Typisch deutsch:Unter Schlägertypen auf dem Eis

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Ein Eishockeyspieler. (Foto: imago sportfotodienst)

Wie bewegt man sich auf gefrorenem Wasser, ohne auf die Nase zu fallen? Unserem Autor hilft ein Werkzeug von Eishockeyspielern.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf, München

Ich hatte nie etwas gegen Eis einzuwenden, solange ich mich nicht darauf bewegen sollte. Doch der Tag kam. Es tanzten dort die Menschen mit Leichtigkeit und Anmut, ich aber machte einen Schritt und fiel sofort zu Boden. Daraufhin gaben mir meine Mitläufer von allen Seiten Tipps und Hinweise. Es fühlte sich an wie sprachliche Krücken. Dabei gibt es ganz andere Hilfsmittel, um sich auf gefrorenem Wasser zu halten.

Nach langer Anstrengung konnte ich mich zumindest so auf dem Eis bewegen, dass ich nicht nach drei Sekunden wieder saß. Diejenigen, die mir immer wieder aufgeholfen hatten, plagten inzwischen Rückenschmerzen. Mir selbst tat das Gesäß weh - und eigentlich auch alle anderen Körperteile.

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In Syrien konnten wir bei Regen auf dem Erdschlamm "Ski fahren", wie wir es nannten. Es ist nicht so hart, dafür wird aber die Kleidung sehr schmutzig. Im Gegensatz dazu ist Eislaufen in Deutschland sehr sauber - aber eben auch riskanter.

Und es gibt noch eine Steigerungsform: Eishockey. Zu diesem Zweck tragen die Menschen Stöcke und schwere Trikots. Und die Leute auf den Rängen tragen ausgestopfte Jacken und rot-weiße Pullover, mit denen sie aussehen wie Radieschen.

Auf dem Eis findet Phänomenales statt: Obwohl sich die Eisläufer anrempeln, fallen sie nicht um. Und wenn ein Tor fällt, dann freuen sich alle und vergessen die Schlagstöcke und die laute Musik.

In Syrien fällt nur selten Schnee, wenn doch, dann scheuen wir ihn ob der Kälte. Die Häuser gehen in solchen Zeiten manchmal kaputt, weil sie nicht so stabil gebaut sind. Hockey spielten wir nur auf Schlamm und zwar nicht mit einem schwarzen Plastikpuck, sondern mit einem aus Socken zusammengeklebten ballähnlichem Gebilde.

Wenn ein Eishockeyspiel endet, kann man zu den Spielerumkleidekabinen gehen, um die Spieler zu sehen. Dort ist es viel wärmer als auf dem Eis. Dennoch handelt es sich um eine schlechte Idee, denn Eishockeyspielerfüße haben ein enorm intensives Aroma.

Mittlerweile versuche ich auch, meine Fähigkeiten auf dem Eis zu verbessern. Verglichen mit dem Sockenball aus Syrien hat ein Puck durchaus Vorteile. Er ist zwar viel schneller, allerdings dennoch besser kontrollier- und vorhersehbar. Nasse Erde und gefrorenes Wasser weisen eben doch elementare Unterschiede auf.

Man hat in Deutschland die Wahl. Wer Ellenbogenchecks auf Eis scheut, kann sich statt eines Platzes auf dem Eishockeyfeld auch an den Rand setzen und zusehen. Manchen, die sich fürs Zusehen entschieden haben, möchte man jedoch einen Platz in der Startformation wünschen. Dafür empfehlen sich diese Leute nach dem Ende des Spiels, wenn sie den Schlachtenbummlern der Gegner über - oder genauer - in den Weg laufen.

Letzte Woche betrat ich wieder einmal selbst das Spielfeld, aber landete schnell auf meinem Hosenboden. Ich hatte einen Fehler gemacht und meinen Eishockeyschläger vergessen. Der Schläger erleichtert es einem zu balancieren. Ich hätte nie gedacht, dass aus mir noch so ein Schlägertyp wird.

Ihre Flucht hat drei Journalistinnen und Journalisten nach München geführt. In der wöchentlichen Kolumne "Typisch deutsch" schreiben sie, welche Eigenarten der neuen Heimat sie mittlerweile übernommen haben.

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