Ausfall von Weihnachtsfeiern:Stille Nacht, aber so richtig

Lesezeit: 3 min

Weihnachtsdekoration und Buden kann Christian Lehner vom Parkcafé wieder abbauen. (Foto: Robert Haas)

In der Weihnachtszeit machen die Münchner Gastronomen oft einen großen Teil ihres Jahresumsatzes. Der bricht nun schon im zweiten Jahr in Folge nahezu komplett weg.

Von Franz Kotteder

Die stade Zeit ist zwar schon lange keine mehr, aber für Wirte und Wirtinnen, Köche und Köchinnen, Kellnerinnen und Kellner war sie das eigentlich noch nie. Im Gegenteil, von Mitte November bis mindestens Weihnachten brummte der Laden eigentlich, dann kamen die Feiertage und schließlich Silvester. Jahrelang feierten die in der Gastronomie Beschäftigten den Jahreswechsel erst zwei Wochen später, beim sogenannten "Gastro-Silvester". Das hatten die Szenegastronomen Florian und Jakob Faltenbacher von der Milchbar erfunden, als das Münchner Nachtleben noch eines war, das um 22 Uhr nicht beendet werden musste.

Selige Zeiten für die gesamte Münchner Gastronomie. Jetzt steht sie da, ganz ohne Weihnachtsfeiern, und macht sich Gedanken darüber, was das noch werden soll. Manche Wirte sagen sogar, am liebsten wäre ihnen ein kompletter Lockdown mit einer neuen, vierten Überbrückungshilfe, denn zu verdienen gebe es momentan ja eh nichts. Im Wesentlichen könne man nur laufende Kosten produzieren, und was hereinkomme, lange kaum zum Überleben. Wenn überhaupt.

"Das Einzige, was wir heuer haben, sind Stornos, aber davon richtig viele!"

Christian Lehner ist der Wirt vom Parkcafé und vom Lokal Das Bad an der Theresienwiese. Er weiß seit vielen Jahren, wie eine gute Party funktioniert, und normalerweise ist besonders das Parkcafé gut gebucht von Firmen, Vereinen und größeren Gruppen, die es weihnachtlich krachen lassen wollen. "Normalerweise werden wir überrannt von Firmen, die uns für Feiern buchen wollen", erzählt er, "wir machen in den vier Wochen vor Weihnachten ungefähr ein Fünftel des Jahresumsatzes, und das geht den meisten Kollegen nicht viel anders."

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Es handele sich da um große Weihnachtsfeiern mit 400 bis 600 Personen, oft gebe es aber auch mehrere Partys parallel, jeweils mit 30 bis 70 Gästen. "Ich war einer der ersten", sagt Lehner, "der dann noch Eisstockschießen draußen gemacht hat und eine Almhütte aufgestellt hat." Anders, meint er, hätte er die Gäste gar nicht mehr untergebracht.

Klar, das war schon 2020 Vergangenheit, mit dem Lockdown seit November, sieht aber in diesem Jahr nicht viel anders aus: "Das Einzige, was wir heuer haben, sind Stornos, aber davon richtig viele! Ich stehe jetzt quasi alleine in meinem Weihnachtswunderland."

Immerhin habe es im Oktober schon viele weitsichtige Kunden gegeben, die hätten dann die "Weihnachtsfeier für daheim" bestellt, mit Parkcafé-Glühwein, in Flaschen abgefüllt, mit dem hauseigenen Weihnachtshaferl und den speziell gebackenen Lebkuchen.

Zeitweise sah es in der Gaststätte aus wie in einem Logistikzentrum, vor lauter Paketen, und jetzt sei der Publikumsverkehr überschaubar. Zu den häufigsten Besuchern, meint Lehner, zählten die Kontrolleure vom Kreisverwaltungsreferat. Sie müssen die Auflagen kontrollieren, "und da sind sie wirklich sehr fleißig".

Immerhin, sagt Lehner, habe er jetzt mehr Zeit für seine Kinder, die sind zehn und zwölf Jahre alt. "Früher habe ich mich vor der Wiesn praktisch von ihnen verabschiedet und bin erst zu Heiligabend wieder erschienen", sagt er, "so viel war los. Das ist dieses Mal anders."

Christian Schottenhamel vom Nockherberg hat heuer viel Zeit für seine Familie: Niemand feiert mehr mit 800 oder 1000 Gästen. (Foto: Robert Haas)

Auch Christian Schottenhamel und Florian Lechner vom Nockherberg haben in diesem Jahr viel Zeit für die Familie. Lechner hatte im Herbst alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Personal für Küche und Service zu bekommen, das war schon nach dem langen Lockdown sehr knapp geworden.

Viele hatten sich bereits einen sichereren Job gesucht, bei dem man nicht so vom Trinkgeld abhängig war. Und ursprünglich sah es ja gut aus. "Wir hatten volle Auftragsbücher, es war richtig schön!", erzählt Schottenhamel, der auch Münchner Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga ist.

Doch von den Buchungen ist buchstäblich nichts übrig geblieben, alles wurde storniert. Niemand feiert mehr mit 800 oder 1000 Gästen, ist ja klar. Die Deko im großen Saal kann Schottenhamel wieder abhängen. "Am ehesten geht noch was mit Weihnachtsfeiern im kleinen Kreis", sagt er, "der Kollege Michael Käfer tut sich wohl etwas leichter, der hat viele Stuben."

Jetzt hoffen die Wirte aufs kommende Jahr

Und was sagt der Kollege? "Die Absagen von Weihnachtsfeiern merken wir vor allem beim Catering sehr stark", sagt Michael Käfer, "die Käfer-Schänke hingegen ist wegen der separaten Stuben für kleinere Gesellschaften zwischen zehn und 30 Personen sowohl von Firmen als auch von Privatkunden nach wie vor gut nachgefragt."

Aber auch dort gebe es viele Stornierungen, Käfer hofft nun auf das zweite Quartal im kommenden Jahr, da werde wohl vieles nachgeholt. "Wir blicken optimistisch in die Zukunft!"

Und wie sieht das bei kleineren Restaurants mit 30 bis 40 Plätzen aus, die ebenfalls gehobene Küche anbieten? Karl Ederer, Küchenchef vom Restaurant Ederer an der Lindwurmstraße, der mit seinem Restaurant Glockenbach auch schon mal einen Stern im Michelin hatte, sagt: "Früher hatten wir zu dieser Jahreszeit fast jeden Tag eine Feierlichkeit mit bis zu 20 Leuten. Auch Anfang November war die Auftragslage noch ganz gut." Inzwischen: alles storniert, selbst normale Geschäftsessen hätten stark abgenommen.

Die Absagen könne er verstehen, das seien ja alles vernünftige Gründe. Aber für seine Bilanz seien sie natürlich verheerend: "Mal sehen, was der politische Eiskunstlauf in Berlin so ergibt."

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