Was wurde aus?:Der Berg ruft immer weiter

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Michael Pause am Seehamer See. (Foto: Florian Peljak)

Michael Pause, 40 Jahre das Gesicht von "Bergauf Bergab" im Bayerischen Fernsehen, ist weiter aktiv. Immer dabei: Filme über Felsen.

Von Thomas Becker

Was dann doch überrascht, wenn man Michael Pause daheim in Kleinseeham besucht: kein Bergblick, nirgends. "Wenn ich den Wald da drüben wegräumen würd', könnt' ich den Wallberg sehen", sagt er und zeigt nach Süden, rüber zu diesem impertinenten Stück Mischwald, das sich da einfach in der Botanik breitgemacht hat. Und so muss der Mann, der für viele bayerische Bergfreunde 40 Jahre lang das Fernsehgesicht von "Bergauf-Bergab" im BR gewesen ist, tatsächlich ein paar Seillängen hinüber zum Seehamer See laufen, um einen Blick auf seine geliebten Berge werfen zu können. Stören tut ihn das nicht. "Ich lebe hier im Paradies", sagt er und wirft einen Panoramablick auf Bauernhaus, Biergartentischterrasse und Obstbaumwiese samt Getier, "und ich bin ganz froh, dass ich jetzt schon im Paradies lebe - denn was hinterher kommt, weiß man ja nicht so genau."

Das stimmt natürlich, aber ein paar Gewissheiten gibt es ja doch in diesem Leben. Zum Beispiel die, dass wenn am Mittwochabend um acht im schönen Barocksaal des Klosters wieder das Tegernseer Bergfilmfestival eröffnet wird, nur Pause derjenige sein kann, der da die Begrüßung spricht. Im 20. Jahr tut er das nun schon: Lust machen auf Bergfilm, Vorfreude schüren auf fünf Tage Filmkunst aus aller Welt. 165 Filme aus 28 Ländern hat er mit seinem Team gesichtet, 65 haben es ins Programm geschafft, die Shortlist für die Jury umfasst immer noch stramme 30 Stunden Material zum Oberthema Berg. In Tegernsee geht es nämlich seit Jahr und Tag nicht um Outdoor und Abenteuer, um Wüsten- oder Packeis-Durchquerungen wie auf vielen anderen Filmfestivals, sondern um das pure Pur. Pause sagt: "Der Berg gibt genug her."

Wohl wahr, sonst hätte der in wenigen Wochen 71-Jährige nicht den allergrößten Teil seines Lebens ebendort verbracht. Dass die Einschläge allmählich näher kommen, sei ihm in diesem Frühjahr klar geworden: "Ich musste heuer schon sechs Grabreden halten." Die drei allerbesten Lebensfreunde waren dabei, darunter Hermann Magerer, sein früher Förderer beim Bayerischen Rundfunk und 20 Jahre lang sein Chef bei "Bergauf-Bergab". Als der 1998 in Rente geht, übernimmt Pause, für weitere 20 Jahre, ehe er die Moderation des halbstündigen BR-Klassikers vor fünf Jahren an Michael Düchs übergibt.

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Den Bergen ist Pause natürlich dennoch treu geblieben, auch wenn vor zwölf Jahren ein künstliches Kniegelenk fällig war, die Spätfolge seiner großen Leidenschaft: das Skifahren. Sein Glaubensbekenntnis: "Mich hat der liebe Gott auf die Welt geschickt und gesagt: 'Du wirst Skifahrer!' Dafür bin ich ihm sehr dankbar." 1969 bricht er sich beim Abfahrtstraining der Deutschen Jugendmeisterschaften das Schienbein über dem Skischuhrand. Ein handelsüblicher Unfall, doch die Knochen wollen einfach nicht zusammenwachsen: "15 Wochen, vom 27. Februar bis 15 Juli, hatte ich Gips bis obenhin - das ist fatal bei einem 17-Jährigen, bei dem ja schon noch was wächst." Der erste Knorpelschaden lässt nicht lange auf sich warten, dennoch entscheidet er sich gegen die Kriegsdienstverweigerung, "was moralisch notwendig gewesen wäre", und für ein Jahr bei der Bundeswehr: zum Skifahren, Sportschule Sonthofen. Drei Mal lädt ihn der Deutsche Skiverband im Herbst zum Trainingskurs ein, er wird bei Deutschen Meisterschaften Fünfter und Sechster in Slalom und Abfahrt, auch ein paar Mal Münchner Jugendmeister - und schwärmt heute noch: "So ein faszinierender Sport. Dieses Körpergefühl, dieses Spiel mit Gelände, Schwer- und Fliehkraft: Da hast du die ganze Welt für dich."

