Überhitzter Wohnungsmarkt:Urlaubsdomizil statt Mietwohnung

Lesezeit: 2 min

Mietwohnungen werden zweckentfremdet und an Urlauber vergeben. (Foto: dpa)

Kommunen prüfen Zweckentfremdungssatzungen, um die Umwandlung von Wohnraum zu verhindern.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Wer "Advent in Munich" verbringen will, kann das für 54 Euro pro Nacht. Nicht direkt in der Landeshauptstadt, aber "in Ottobrunn im Südosten von München", in einer "comfy flat": 54 Quadratmeter, ein Schlafzimmer - "eine supergemütliche Ferienwohnung", angeboten von privat im Internet, auf dem Community-Marktplatz Airbnb.

Eine Wohnung, die dem klassischen Markt in einer vollkommen überhitzten Region mit horrenden Mietpreisen entzogen wird.

Wohnraum in den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises München ist knapp und die Instrumente, die den Kommunen zur Verfügung stehen, um gegenzusteuern, sind es auch. Ein Werkzeug allerdings hat Interesse bei vielen Bürgermeistern, Verwaltungen und Kommunalpolitikern geweckt: die Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, kurz: Zweckentfremdungssatzung. Die Landeshauptstadt versucht seit 2013 damit zu verhindern, dass Wohnraum umgewandelt wird.

"Natürlich ist das auch für uns ein sehr interessantes Thema. Wir haben uns schon im Oktober 2016 mit der Stadt zusammengesetzt und uns über die Satzung informieren lassen", sagt Unterhachings Wirtschaftsreferent im Rathaus, Simon Hötzl. "Die Probleme, die München plagen, spüren wir genau so. Es gibt zu wenig Wohnungen, zu viele werden privat vermietet oder gewerblich genutzt", sagt Hötzl. Auch bei den Nachbarn in Ottobrunn ist die Zweckentfremdungssatzung mittlerweile ein Thema. SPD-Gemeinderat Konstantin Diederichs wollte von der Verwaltung diese Woche wissen, ob die flächenmäßig kleinste Kommune des Landkreises eine solche Vorschrift ebenfalls benötige. Die Antwort von Hauptamtsleiter Wolfgang Walter lässt kaum Zweifel aufkommen: "Ottobrunn ist absolut gefährdet, was günstigen Wohnraum angeht. Hier sind die Voraussetzungen für eine Satzung grundsätzlich gegeben."

Dies liegt zum einen an den weiter steigenden Mietpreisen in allen Kommunen des Landkreises. Nahezu tausend Euro für eine 61 Quadratmeter große Wohnung mit zwei Zimmern in Unterschleißheim sind längst der Normalfall. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Wohnungen in Kirchheim liegt längst weit über 14 Euro. In Ottobrunn sind es für Wohnungen bis 80 Euro Quadratmeter mehr als 22 Euro.

Der Wohnungsmarkt unterliegt aber auch dem Faktor Leerstand. In Grünwald etwa wird eine "tolle Villa mit sieben Schlafzimmern" über Airbnb angeboten. Kostenpunkt: Ab 48 Euro pro Nacht. Es stehen einfach zu viele Wohnungen leer, sagt Unterhachings Wirtschaftsreferent Hötzl. "Das liegt an vielen Erbschaftsstreitereien, aber auch langen Auslandsaufenthalten", sagt er. "Auch diese Wohnungen fehlen."

Warum also scheuen die Kommunen des Landkreises bisher, der Landeshauptstadt nachzueifern und eine Zweckentfremdungssatzung einzuführen? "Der Verwaltungs- und Personalaufwand ist gewaltig", sagt Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland von den Freien Wählern. In seiner Gemeinde habe es bisher keine Beschwerden von Bürgern über zweckentfremdete Wohnungen gegeben, anders als etwa in Unterhaching. "Aber wir haben das Problem auf dem Schirm. Wenn uns der Notstand wie in München erreicht, dann müssen wir reagieren."

Die Erarbeitung der Satzung ist laut Hötzl nicht das Problem. Vielmehr sei es "extrem aufwendig, die Wohnungen aufzuspüren", die zweckentfremdet werden. "Die Landeshauptstadt setzt für die Umsetzung und Anwendung der Satzung bis zu zehn Angestellte ein", sagt Ottobrunns Hauptamtsleiter Walter. Zugleich gibt es in der Landeshauptstadt sogenannte Erhaltungssatzungen, die Mieter vor der Verdrängung aus ihrem Viertel schützen sollen. Mit diesen Vorschriften werden alle baulichen Maßnahmen abgelehnt, die zu einem überdurchschnittlichen Standard der Wohnungen führen. So geschützt werden in München etwa 150 000 Wohnungen mit mehr als 260 000 Bewohnern.

Rechtsmittel allein aber genügen nicht, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Die Kommunen, sagt Hötzl, müssten auch ihren Beitrag leisten. Unterhaching tue dies mit einer kommunalen, gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft, die weit mehr als 300 Wohnungen gebaut hat und verwaltet. Pullach im Isartal hat mit 565 gemeindeeigenen Einheiten die höchste Dichte an kommunalen Wohnungen im Landkreis.

Dort ist das Thema Zweckentfremdung laut Grünen-Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund "noch nicht präsent". "Wenn einmal ein Antrag bei uns auf Umwidmung eingeht, dann will zum Beispiel ein Arzt eine Praxis in einer Wohnung aufmachen", sagt Tausendfreund. Hier gilt offenbar, was Hötzl fordert: "Wohnungen müssen bewohnt werden."

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: