Lesung:Münchner Mandarinenimperium

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Der Urgroßvater wanderte von Sizilien nach München aus und wurde mit dem Handel von Zitrusfrüchten reich - Mario Giordano hat seine Familiengeschichte in einem Roman verarbeitet. (Foto: Viktor Strasse)

Mario Giordano stellt seinen neuen Roman "Terra di Sicilia" im Literaturhaus vor.

Von Josef Grübl

Dieses Mal geht es in die entgegengesetzte Richtung: Während seine Tante Poldi von München nach Sizilien auswanderte, zieht es seinen Urgroßvater Barnaba aus dem sizilianischen Taormina in die bayerische Landeshauptstadt. Mario Giordano ist deutscher Schriftsteller mit italienischen Wurzeln, in seinen Büchern greift er mitunter auf seine eigene Familiengeschichte zurück. So etwa bei den fünf Kriminalromanen rund um die bayerische Tante Poldi, die im Alter von sechzig Jahren nach Sizilien auswandert und es dort mit Kriminalfällen, einem attraktiven Commissario und ihrem Neffen mit Schriftstellerambitionen zu tun bekommt.

Noch familiärer wird es in Giordanos neuem Roman "Terra di Sicilia - Die Rückkehr des Patriarchen" (Goldmann), darin erzählt er die Geschichte Barnabas und seiner Nachkommen. Das klingt ein bisschen so, als hätte der Autor eine Chronik seiner Familie verfasst. Doch eins zu eins sei das alles nicht passiert, sagte er jüngst in einem Radiointerview: "Ich habe mir einiges davon ausgedacht." Das macht er aber so geschickt, dass man sich bei der Lektüre immer wieder fragt, welche der Story-Wendungen der Realität entspringen könnten - und welche der Fantasie ihres Schöpfers. Fakt ist, dass Giordanos Urgroßvater Ende des 19. Jahrhunderts unter ärmlichen Bedingungen in Sizilien aufwuchs, nach München auswanderte und mit dem Handel von Zitrusfrüchten reich wurde. Und das, obwohl er Analphabet war und kein Deutsch sprach.

Weitere Teile sind geplant

Gleich zu Beginn des Buchs führt Giordano diesen Barnaba als Mann ein, der "24 Kinder gezeugt, einen Menschen getötet und ein Mandarinenimperium gegründet" habe. Bevor es aber soweit ist, stirbt Barnabas Vater bei einem Erdbeben und verdient sein erstes Geld als Aktmodell des deutschen Fotografen Wilhelm von Gloeden. In der Folge geht es nach Taormina, Catania und München, die Jahrzehnte vergehen, neue Generationen wachsen heran. Und die 24 Kinder? "Es sind Zyklopen, Sirenen mit durchscheinenden Fischschwänzen, bocksfüßige Faune, fuchsnasige Trolle, schlangenköpfige Medusen, Nymphen, Elfen und ein Zwitterwesen von herzzerreißender Anmut, wie ganz aus Milch gegossen." Sprich: Barnaba zeugt zwar viele Kinder, aber nur wenige davon überleben.

Giordano erzählt das mit großer Lust am Fabulieren, "Terra di Sicilia" soll ein mehrere Generationen umspannendes Familienepos werden: Die 544 Seiten des Romans sind erst der Anfang, er plant bereits weitere Teile. Dafür lässt der 1963 in München geborene Schriftsteller seine beliebte "Tante Poldi"-Reihe erst einmal ruhen. Auch als Drehbuchautor ist Mario Giordano erfolgreich: Für den 2001 erschienenen Kinohit "Das Experiment" mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle adaptierte er seinen eigenen Roman "Black Box" und gewann dafür den Bayerischen Filmpreis für das beste Drehbuch. Seitdem hat er viele "Tatort"-Episoden verfasst, unter anderem für die Ermittler aus Köln, Leipzig oder Ludwigshafen. Bei einer Lesung im Literaturhaus stellt der Wahlberliner dem Münchner Publikum nun seinen Roman vor.

Mario Giordano: Terra di Sicilia, Di., 22. März, 20 Uhr, Literaturhaus, Salvatorplatz 1, Saal- und Streamtickets: www.literaturhaus-muenchen.de

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