Vater und Mutter sind Klasse-Skiläufer in den 20er- und 30er-Jahren

Die Vorbilder sitzen daheim in Irschenhausen bei Icking am Esstisch: Vater und Mutter, Klasse-Skiläufer in den 20er- und 30er-Jahren. Mit ihren sechs Kindern gehen sie sommers wie winters ins Gebirge: Jochberg, Herzogstand, Rotwand, Ruchenköpfe. Murmelt man beiläufig etwas von "Hobby zum Beruf gemacht", wird Pause deutlich: "Journalismus war nie mein Hobby." 1974 ist er in der 13. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule in München und Teil eines Modellversuchs: Studium plus Journalistenausbildung. "Da hab' ich schon 18 Semester zustande gebracht - und keinen Magister", erzählt er lachend, "mit zwei Kindern und schon auf dem Berge-Gleis - was ich gar nicht angestrebt hatte." Eigentlich will der junge Pause nämlich SZ-Korrespondent in Washington werden.

1969/70 landet Pause mit 17 als Austauschschüler "am kältesten Ende der USA", in Nord-Minnesota. Der älteste Sohn der Gastfamilie kämpft in Vietnam - eine spannende Erfahrung für den politisch interessierten Spät-68er. Bei einer Exkursion mit der United Methodist Church nach Washington springen am Ende vier Wochen in Capitol Hill heraus, nachdem er einen Abgeordneten einfach nach einem Praktikum gefragt hat. Sein Job: im Büro der United Methodist Church, direkt beim Supreme Court, interessante Gesprächspartner für die Besuchergruppen organisieren. Wann immer möglich besucht er Senats- oder Kongress-Hearings, es ist Nixon-Zeit, wie spannend. Aber nochmal: Das Hobby zum Beruf, das habe sein Vater Walter gemacht, 1967 Autor des Bestsellers "Münchner Hausberge". Als sich beim Senior Alzheimer ankündigt, vollendet der Junior das letzte Buch von Vaters Serie: "Die 100 Touren waren fix, mussten nur noch geschrieben werden."

Beim BR landet er zunächst als Sprecher, wird aus 700 Bewerbern ausgewählt

Das Schreiben ist nicht Pauses einzige Begabung. Im Studium beschäftigt er sich mit Politik, Geschichte und Zeitungswissenschaften, das Mitte der 70er-Jahre zu KW werden sollte: Kommunikationswissenschaften. Sein erstes Praktikum führt ihn 1975 nach Schwabmünchen und Wertingen, in die Lokalredaktionen der Augsburger Allgemeinen. Beim BR landet er zunächst als Sprecher, wird aus 700 Bewerbern ausgewählt: der Anfang einer langen, aber nicht immer wunderbaren Freundschaft, wie er sagt: "Diese 20 Jahre als Festangestellter waren nicht die besten Jahre. Ich bin einfach kein Mensch für Behörden. Ich hatte tolle Kollegen, aber auch drei oder vier, die ich nie mehr sehen möchte."

