Zeitzeuge:Garchinger Mittelschule trägt Max Mannheimers Namen

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Bei einer berührenden Feier in der Garchinger Mittelschule verneigen sich Angehörige, Festredner wie Schüler vor einem großen Menschen.

Von Gudrun Passarge, Garching

Die alten Schuhe sind mit Blumen geschmückt. Sie führen über den Schulhof direkt zu einer Ausstellung über den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer. Aus gutem Grund. Die Schüler der Mittelschule haben sich auf den Weg gemacht zu diesem herausragenden Menschen, der jetzt Namensgeber der Garchinger Mittelschule ist.

Die Garchinger Max-Mannheimer-Mittelschule ist die erste Deutschlands

Die Max Mannheimer Mittelschule ist die erste in Deutschland, wie eine Vertreterin des Elternbeirats sagte. Die Gäste feierten das mit einer berührenden Veranstaltung, die von Schulleiterin Tatjana Pringsheim mit ihren Kollegen und den Schülern liebevoll und mit großem Engagement vorbereitet worden war. Nicht nur seine langjährige Freundin Schwester Elija Boßler aus Dachau stellte hinterher fest: "Das war so herzlich. Er hätte sich riesig gefreut."

Großes Auditorium: Die Max-Mannheimer-Mittelschule feiert ihren Namen mit einem bewegenden Fest.

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(Foto: Florian Peljak)

Auf der berührenden Veranstaltung musiziert die Schulband mit Sängerin Franziska Beck.

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(Foto: Florian Peljak)

Charlotte Knobloch (links) und Schulleiterin Tatjana Pringsheim erinnern an den Mann, von dem der Satz stammt: "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon."

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(Foto: Florian Peljak)

Auch die Familie des Zeitzeugen nimmt an der Feier teil: Tochter Eva Faessler (von links) mit Ehemann Martin. Urenkel Samuel frägt nach der Symbolik auf dem Wappen der Kette von Bürgermeister Dietmar Gruchmann.

Dass Max Mannheimer, der zuletzt in Haar lebte, ein außergewöhnlicher Mensch war, durchzog die ganze Veranstaltung. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD), Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und Mannheimers Enkelin Judith Faessler hatten es übernommen, an den Mann zu erinnern, von dem der Satz stammt: "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon." Alle waren sich einig, dass die Schule genau der richtige Ort ist, Mannheimers Namen zu tragen. Gruchmann erinnerte an Veranstaltungen mit dem Zeitzeugen, der gegen das Vergessen kämpfte. Die Zuhörer, ganz gleich ob jung oder alt, lauschten ihm "mucksmäuschenstill", "sein mahnendes ,Nie wieder', klang lange nach".

Mannheimers Mahnung scheint aktuell wie selten

Der Bürgermeister nutzte den Tag auch, um mahnende Worte auszusprechen. Er sprach vom Privileg, in einer Demokratie leben zu dürfen, die aber jetzt von Kräften in ganz Europa bedroht werde, die sich anschickten "unserer Demokratie, dem Pluralismus und der Völkerverständigung zu schaden". Einfach Lösungen und Sündenböcke "in der Regel Migranten oder ,der Staat'" würden "viel zu oft und allzu dankbar aufgenommen". Gruchmann appellierte an die Schüler, auf ihre eigene Stimme zu hören, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen, sich zu informieren. "Seid gerecht zum anderen, helft Euch gegenseitig und haltet zusammen. Ihr werdet den Gewinn dieser Geisteshaltung bald erkennen. Das sollte der Geist der Max Mannheimer Schule sein." Mannheimer zu Vorbild zu nehmen, "damit könnt Ihr nie falsch liegen".

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Worin dieser Vorbildcharakter liegen könnte, machte seine Enkelin deutlich. Sie erzählte von ihrem letzten Besuch 2016 im Krankenhaus, kurz vor seinem Tod. Ihr Sohn machte sich Sorgen, ob das Bein des Urgroßvaters gelähmt bleiben werde und Mannheimer antwortete: "Ancelotti wird noch eine Weile auf mich verzichten müssen." Das sei eine der Besonderheiten ihres Großvaters gewesen, "das Überspielen des Unerträglichen mit Schalk und Unbeschwertheit". Die Enkelin stellte fest: "Humor ist eine starke Waffe und ein Selbstschutz." Faessler betonte, "wir können wieder viel von ihm lernen." Der Großvater habe stets auf zwei Dinge großen Wert gelegt: "Freiheit und Menschlichkeit". Menschlichkeit habe er auch in der eigenen Familie über seine Prinzipien gestellt. Und wenn die Tochter traurig war, dass in dem atheistischen Haushalt kein Nikolaus kam, habe er das sofort nachgeholt. Er sei offen auf andere Menschen zugegangen, ohne Vorbehalte. Selbst mit Neo-Nazis suchte er das Gespräch.

"Er wollte Frieden und keine Rache"

Mannheimer, der vier Konzentrationslager überlebt hatte, sprach davon, dass er von Auschwitz geprägt, "aber nicht bestimmt worden" sei. Er habe kein Opfer sein wollen, stattdessen lebte er Versöhnung und bemühte sich, Brücken zu bauen. "Er war nicht Ankläger oder Richter, wie er stets betonte, sondern Zeitzeuge." Ein Mensch, der sich schon zu Lebzeiten sein eigenes Denkmal geschaffen habe, sagte Charlotte Knobloch.

Auf den Weg gebracht hatte die Namensgebung Christian Rotter, früherer Ortsvorsitzender der SPD. Auch er hatte sich unter das fröhliche Treiben an der Schule gemischt. Und was sagen die Schüler zum neuen Namen? Lara, 11, und ihre Klasse, die 6a, haben ein Video über Mannheimers Leben zusammengestellt. Was sie wichtig findet: "Dass er Frieden wollte und keine Rache."

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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