Nachruf:Feinsinniger Apologet der Freiheit

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Hans Krieger war ein Intellektueller im klassischen Sinne. (Foto: Hans Kratzer)

Die Texte des Essayisten, Lyrikers und Übersetzers Hans Krieger fanden in fast allen großen deutschen Blättern und Zeitschriften ihren Niederschlag. Kurz vor seinem 90. Geburtstag ist er in Landshut gestorben.

Von Hans Kratzer, Landshut

Gerne hat Hans Krieger erzählt, als verantwortlicher Kulturredakteur der Bayerischen Staatszeitung sei er der "freieste Journalist in ganz Deutschland" gewesen. Von 1962 bis 1998 hatte er diese Position mit großer Strahlkraft ausgefüllt, und als Frucht dieser Freiheit erwuchsen bedeutende Essays zu Themen wie Moral und Bioethik, aber auch zur Kunstkritik und zur Kulturpolitik. Seine Texte fanden in fast allen großen deutschen Blättern und Zeitschriften ihren Niederschlag.

Krieger zählt zu den wortmächtigsten Autoren, die nach dem Krieg aus der Medienstadt München hervorgegangen sind. Die Zeitschrift Literatur in Bayern würdigte ihn einmal als "eine der Stimmen, die die Welt ein bisschen größer machen, weil sie das Feld des Sagbaren Stück für Stück erweitern." Vor allem seine Schriften zur Psychoanalyse machten Krieger alle Ehre. 1997 erhielt der gebürtige Frankfurter, der seit 1947 in Bayern lebte, den Friedrich-Märker-Preis für Essayisten. Auch als Übersetzer erwarb er sich Meriten, unter anderem übertrug er die Gedichte des französischen Lyrikers Paul Verlaine (1844-96) ins Deutsche.

Im Ruhestand widmete er sich mit Leidenschaft der Lyrik, aber nicht im Sinne von Gottfried Benn, der behauptete: "Gedichte entstehen nicht, sie werden gemacht." Das stimme nicht mal bei Benn, meinte Krieger. Gedichte seien vielmehr ein "Aufbrechen von innen", sie seien "Musik aus Worten". Die Lyrik Kriegers bewegt sich zwischen Gesellschaftssatire und Kapitalismuskritik, sie ist von Sprachwitz, aber auch von Skepsis getragen. Sein 11. und letzter Gedichtband wird in gut drei Wochen erscheinen (Herbstblätter - 37 Spätlichtgedichte, Elfenbein-Verlag).

Hans Krieger wohnte zuletzt zusammen mit seiner Frau, der Malerin Christine Rieck-Sonntag, in Landshut. Mit ihr war er mehr als 20 Jahre verheiratet. Ihre Reisen, unter anderem nach Amerika, inspirierten das Paar anschließend zu diversen Kunstprojekten. Christine Rieck-Sonntag illustrierte dabei Kriegers Bücher mit Zeichnungen und Bilderzyklen. "Eigentlich bin ich nur durch die Beziehung zu Christine zum Dichter geworden. Ich schrieb ihr Liebesgedichte", sagte Hans Krieger noch vor kurzer Zeit.

Die Malerin Christine Rieck-Sonntag und ihr Mann, der Lyriker und Essayist Hans Krieger, inspirierten sich jahrzehntelang als Künstler gegenseitig. (Foto: Hans Kratzer)

Zu seinen Herzensthemen zählte auch die Rechtschreibreform, die er als einer der Hauptwortführer redlich bekämpft hat. Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter würdigte ihn damals als einen "unerbittlichen Kritiker des Sprachzerfalls". Krieger geißelte die Reform als einen anmaßenden Eingriff des Staates, dessen Folgeschäden täglich zu beobachten seien. Sei es in der grammatikwidrigen Schreibung, in der allgemeinen Desorientierung und in der Beliebigkeit der Getrennt- oder Zusammenschreibung, was in der Summe das Sprachverständnis empfindlich verletzt habe.

Hans Krieger war ein Intellektueller im klassischen Sinne. Seine Fähigkeit, ohne jegliche Ablenkung in die Welt der Sprache und der Wissenschaften einzutauchen, schärfte er nicht zuletzt dadurch, dass er weder einen Fernseher noch einen Computer benützt hat. Seinen Gedanken eine solche Freiheit zu schenken, das war in diesen aufgeregten Zeiten etwas Besonderes. Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag ist Hans Krieger am 9. Januar in Landshut gestorben.

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