Michael Pause als Moderator von "Bergauf Bergab". (Foto: BR/Youtube)

Auch die Genese des Tegernseer Bergfilmfestivals, dessen Direktor Pause vor 20 Jahren werden sollte, ist ein Lehrstück in Sachen Medienpolitik. Der Dokumentarfilmer Otto Guggenbichler, Spitzname "Alpen-Otto", ein BR-Urgestein, sieht sich in den 60er- und 70er-Jahren als Inbegriff der Bergsteiger-Fernsehredaktion, war zuvor Italien-Korrespondent, hatte dort das Bergfilmfestival Trient kennengelernt und sich gefragt: Warum gibt es so was nicht im Mutterland des Genres Bergfilm? Zum Beispiel bei ihm daheim in Tegernsee. Guggenbichler weiß: Ohne die Unterstützung des BR wird es nicht gehen. Und irgendwie muss dieser Apparat doch gewonnen werden können, nur wie? Ein Brief, warum nicht.

Und so beauftragt der Bürgermeister den bekannten Bergauf-Bergab-Redakteur, einen Brief an den Intendanten zu entwerfen, mit der Bitte, der BR möge das geplante Festival als "ideeller Partner" unterstützen. Wochen später hat der Brief den Weg durch die Abteilungen zurückgelegt: von der Intendanz in die Fernsehredaktion, weiter in die Hauptabteilung Sport und Freizeit und schließlich in die Redaktion Freizeit, zuständig für die Bergsteigersendung Bergauf-Bergab. Der Brief landet also auf dem Schreibtisch genau des Redakteurs, der ihn für den Bürgermeister entworfen hatte, versehen mit dem Vermerk "Mit der Bitte um Antwortentwurf". So geht Bürokratie.

Pause entwirft also wieder einen Brief, antwortet sich quasi selbst, lässt die entscheidende Passage offen, da er die Meinung des Intendanten zwar ahnt, aber die Entscheidung nicht treffen kann. Zwei Tage später ruft die Referentin des Fernsehdirektors an und fordert ihn barsch auf, den Brief gefälligst komplett zu formulieren. Auf Pauses Einwand, er kenne die Entscheidung des Intendanten doch gar nicht, blafft die Dame ins Telefon: "Des hamm' Sie doch sowieso schon alles ausgschnapselt." Kurz darauf landet in Tegernsee ein freundlicher, vom Intendanten unterzeichneter Brief mit der Zusage, das Bergfilm-Festival zu unterstützen. Ein Happy End, aber kein Selbstläufer. Am Anfang, so Pause, habe ja keiner gewusst, ob das was wird.

Erstmals gibt es an der Point ein großes Festivalzelt mit 400 Plätzen

Es wurde. Viele Freiwillige helfen mit, die örtliche DAV-Sektion und deren Videoclub, auch ein prominenter Schirmherr ist bald im Boot: Heiner Geißler. Ein Verdienst des Tegernseer Bürgermeisters, der zugleich auch Präsident des Hängegleiter-Verbands war, dem auch der ehemalige CDU-Generalsekretär angehörte. Festivaldirektor Pause sagt: "Ein Glücksgriff. Der Mann war Profi durch und durch - und fast in jedem Jahr da. Und er hatte immer eine gute Botschaft. Bei einer Podiumsdiskussion mit ihm zum Thema Sport und Natur hatten wir 199 Plätze im Saal, aber 320 Besucher!" Eine Marke, die sie heuer sogar toppen wollen: Erstmals gibt es an der Point ein großes Festivalzelt mit 400 Plätzen, das erst mal gefüllt werden will.

Pause freut sich natürlich, wenn es am Mittwochabend wieder losgeht in Tegernsee. Was nicht heißt, dass ihm sonst langweilig ist. Da ist noch der Job als Vorsitzender der DAV-Sektion Alpenklub Berggeist, einem illustren Sammelsurium an Alpin-Prominenz von den Huberbuam bis zum Sicherheits-Papst Pit Schubert. Und da sind natürlich Frau, zwei Kinder und fünf Enkel. Gerade um Letztere will er sich vermehrt kümmern, sie auf die Skier stellen, mit ihnen in die Berge gehen und viel mit ihnen lesen. Eine Schlüsselqualifikation, findet er. Denn: Was hinterher kommt, weiß man ja nicht so genau.

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