Geflüchtete in München:Sozialarbeiter ziehen sich aus der Beratung zurück

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  • Flüchtlinge weiter beraten oder nicht? Behörden und Sozialverbände haben sich nicht auf eine einheitliche Linie verständigt.
  • Die Stadt München gestattet die Asylsozialberatung in ihren 24 Heimen weiter.
  • Die Regierung von Oberbayern regelt den Zugang zu ihren 22 Häusern wesentlich restriktiver.

Von Bernd Kastner

Wie sollen, wie können die gut 6000 Flüchtlinge in den 46 Münchner Sammelunterkünften in Zeiten von Corona beraten werden? Behörden und Sozialverbände haben sich nicht auf eine einheitliche Linie verständigt. Während die Caritas aus Sicherheitsgründen nicht mehr vor Ort berät, will die Innere Mission bei den Flüchtlingen bleiben, solange es geht.

Grundsätzlich gilt in bayerischen Asylunterkünften ein Betretungsverbot für Berater. Die jeweils zuständigen lokalen Behörden dürfen aber Ausnahmen genehmigen. Die Stadt gestattet die Asylsozialberatung in ihren 24 Heimen weiter, erklärt Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Die Anwesenheit der Berater habe "hohe Priorität".

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Die Regierung von Oberbayern regelt den Zugang zu ihren 22 Häusern wesentlich restriktiver. In den Dependencen der "Anker"-Zentren darf jeden Tag ein Berater für drei Stunden kommen. Für die Gemeinschaftsunterkünfte gilt, abhängig von der Größe: ein Berater drei Stunden die Woche oder ein Berater plus Assistenzkraft an drei Tagen für je drei Stunden.

Trotzdem hat die Caritas entschieden, die Beratung in den staatlichen Häusern vor Ort komplett zu beenden, von Krisenfällen abgesehen. Besorgt ist man unter anderem aus juristischen Gründen: Mit dem Antrag auf eine Sondergenehmigung würde man als Arbeitgeber die Schutzverpflichtung gegenüber den Mitarbeitern "unterlaufen": "Für eine mögliche Infektion wären wir wahrscheinlich haftbar zu machen", so Migrationsreferent Willi Dräxler. Der Sicherheitsabstand könne in der Enge der staatlichen Häuser "nicht immer eingehalten werden". Man müsse mit "Menschenansammlungen vor den Büros" rechnen, wenn ein Berater da wäre. Für einen einzelnen Mitarbeiter könnte die angespannte Stimmung riskant werden.

Zudem wären Mitarbeiter eine Infektionsquelle, weil sie in verschiedenen Unterkünften eingesetzt seien. Also wolle man nur noch telefonisch und via Mail beraten. Regelmäßig werde man Behördenbriefe abholen, die die Flüchtlinge erhalten, um dann eine mögliche Beratung zu prüfen.

Die Innere Mission fährt eine andere Linie: "Wir wissen, dass die Flüchtlinge gerade jetzt ganz dringend unsere Hilfe brauchen", sagt Andrea Betz, Chefin der Integrationsabteilung. Es sei deshalb "selbstverständlich, dass wir so lange an der Seite der Menschen bleiben, wie es uns möglich ist".

Die Ausnahmegenehmigung der Regierung sei dafür die formale Basis, die Mitarbeiter sähen dies ebenso. Man wisse, dass die Stimmung in den Heimen stark von der Präsenz der Sozialarbeiter abhänge, immer wieder höre man von Bewohnern: "Solange die Social Worker noch da sind, wird alles gut." Zugleich bemühe man sich um "maximalen Schutz" für die eigenen Mitarbeiter, etwa durch Abstand.

Besorgt ist man im Sozialreferat, weil auch die Hilfen für Kinder und ihre Eltern in staatlichen Häusern nicht möglich seien. Dies aber sei "zwingend erforderlich", um mögliche Gefährdungen zu erkennen, so Schiwy. Sie werde deshalb beim Freistaat intervenieren.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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