Null Acht Neun:Auf einen Ratsch in den Park

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Nicht mehr alleine herumsitzen müssen im Park: Das ist das Ziel des Antrags. (Foto: Robert Haas)

So ändern sich die Zeiten: Im ersten Lockdown wurden bücherlesende Menschen von Bänken gejagt - nun wollen Stadträte extra Möglichkeiten zum Plaudern schaffen.

Glosse von Anna Hoben

Knapp zwei Jahre ist es her, dass Parkbänke in Bayern zu einer hochpolitischen Angelegenheit wurden. Damals, im ersten Lockdown, hatte die Münchner Polizei bei Twitter die Ansage gemacht: "Nein, ein Buch auf einer Bank lesen ist nicht erlaubt." Innenminister Joachim Herrmann sah sich daraufhin zu folgender Klarstellung genötigt: "Es spricht überhaupt nichts dagegen, wenn sich jemand im Rahmen seines Spaziergangs allein, mit der Familie oder sonstigen Angehörigen seines Hausstandes auf eine Parkbank in der Sonne setzt." Und er spezifizierte: "Es spielt für das Infektionsrisiko auch keinerlei Rolle, ob jemand dabei ein Buch oder eine Zeitung liest oder etwa ein Eis isst."

So ändern sich die Zeiten. Gerade noch wurden Senioren von Parkbänken verscheucht. Jetzt will die Fraktion SPD/Volt in München "Ratschbankerl" aufstellen, als Mittel gegen die - auch durch die Pandemie bedingte - Einsamkeit. Auch die gebe es in der Stadt, sagt der Musiker und Stadtrat Roland Hefter in einem Video zum Antrag. Man soll auf diesen Sitzgelegenheiten explizit mit jemandem aus einem anderen Hausstand ins Gespräch kommen können. Das Angebot richte sich an alle, die "ein wenig Zeit, Geduld und die Bereitschaft mitbringen, mit einem anderen Menschen in Kontakt zu treten".

Wer einmal in Italien oder Griechenland auf einem Dorfplatz stand, weiß, wie sich dort, oft neben einer Apotheke, die Cliquen gehobeneren Alters treffen, plaudern und mit dem Gehstock gestikulieren. Inspirieren lassen haben sich die Münchner Stadträte allerdings nebenan, im Ländle. Dort hat der Landesseniorenrat Baden-Württemberg 20 "Schwätzbänkle" ausweisen oder neu errichten lassen, die von der Zielgruppe offenbar freudig angenommen wurden. Die Schwaben sind zwar nicht bekannt für ihre Small-Talk-Skills, einem ausgiebigen Schwatz aber auch keineswegs abgeneigt.

Wer sich auf ein "Schwätzbänkle" oder ein "Ratschbankerl" setzt, signalisiert: Ich hätte nichts dagegen, angesprochen zu werden. Das impliziert, dass, wer in einer deutschen Großstadt auf einer stinknormalen Bank sitzt, offenbar das Signal aussendet: Lass mich doch bitte lieber in Ruhe. Wer weiß, welch wunderbare Freundschaften also bald in München dank der geselligen Bänke geknüpft werden. Und vielleicht wird auch jener Mann fündig, der kürzlich in Hallo München folgendes Inserat schaltete: "Pensionist sucht einfache Hausfrau bis 40 Jahre vormittags zum Kaffeetrinken."

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