Mariahilfplatz:Es ist wieder Jakobidult in der Au

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Die Jakobidult hat am Wochenende auf dem Mariahilfplatz begonnen. (Foto: Catherina Hess)

Küchenutensilien, Weißbier und eine Mini-Version der Fischer Vroni: Beim Volksfest am Mariahilfplatz gibt es in diesem Jahr ein Hygienekonzept und Einlassregeln. Ein Besuch im natürlichen Lebensraum des V-Hobels.

Von Stephan Handel

Wie kommt jetzt die kleine Meerjungfrau in die Mariahilfkirche? Vier Leute sitzen vorne auf der Kirchenbank, Oma, Mutter, Vater, Kind vermutlich, und das Mädchen hat einen Arielle-Luftballon an einer Kordel ans Handgelenk geknotet, damit sie nicht wegfliegt. Und so bildet das zuckersüße Seeweib einen merkwürdigen Gegensatz zur neogotischen Strenge, zur lichtigen Düsternis des Auer Gotteshauses. Von draußen ist gedämpft zu hören, wie Peter Alexander "Ciao, Ciao, Bambina" schmettert, das sind dann fast zu viele Welten, die da aufeinandertreffen.

Was die kleine Familie zum Rasten auf Kirchenbänken getrieben hat, ist nicht bekannt - draußen ist der Trubel nicht so groß, dass jemand vor ihm fliehen müsste: Es ist wieder Jakobidult in der Au, weil aber außerdem wahrscheinlich schon vierte Welle ist, gelten vielfältige, aber mittlerweile schon wohlbekannte Vorsichtsregeln. Eine davon: Nur 1500 Besucher dürfen gleichzeitig auf den Mariahilfplatz. Die Ankommenden werden bei den beiden Eingängen automatisch gezählt, ein Monitor zeigt den Grad der Belegung an - und wenn der auf 100 Prozent klettert, dann wird zugemacht, so lange, bis sich wieder ein paar Besucher auf den Heimweg gemacht haben.

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An diesem Samstag gegen 14 Uhr ist das kein Problem: Knapp über 60 Prozent zeigt die Grafik, also dürften etwa 1000 Menschen auf dem Platz sein. Am Sonntag schaut's schon anders aus, da ist die Überlastungsgrenze bereits um 13 Uhr erreicht. Dann tun wahrscheinlich auch die neongrünen Striche vor den Eingängen ihren Dienst, die Menschen mit einem schlechten Sinn für das Schätzen von Entfernungen beim Abstandhalten helfen sollen und die aussehen wie merkwürdige Zebrastreifen, gemalt von einem, der nicht weiß, wie Zebrastreifen gehen.

Am Samstag aber: Kein Problem. Drinnen ist's entspannt, die Menschen stehen sich nicht im Weg und kommen locker aneinander vorbei. Die allermeisten tragen ihre Maske, wie sich's gehört, wenigen nur ist sie von der Nase gerutscht, was zwar ungefähr so sinnvoll ist wie eine Taucherbrille mit Luftlöchern, angesichts der Hitze und der Schwüle an diesem Nachmittag aber auch verständlich.

Im "Café Tropic" geht eine Mitarbeiterin zu jedem freigewordenen Tisch und desinfiziert ihn. Am Kinderkarussell haben sie eine Kinder-Hygienestation aufgebaut, die aussieht wie aus einer Spielzeugküche entwendet, die aber offensichtlich durchaus funktionstüchtig ist, wenn es darum geht, kleine Patschehändchen von etwas anderem zu säubern als von Zuckerwatte- und Softeisresten.

Das Problem, das ein kleiner Junge grad ein paar Meter weiter an einem Mehlspeisen-Stand hat, ist jedoch ein ganz anderes: Auf dem Tisch steht ein Kaiserschmarrn mit Apfelmus und sieht mehr als verlockend aus. Dummerweise aber ist der Tisch ein Stehtisch und so hoch, dass der Bub zwar über die Tischplatte schauen kann, aber nicht mit den Armen den Teller erreichen. Die Verzweiflung wächst, auch bei der Schwester, die noch mal einen Kopf kleiner ist. Endlich findet der Vater die Lösung: Zum Kindertisch wird ein Fensterbrett der Hütte. Kaiserschmarrn und Stimmung gerettet.

Merkwürdigerweise will keiner der Standbetreiber seinen Namen zur Zitierung hergeben. Die namenlose Laune mehrerer Befragter schwankt zwischen "Gut, dass es wieder los geht" und "Jetzt schau ma amoi". Klar dürfte sein, dass bei reduzierten Besucherzahlen auch die Umsätze sinken. Andererseits: Ein niedriger Umsatz ist immer noch besser als gar keiner.

Vor der Mini-Version der Fischer Vroni hängen die Steckerlfische über der Glut, als wäre Wiesn. Hinter Feisingers Kas- und Weinstubn sitzen die Leut und trinken Weißbier - alles recht ruhig und gesittet. Aber die Auer Dulten waren ja immer schon der Gegenentwurf zum Oktoberfest, eher Markt als Volksfest, was sich schon im Namen zeigt: Dult kommt angeblich von einem urgermanischen Wort, das so etwas ähnliches wie verharren bedeutet.

Es gibt praktisch alles in schön. Und in greislich

Verharrt wird hier hauptsächlich in Samstagnachmittagszivil - kaum jemand hat die Tracht angelegt, die meisten Leute schauen aus, als würden sie später noch im Garten zu tun haben und wollten sich das umziehen sparen. Aber auch das ist ja die Auer Dult: Ein Volksfest mit Mehrnutzen. Hier geht es nicht um Trinken und Feiern, um den bayerischen Nationalrausch. Deshalb gibt es neben dem kulinarischen Angebot und dem überschaubaren Vergnügungspark für Kinder und Erwachsene mit Höhenangst nützliche Dinge für Zuhause: Einlegesohlen und Spätzlehobel, Salatschüsseln und Töpferware, Aromaöle und Waschnüsse, diese angeblich gegen Blattläuse.

Schon auf dem Hinweg war eine Frau zu sehen, die mit ersichtlichem Stolz einen Ölschinken zur Tram trug aus der Abteilung "Röhrender Hirsch", auch das gibt's auf der Auer Dult. Es gibt praktisch alles in schön und in greislich, Geschirr mit Blumendekor ohne Zahl, Tassen, auf die Namen nach Wunsch gemalt werden, damit's darüber schon mal keinen Streit gibt beim Frühstück, sehr schöne Sachen aus edlen Hölzern, billiges Plastikzeug, aber praktisch, und fast sieht es aus, als habe der so nützliche V-Hobel auf der Auer Dult seinen natürlichen Lebensraum gefunden.

München hat seine Jakobidult wieder, noch bis zum 1. August, täglich von zehn bis 20 Uhr. Ach ja: Wenn der Mensch zwei Stunden über den Mariahilfplatz geschlendert ist, dann fällt ihm erst auf dem Weg zur Tram ein, dass er die Maske jetzt eigentlich wieder abnehmen kann.

© SZ vom 26.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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