Modellflug-Wettbewerb:Punktlandung mit dem Ersatzflugzeug

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Ein letzter Check vor dem Start: Das Team "Chicken Wings" aus Prag hat die Last in den Tragflächen untergebracht. (Foto: Robert Haas)

Bei der Air Cargo Challenge wetteifern Studierende aus 13 Ländern darum, mit Modellfliegern Lasten möglichst weit zu transportieren - dieses Mal auf dem TUM-Gelände in Garching. Die Last: unechte Blutkonserven.

Von David Pister

Der kleine Motor setzt den Propeller in Bewegung. Ein feines Surren ist auf der trockenen, plattgetretenen Wiese zu hören. In knapp 50 Metern Entfernung krallt sich eine Gruppe Menschen in einen Bauzaun. Die Räder des Modellflugzeugs rollen über den Rasen. Erst langsam, dann immer schneller. Nach 40 Metern hebt der Flieger aus Kohlefaser mit zwei Metern Spannweite ab.

Die Teilnehmer kommen aus 13 Ländern - auch aus der serbischen Hauptstadt Belgrad sind Akteure angereist. (Foto: Robert Haas)

Mehr als 250 Studierende haben sich in dieser Woche auf einem Gelände der Technischen Universität (TU) München eingefunden. Inmitten von Getreidefeldern, etwas außerhalb des Forschungszentrums Garching, treten 26 Teams im Modellflug gegeneinander an. Gesprächsfetzen auf Spanisch, Tschechisch und Türkisch vermischen sich mit der Musik, die das Gelände beschallt: "99 Luftballons". Die Teams sind aus 13 Ländern angereist. Neben europäischen Teams nehmen auch Studenten aus China und Mexiko an dem Wettbewerb teil.

Barlas Türkyilmaz gehört zum Verein Aka-Modell München, er ist Mitorganisator der Air Cargo Challenge 2022. Die dahinter stehende Studentengruppe an der TU München wurde 1999 gegründet. Seitdem entwickeln, konstruieren und steuern die Studenten ferngelenkte Modellflugzeuge. Vor drei Jahren hat sich der Verein in Stuttgart gegen 27 Kontrahenten durchgesetzt und den Wettbewerb gewonnen. Neben dem Pokal hat das Münchner Team die Aufgabe mitgenommen, die diesjährige Air Cargo Challenge auszurichten. Selbst teilnehmen dürfen die Münchner allerdings diesmal nicht. "Am meisten Spaß hat man, wenn man selbst etwas baut und dann fliegen sieht", sagt Türkyilmaz, der kürzlich seinen Master in Luft- und Raumfahrttechnik an der TU München abgeschlossen hat. Für ihn sei es aber spannend zu sehen, wie sich die verschiedenen Teams der Flugaufgabe stellen.

Til Röder von der Technischen Hochschule Aachen belädt das Flugzeug mit einer unechten Blutkonserve. (Foto: Robert Haas)

Die Aufgabe der diesjährigen Air Cargo Challenge ist es, eine vorher definierte Last in zwei Minuten Flugzeit möglichst weit zu transportieren. In die Wertung fließt auch mit ein, wie schnell das Modellflugzeug be- und entladen wird. "Es gibt 1000 Wege, diese Aufgabe zu lösen", sagt Türkyilmaz. Das Team "Chicken Wings" der Technischen Universität Prag hat die Last zum Beispiel in die Tragflächen des Flugzeugs gesteckt, um den Luftwiderstand möglichst gering zu halten. Die Traglast hat eine außergewöhnliche Form: Bei den vergangenen Wettbewerben wurden einfache Stahlplatten verwendet. Dieses Jahr sind es unechte Blutkonserven aus einem Wasser-, Stärke- und Farbstoffgemisch, die allerdings täuschend echt aussehen - zumindest die rot gefärbten. Es gibt drei Farben, die jeweils für ein anderes Gewicht stehen: rot für 300 Gramm, blau für 200 Gramm und giftgrün für 100 Gramm.

"Hier kann man sich mal ein bisschen die Hände dreckig machen", sagt Türkyilmaz. In der Uni sitze man nur im Hörsaal und habe selten die Gelegenheit, etwas zu bauen und das erlernte Wissen anzuwenden. Dazu seien diese Wettbewerbe ideal, so der 25-Jährige, der durch die Mitarbeit bei Aka-Modell an eine Werkstudenten-Stelle und schließlich zu einer Festanstellung bei einem Dienstleister für Airbus in Hamburg gekommen ist. "Das Projekt hat mir einige Türen geöffnet."

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Das Gelände, auf dem der Wettbewerb stattfindet, gleicht einem Zeltplatz bei einem Musikfestival. Einige laufen barfuß über die Wiese, aus den Boxen dröhnt Musik. Ein Duft von Sonnenmilch liegt in der Luft. Mehrere Pavillons sind aufgebaut, um die Teilnehmer vor der erbarmungslosen Sonne zu schützen. Wer an eine Kappe oder einen Strohhut gedacht hat, ist klar im Vorteil. Til Röder studiert an der Technischen Hochschule Aachen. Er belädt ein Modellflugzeug mit den blutroten Beuteln. Knapp drei Kilogramm kann der Flieger laden - das sind neun Beutel. "Letzten Sonntag haben wir unser bestes Flugzeug bei einem Testflug komplett zerlegt und mussten eine Nachtschicht einlegen", sagt der 26-jährige Student. Das ist bitter: Zwei Jahre Arbeit waren dahin. Aber mit wenig Schlaf und viel Aufwand haben die Studenten die Nacht zum Tag gemacht und ein Ersatzflugzeug zusammengebaut.

Das Modellflugzeug des Prager Teams "Chicken Wings" gleitet durch die Luft. (Foto: Robert Haas)

Lautlos gleitet gerade ein Modellflugzeug durch die Luft. Die meisten Flieger sind schwarz und reflektieren die Sonnenstrahlen, sodass bei der kleinsten Bewegung ein Lichtspiel entsteht. Um den Flug ungestört beobachten zu können, schirmen die meisten ihre Augen mit der Hand ab. Würde Batman sein Flugzeug ausmustern, er hätte keinerlei Probleme, auf dem Gelände einen neuen "Batwing" zu finden.

Die Modellflugzeuge sind ferngesteuert. Auf den Flugplatz darf nur der Pilot und eine Person als Begleitung - der Rest des Teams bleibt, zusammen mit den anderen Mannschaften, bangend am Bauzaun zurück. Insgesamt drei Minuten Flugzeit haben die Teams. Eine Minute, um auf 100 Meter zu steigen und die restliche Zeit, um so viel Strecke wie möglich zurückzulegen. Ein Student der Gruppe aus Aachen schaut auf seine Uhr: "Noch 25 Sekunden." Das Team ist besorgt, wegen der Landung. Die ultraleichten Räder aus dem 3-D-Drucker müssen ganz sanft auf die Landebahn gesetzt werden. Henry Schmidt, der Aachener Pilot, setzt zur Landung an. Wind kommt auf. Das Flugzeug wackelt beträchtlich und steigt wieder. Noch eine Runde. Wieder setzt Schmidt zur Landung an. Diesmal sind die Rollen auf der Wiese. Das Modellflugzeug rollt und rollt, bis in das angrenzende Maisfeld. Am Bauzaun halten die Akteure die Luft an. Ist das Flugzeug kaputt, ist die Wertung dahin. Schmidt trägt das Modellflugzeug zurück. "Der lächelt doch", ruft ein Student. Schmidt reckt den Daumen nach oben. Alles gut.

Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass sein Team am Ende den Sieg davontragen wird.

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