Karrierewege:Wie die Eltern die berufliche Identität prägen

Lesezeit: 3 min

Gabriele Bachmann und ihr Sohn Julius im Laden von Dallmayr in München. (Foto: Robert Haas)

Gabriele Bachmann arbeitet bei Dallmayr an der Käsetheke. Ihr Sohn Julius ist Volkswirt, coacht Unternehmer und Investoren. Seine Vorbilder: die Eltern, die Karrieren haben, wie es sie heute kaum noch gibt.

Von Sabine Buchwald

Die Mutter berät an der Käsetheke, der Sohn coacht Investoren und Unternehmer. Sie hat Einzelhandelskauffrau in einem kleinen Supermarkt gelernt, er an der renommierten Universität St. Gallen Volkswirtschaft studiert. Fast 20 Jahre arbeitet Gabriele Bachmann, 62, im Münchner Feinkostladen Dallmayr; Julius Bachmann, 34, hat sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht und seit Monaten schreibt er an einem Buch, Arbeitstitel: "Karrieren im 21. Jahrhundert".

20 Jahre wie seine Mutter oder 35 Jahre wie sein Vater (Ingenieur bei einer Münchner Automarke), solche Karrierewege werden jüngere Generationen kaum noch zustande bringen. Julius Bachmann beschäftigt, wie man sich heute persönlich aufstellen muss, um seine professionelle Identität zu finden. Seine Eltern sind für ihn Vorbilder, Traditionshäuser wie Dallmayr ein Fels in der Brandung der Businesswelt.

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Was verbindet Mutter und Sohn? "Wir hören Leuten gerne zu und gehen auf sie ein", sagt Gabriele Bachmann, "ich versuche immer, mich in die Situation der Kunden reinzuversetzen." Der Sohn schreibt in seinem Blog: "Ich versuche, den Kunden keine Ratschläge zu geben, sondern zu verstehen: Wo liegen die Themen, die ihnen wirklich nahe gehen?" Seine Coaching-Ausbildung habe ihm die Techniken und Zuversicht für seinen Job gegeben. Die Grundlagen aber kommen aus seiner Familie.

Mutter und Sohn sind beruflich dort, wo sie sein wollen. Das kann nicht jeder von sich behaupten. "Ich bin stolz auf meinen Arbeitsplatz", sagt Gabriele Bachmann. In den Achtzigerjahren war sie schon bei Dallmayr, seit einiger Zeit ist sie wieder zurück. Sie steht vor der Theke, in der sich um die 150 Käsesorten türmen, die sie alle kennt. Für gewöhnlich ist ihr Platz dahinter, an diesem Vormittag ist Gabriele Bachmann privat in Münchens Feinkostgeschäft. Nur für den Fotografen zieht sie sich den blauen Kittel und die weiße Schürze über.

Eine Dame erkennt sie und nickt der Fachverkäuferin zu. "Es ist bei Dallmayr vielleicht ein bisschen wie früher in einem Tante-Emma-Laden, wo die Leute kommen und sich unterhalten wollen", sagt Bachmann. In der Käseabteilung sei Beratung ganz besonders gefragt, woanders im Haus wäre es ihr wahrscheinlich zu fad, meint sie. Ein typisches Gespräch laufe manchmal so ab, Bachmann macht es vor: Die Kundin sagt: "Ich habe am Wochenende eine Einladung, was könnte ich anbieten?" Ist es Sommer, antwortet sie zum Beispiel: "Vielleicht eine gute Tomatensuppe? In die setzen Sie eine halbe Burrata und garnieren mit Basilikum. Und zum Abschluss machen wir einen feinen Käseteller." Schließlich geht es auch ums Verkaufen.

Um die 150 Käsesorten hat Gabriele Bachmann in ihrer Theke bei Dallmayr. (Foto: Robert Haas)

Reden, das können Mutter und Sohn. Zugewandt, freundlich, höflich. So zu sein, wurde von Julius erwartet, wenn er die Mutter im Laden besuchte. Von Kollegen hört sie manchmal: "Die Gabi hat wieder Sprechstunde." Gerade die älteren Herrschaften, die sie schon lange kennen, erwarteten ein bisschen mehr als nur gut gereifte Spezialitäten. Manche aber sagen nur: "Wie immer." Vorlieben habe sie im Kopf, so was müsse sie sich nicht aufschreiben. "Wir haben hier gekrönte Häupter, die ganz locker bei uns zum Einkaufen kommen", sagt Gabriele Bachmann. Da frage sie schon mal: "Alle vier Buam im Griff?" Dann erzähle sie gern auch vom eigenen Nachwuchs. Bachmann spricht ein feines Münchnerisch, sie ist in Allach aufgewachsen. Mit Dialekt in der Stimme wirken solche Sätze nicht falsch.

Es gefällt Bachmann, Teil eines erfolgreichen Traditionsbetriebs zu sein. Gut 100 Mitarbeiter arbeiten im Laden, im gesamten Stammhaus sind 300 beschäftigt, weltweit sind für die Dallmayr-Gruppe 4700 Mitarbeiter tätig. Die Kontinuität fasziniere die Leute, glaubt Gabriele Bachmann fest. Verkaufsleiter Stefan Weiß ist seit 40 Jahren hier. Der geschäftsführende Gesellschafter Florian Randlkofer repräsentiert die fünfte Generation der Randlkofers. Soeben ist der dritte Part der Familiensaga von Lisa Graf erschienen. Sie beginnt im Jahr 1897 mit Anton und Therese Randlkofer, ein Bestseller.

Als Sohn und Tochter, eine Lebensmitteltechnologin, noch zu Hause wohnten, schaute Gabriele Bachmann darauf, dass die Familie einmal am Tag um den Tisch saß. Um einander in die Augen zu schauen, sich auszutauschen. Und weil sie alle gerne essen. Der Sohn hatte immer einiges zu erzählen. Er war Klassen- und Schülersprecher, Streitschlichter, Tutor, Gitarrist in einer Band. Nach dem Studium fing er als Berater und Investor an. Heute sagt er: "Ich habe schneller als andere die Abzweigung gefunden." Er sei bewusst auf die Suche gegangen nach Alternativen zu einem aufreibenden Alltag. Das Schreiben, seine Musik und seine Aufgabe als Coach, das sind jetzt seine persönlichen Eckpfeiler. Und die eigene Kleinfamilie mit einer Tochter.

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