Münchner Momente:Nieder mit dem Nuscheln

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Die Rathaus-CSU will, dass wartende Fahrgäste an den Bahnsteigen "endlich in klarer und gut verständlicher Sprache" informiert werden. Da hat sie sich was vorgenommen.

Glosse von Stefan Simon

Es gibt diese wunderbare Zeichnung, auf der zwei Pinguine zu sehen sind. Sie stehen irgendwo im unendlichen Weiß der Antarktis und betrachten gemeinsam den Sternenhimmel. "Wir werden das Universum wohl nie verstehen", seufzt der eine Pinguin. Der andere entgegnet nachdenklich: "Es nuschelt." Ha! Da sollte sich der Weltraum aber besser in Acht nehmen. Bei der Münchner CSU finden sie so etwas nämlich gar nicht komisch. Sie hat gerade ein neues Betätigungsfeld entdeckt: "Genuschel abstellen", fordert die Partei in einem Antrag. Gemeint sind die Durchsagen an den Bahnsteigen in München. Da hat sie sich was vorgenommen. Vielleicht wäre es einfacher, erst einmal mit dem Universum anzufangen.

Durchsagenmäßig hat die Stadt keine gute Entwicklung genommen. Früher zum Beispiel, als das Schlachthofviertel noch ein Schlachthofviertel war, als es dort Stallungen gab und kein Volkstheater, da stand unweit vom Zenettiplatz ein Mietshaus. Es war fest in der Hand einer griechischen Großfamilie. Im Hinterhof wurde gelacht und gespielt, gesungen und gegrillt, 24/7 würde man heute sagen, es war die pure Lebensfreude. Beneidenswert, aber nur solange es dem Patriarchen aus der Wohnung im zweiten Stock gefiel. Das konnte sich jede Sekunde ändern, und dann hagelte es Kommandos - durch die Gegensprechanlage der Haustür. Erst knackte es kurz, dann hob ein aufgeregtes Quäken und Krächzen an, und schon flitzte irgendjemand los, um den Auftrag zu erledigen. Manchmal flitzten auch alle auf einmal. Und manchmal, wenn es zu lange dauerte, morste der Alte eine Schimpftirade mit dem Türöffner, der sehr bedrohlich brummen konnte. Man musste kein Griechisch können, um den Ernst der Lage zu begreifen. Aber selbst wenn, aus dem kleinen Lautsprecher kam eh stets nur eins: Genuschel. Es nicht zu verstehen, wäre trotzdem keine gute Idee gewesen.

Und heute? Die CSU hat festgestellt: "Der allergrößte Teil der Durchsagen von MVG und MVV ist bedauerlicherweise sehr undeutlich, wird an den Bahnsteigen nicht verstanden und lässt die Fahrgäste oftmals fragend zurück." Neue Technik soll her, auf dass "endlich in klarer und gut verständlicher Sprache" gesagt wird, was zu sagen ist. Nieder mit dem Nuscheln? Nun, viele Bahnhöfe verfügen längst über moderne, sogar automatisierte Ansagen, die man glasklar hört und dennoch nicht versteht. Das muss so sein, das Rätselhafte ist im Fahrpreis inbegriffen. Routinierte Passagiere wissen, was zu tun ist, wenn es im Bahn-Lautsprecher knackt und krächzt. Sie suchen sich jemanden zum Ratschen: "Also, diese ewigen Störungen, die werde ich wohl nie verstehen..." Und das Universum? Seufzt.

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