Konzert:Der Beat von Servus, Salam und Shalom

Lesezeit: 3 min

Achim "Waseem" Seger. (Foto: Steffi Adam/imago images/Future Image)

Der Hip-Hop-Aktivist und Rapper Achim "Waseem" Seger ist Muslim und mit einer Jüdin verheiratet. Auch bei seinen Auftritten am Wochenende in Neubiberg und München wirbt er für das Gemeinsame und den Frieden - gerade angesichts der Eskalation in Nahost.

Von Udo Watter, Neubiberg/München

Wer Räume schaffen will, braucht Zeit. Und davon hat Achim Seger aka Waseem eigentlich nie genug. Der 1985 in München geborene Hip-Hop-Aktivist und Rapper ist mehr als ein musikalischer Performer, der mit charakteristischer Gestik lässig rhythmisierte Lyrics auf der Bühne artikuliert. Achim "Waseem" Seger, diplomierter Betriebswirt, ist unter anderem Fachbereichsleiter für Jugendarbeit in der Migrationsgesellschaft beim Bezirksjugendring Oberbayern und Landesvorsitzender der Hip-Hop-Partei "Die Urbane" - auf der Liste der Linken kandidierte er gerade für den Bayerischen Landtag.

Zudem beteiligt sich der Bayer mit ägyptischen Wurzeln, der als gläubiger Muslim mit einer Jüdin verheiratet ist und ein Kind hat, an der Organisation von Festivals wie dem gerade laufenden "Ausarten-Festival", bei dem ein Schwerpunkt auf interkulturellem und interreligiösem Austausch liegt. Und auch mit sozialen Projekten zugunsten geflüchteter Jugendlicher hat er sich einen Namen gemacht.

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"Ich habe ein langfristiges Ziel. Ich will, dass diese Gesellschaft funktioniert", sagt er. Das heißt für ihn: "Ich will Räume kreieren." Auch und gerade für die, die sonst nur schwer sicht- und hörbar sind, die Unterrepräsentierten. An Energie, solche Ziele zu verwirklichen, scheint es Waseem nicht zu mangeln. "Die Kapazitäten sind das Problem", sagt er. "Es ist gerade super anstrengend."

Denn natürlich bräuchte es für Seger, der an diesem Freitag mit Kollegen aus der Münchner Hip-Hop-Szene ein Konzert in der Grundschule Neubiberg geben wird, in diesen Zeiten noch viel mehr Zeit. Wegen seines Engagements, wegen seiner speziellen persönlichen Biografie ist der Münchner im Schatten des Krieges in Nahost und dessen Auswirkungen auch auf Deutschland ein gefragter Mann. Einer, der sich äußert, der den Kontakt halten, das Versöhnende befeuern will: "Ich bin im täglichen Austausch mit jüdischen und muslimischen Freunden."

In Neubiberg wird er als MC Waseem zusammen mit MC Momo Novus auftreten, Beginn ist um 19 Uhr. Um Hamas, Israel, Gaza und die Frage nach der richtigen Positionierung im Nahost-Konflikt wird es da primär nicht gehen. Sondern erst einmal auch um das, wofür Hip-Hop ursprünglich steht: eine Subkultur, die als Sprachrohr fungiert für sozial unterprivilegierte Menschen, die damit auf strukturelle Missstände hinweisen. Dabei steht freilich nicht nur das Kritisieren mit Hilfe cooler Beats im Vordergrund, sondern auch ein simples, positives Motto: "Love, Peace, Unity." Der Hip-Hop oder speziell diese Art von Deutsch-Rap, der sich gern mit Bitches , Drogen und sonstigen sexistischen, materialistischen Angebereien befasst, hat hier keinen Platz.

"Wir sind nicht Mainstream. Wir sind kritisch und politisch, aber mit positivem Touch. Wertschätzend", sagt Waseem. So rappen er und Momo Novus, die in Neubiberg von Dr. Love an der Trompete und CCJ am Schlagzeug unterstützt werden, "vom Kommerz, der die Kultur vergiftet" - und meinen damit die Verwässerung dieser Subkultur, der es einmal um Empowerment ging, um Kampf gegen Rassismus und Klassismus. "Generell ist mir die Hip-Hop-Szene zu unpolitisch", sagt Waseem. Zu den weiter in Neubiberg angekündigten Special Guests gehören Queen Lizzy, Gündalein und Kokonelle, die, wie es heißt, auch gegen jede Form von Diskriminierung performen und - zusammen mit Waseem - einen Tag später, am Samstag im Münchner "Import Export" beim Ausarten-Festival "50 Jahre Hip-Hop" feiern.

Momo Novus und Waseem rappen in Neubiberg. (Foto: Pressefoto)

Servus, Salam und Shalom - das sind für Achim "Waseem" Seger keine leeren Begrüßungsformeln, er verlebendigt sie gleichsam durch seinen Werdegang. Mit seiner jüdischen Frau ist er sich in der Bewertung des Nahost-Konflikts nahe: "Das belastet unser Verhältnis nicht." Er war selbst vor gut zwei Monaten in Israel und im Westjordanland, hat dort Bekannte. Sein Engagement und seine Empathie für beide Seiten - wobei er betont, dass es nicht zwei Seiten gebe, sondern Differenzierungen nötig seien - kommt indes nicht bei jedem an. Hassmails und auch schlimmere Drohungen gab es schon vor dem Ausbruch des Krieges. Waseem freilich scheint sich davon nicht unterkriegen zu lassen, er versucht, emotionalen Verhärtungen zu widerstehen, kritisch, aber differenziert zu argumentieren. "Wir müssen das Friedliche, Versöhnende stärken." Die Absage des gemeinsamen interreligiösen Friedensgebets am Montag am Münchner Marienplatz kommentiert er trotz der Enttäuschung darüber verständnisvoll und diplomatisch.

Räume zu schaffen für eine gerechtere Gesellschaft ist das eine. Dem Hass keinen Raum zu geben, das andere - und für Waseem auch eine Essenz der Hip-Hop-Kultur.

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