Stadtplanung:Grün, sauber, gefährlich

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Tempo-30-Zonen hin, Radwege her: Fahrradfahrer und Fußgänger leben gefährlich in München, weil die Autos so schnell unterwegs sind, im Bild die Leopoldstraße. Dieser Meinung sind zumindest Wohnungsbaufachleute aus anderen Ländern. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit fast 20 Jahren gehört die GWG zu einem europäischen Netzwerk kommunaler Wohnungsgesellschaften. Jetzt haben sich die Partner angesehen, wie es sich in München so lebt. Ihr Fazit: Die Stadt könnte mehr für Fußgänger und Radfahrer tun.

Von Ulrike Steinbacher

Ein kräftiger Schuss Kopenhagen, ein Quäntchen Wien und eine kleine Prise Mailand - das wäre das Rezept, mit dem Experten aus sechs europäischen Ländern die "Münchner Mischung" im kommunalen Wohnungsbau würzen würden. Eine entsprechende Umfrage hat die städtische Wohnungsgesellschaft GWG gemacht, die seit knapp 20 Jahren dem European Housing Network (Eurhonet) angehört, einem Zusammenschluss von gut 30 kommunalen Wohnungsgesellschaften aus Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Österreich und Großbritannien. Bei einem Workshop blickten die Netzwerk-Partner jetzt durch die europäische Brille auf die Stadt.

München wirke nicht überfüllt, sei grün und sauber, heißt es in der Auswertung. Aber die Wohn- und Heizkosten sind nach Meinung der Befragten hoch, der Autoverkehr ist sehr schnell, die Straßenbeleuchtung nicht hell genug. Lob gab es für die "Münchner Mischung", dass also Wohnviertel dank sozialer Förderstrategien nicht abgehängt würden. Die "menschliche Note" im Wohnungsbau aber könnte ausgeprägter sein, urteilten die Kritiker. Die GWG interpretiert das so, dass Wohnquartiere sozial noch einladender und architektonisch progressiver gestaltet werden könnten.

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Als Problem sahen die Experten den Mangel an Wohnraum und die hohen Baukosten an. Sie wünschten sich mehr Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit à la Kopenhagen, mehr urbane Lebensqualität wie in Wien und etwas von Mailands wirtschaftlicher Dynamik, auch um Münchens städtisches Profil zu schärfen.

Eurhonet, 2006 gegründet, ist ein Netzwerk, in dem sich Fachleute über Stadtentwicklung austauschen. Denn die Probleme im kommunalen Wohnungsbau ähneln sich europaweit - alle Städte haben mit dem Klimawandel zu kämpfen, mit hohen Baukosten und sozialer Ausgrenzung, müssen nachhaltig bauen und die Digitalisierung vorantreiben. Die Lösungsansätze aber sind in den einzelnen Ländern oft unterschiedlich. Die Netzwerk-Partner - aus Metropolen wie Paris und Provinzstädten wie Tumba in Schweden - lernen also voneinander. Und sie lernen ohne Konkurrenzdenken, sagt Alessia Pareschi von der GWG-Unternehmenskommunikation. Die 38-Jährige vertritt die GWG gemeinsam mit Justiziarin Anja Bader, 54, bei Eurhonet.

Alessia Pareschi von der GWG-Unternehmenskommunikation leitet bei Eurhonet die Arbeitsgruppe digitale Kommunikation. (Foto: JonasNefzger/oh)
GWG-Justiziarin Anja Bader ist eine der drei deutschen Repräsentantinnen im Verwaltungsrat von Eurhonet. (Foto: Jonas Nefzger/oh)

Die Bandbreite an Themen, für die im Netzwerk Lösungsideen entwickelt werden, ist groß. Aus Frankreich kommt zum Beispiel ein Ansatz für Mieterbefragungen, der die Erwartungen einzelner Altersgruppen an ihre Wohnung einbezieht, aus England ein Konzept zur Schulung von Hausverwaltungsmitarbeitern für den Umgang mit älteren Mietern, die wenig Erfahrung mit Bürokratie und Internet haben. Und bei der digitalen Barrierefreiheit, wo die GWG schon weit sei, habe sich der Kollege aus Großbritannien das System in München live anschauen können, berichtet Alessia Pareschi. "Das ist besser als jede Broschüre zur Software."

Anja Bader wiederum erzählt vom flexiblen Passivhaus-Konzept, das eine Eurhonet-Arbeitsgruppe unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede entwickelt habe - schließlich braucht man in Schweden mehr Dämmung und andere Fenster als in Süditalien. Im Praxistest in Bremen sei ein solches Haus auf einen Heizwärmebedarf von 6,7 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr gekommen. Der Durchschnitt liege bei 15 Kilowattstunden.

Auch nach der Fusion mit der Gewofag zur Münchner Wohnen Anfang 2024 wollen die GWG-Mitarbeiterinnen weitermachen mit der europäischen Vernetzung. "Wir hoffen doch sehr, dass wir noch mehr Kollegen motivieren können mitzumachen", sagt Anja Bader.

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