da ist diese Nuance, die den Unterschied macht." Zudem könnten Pastoren die Segnung ablehnen, so die Diakonin. "Aus Gewissensgründen." Amend-Knaub lebt selbst in einer homosexuellen Beziehung und hat zu ihrer Partnerin mittlerweile schon dreimal "Ja!" gesagt. Vor zwölf Jahren ließen beide beim Notar die eingetragene Lebenspartnerschaft registrieren, danach erhielten sie die Segnung in der Kirche. Vor zwei Jahren ließen sie die Lebensgemeinschaft in eine zivile Ehe im Standesamt umwandeln.
"Die Segnung für Homosexuelle ist eine große Errungenschaft, dafür sind wir sehr dankbar. Schließlich geht es auch darum, innerhalb der Landeskirche einen Kompromiss zu finden. Aber der Kompromiss ist etwas faul", sagt Amend-Knaub. Warum solle die Trauung heterosexuellen Paaren vorbehalten sein? Schließlich gehe es laut der Diakonin bei der Trauung um Liebe, Beziehung, Respekt und Verbindlichkeit. "Wir wissen, dass da noch etwas geht."
Der gleichen Meinung ist Maria Trausch. Sie hat ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Jugendkirche gemacht und war Teil der Arbeitsgruppe. Ob die Fotos auch provozieren sollen? Trausch lacht. "Es ist schon so, dass man durch Provokation Aufmerksamkeit erreichen kann. Wir waren uns auch darüber bewusst, dass die Szene provokant ist", erklärt sie. "Dennoch ist die Szene auf dem Altar für uns nichts Sexuelles, sondern etwas Harmonisches, etwas Schönes." Bewusstsein wollten die Jugendlichen mit dem Projekt schaffen. Dass Menschen sich Gedanken machen und darüber reden.
200 der insgesamt 500 gedruckten Kalender hat die Jugendkirche bereits an Entscheidungsträger und Gemeinden der Evangelischen Kirche in Bayern gesendet - in der Hoffnung, dass ihr Anliegen Gehör findet und nicht in Vergessenheit gerät. Elisabeth Zahn freut sich, dass viel Feedback zurückgekommen ist. Mehrere Pfarrer haben die Kalender aufgestellt und dann Fotos davon geschickt. "Das hat mich gefreut und teilweise auch berührt." Für Zahn ist Homosexualität nichts Außergewöhnliches. Nicht in ihrer Familie, nicht in ihrem Umfeld und auch nicht in der Gemeinde. "Wir wollen mitgestalten, sodass sich jeder bei uns wohlfühlt."