E-Scooter:"Noch sind sie kein Beitrag zu einer Verkehrswende in München"

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Im Frühsommer starteten die ersten E-Scooter-Firmen mit ihrem Angebot in München. Mittlerweile gibt es sieben verschiedene Unternehmen, die hier tätig sind. Die genaue Anzahl der Roller ist unbekannt. (Foto: Florian Peljak)
  • Der Bund Naturschutz in München (BN) hat knapp 3000 Menschen zu E-Scootern befragt.
  • Das Ergebnis bewertet der BN-Vorsitzende Christian Hierneis ernüchternd.
  • Zum Zeitpunkt der Befragung im August und September waren nur drei Anbieter in München aktiv. Heute sind es sieben.

Von Andreas Schubert

Schnell mal aufgesprungen und mit Tempo 20 zur nächsten Bushaltestelle: Die Verleiher von E-Scootern sind im Sommer mit dem Ziel angetreten, die Münchner "Mikromobilität" zu revolutionieren und den öffentlichen Nahverkehr zu unterstützen. Wer, so die Idee, die sogenannte letzte Meile nicht zu Fuß gehen muss, nutzt vielleicht öfter die öffentlichen Verkehrsmittel als zuvor und lässt sein Auto stehen. Das alles soll ein Beitrag zur Verkehrswende und zum Klimaschutz sein.

Doch als so richtig umweltfreundlich bewertet der Bund Naturschutz in München (BN) die elektrischen Tretroller nicht. Zum einen sind die Fahrzeuge nicht besonders langlebig und müssen teilweise schon nach ein paar Monaten ersetzt werden. Genaue Angaben zur Lebensdauer gibt es dabei nicht, das Umweltbundesamt zitiert auf seiner Homepage Berichte aus den USA, nach denen Roller schon nach einem Monat das Zeitliche segnen, die Verleihfirmen hoffen auf eine Lebensdauer von einem bis eineinhalb Jahren.

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Zum anderen werden die meisten Roller noch immer mit Dieselfahrzeugen zum Laden eingesammelt und danach wieder in die Stadt verfrachtet, wo sie aufgestellt werden. Ein "umweltfreundliches Flottenmanagement" vermisse man derzeit noch, schreibt der BN. Dazu kommt noch, dass die elektrischen Tretroller vor allem als Spaßvehikel wahrgenommen werden, wie eine Studie des BN nun ergeben hat. Knapp 3000 Menschen hat die Umweltorganisation auf der Straße und online zu E-Scootern befragt. Das Ergebnis fällt aus Sicht von Christian Hierneis, dem Münchner BN-Vorsitzenden ernüchternd aus: "Noch sind sie kein Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität und Verkehrswende in München."

Trotzdem sehen die Umweltschützer nach wie vor ein Potenzial in den E-Scootern. Denn alles, was dazu beiträgt, den Autoverkehr zu verringern, ist aus Sicht des BN gut. Doch die Umfrage, die der BN zur Nutzung der Roller gemacht hat, hat ein großes Manko: Zum Zeitpunkt der Befragung im August und September waren nur drei Anbieter in München aktiv. Heute sind es sieben: Tier, Voi, Bird, Lime, Jump, Circ und seit kurzer Zeit auch Dott. Zur Zahl der Fahrzeuge schweigt sich das Kreisverwaltungsreferat aus. Man habe nur Schätzwerte, die man nicht kommuniziere, ist zu hören. Und auch die Anbieter wollen keine Angaben zur Zahl machen. Nur so viel steht fest: Maximal 100 Fahrzeuge dürfen sie innerhalb des Altstadtrings aufstellen, maximal 1000 innerhalb des Mittleren Rings. Außerhalb des Mittleren Rings dürften es nicht allzu viele Roller sein.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Sie heißen Tier oder...

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(Foto: Florian Peljak)

...Dott.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Lime.

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(Foto: Florian Peljak)

Bird.

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(Foto: Florian Peljak)

Jump.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Circ.

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(Foto: Florian Peljak)

Oder Voi. Im Frühsommer starteten die ersten E-Scooter-Firmen mit ihrem Angebot in München. Mittlerweile gibt es sieben verschiedene Unternehmen, die hier tätig sind. Die genaue Anzahl der Roller ist unbekannt.

Und wie werden sie nun genutzt, die angeblichen Heilsbringer der ökologisch wertvollen Fortbewegung? Bei der Befragung des BN haben 80 Prozent angegeben, die Scooter nur selten oder nie zu nutzen. Als "überwiegend genutztes Verkehrsmittel" spielen die Scooter mit 0,2 Prozent praktisch keine Rolle im Straßenverkehr. Diese Rolle dürfte nicht groß gewachsen sein, auch wenn sich die Zahl der Fahrzeuge inzwischen erhöht hat und sie an jeder Straßenecke herumstehen. Die meisten derjenigen, die sich wirklich als E-Scooter-Nutzer bezeichnen, fahren vor allem in ihrer Freizeit damit herum. 60 Prozent gaben dies an. Mehr als 40 Prozent nutzten die Roller zum Sightseeing, knapp die Hälfte gaben an, dass sie damit Wege zum öffentlichen Nahverkehr zurücklegen. Für den Arbeitsweg und für Einkäufe sind die E-Scooter mit jeweils gut 20 Prozent kein wichtiges Verkehrsmittel.

Wenig überraschend ist die Altersgruppe, die mindestens einmal mit einem Scooter gefahren ist. Mehr als die Hälfte der Befragten waren zwischen 19 und 35 Jahre alt. Der Anteil der 36- bis 60-Jährigen liegt bei immerhin noch rund 35 Prozent. Knapp 66 Prozent der Nutzer sind Männer.

In der Gesamtschau werden die Roller von 70 Prozent der Befragten als Hindernis auf Gehwegen gesehen. Fast ebenso viele befürchteten im Sommer noch, dass die Stadt mit Rollern geflutet werde. Der BN spricht sich deshalb für Leih- und Parkstationen in der Nähe von Knotenpunkten des öffentlichen Nahverkehrs aus. In Frankfurt am Main etwa gebe es bereits Abstellflächen für die Roller am Fahrbahnrand.

Was die Sicherheit betrifft, halten fast 60 Prozent eine Helmpflicht für sinnvoll, fast 80 Prozent sprechen sich für verpflichtende Blinker an den Rollern aus, eine Forderung, die auch der BN für sinnvoll hält. Denn Handzeichen zu geben, ist mit den E-Scootern nicht möglich. Wer Abbiegen will, muss recht unelegant mit dem Fuß wedeln.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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