Reaktionen auf den Bahnstreik:"Was die Lokführer jetzt machen, geht zu weit"

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Von Mittwochmorgen an herrscht nicht nur am S-Bahnhof in Unterhaching wieder Stillstand. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Tarifforderungen der GDL treffen bei Pendlern, die auf die S-Bahn angewiesen sind, auf geteilte Meinungen - der neuerliche Streik und vor allem dessen Dauer stoßen allerdings verbreitet auf Unverständnis.

Protokolle von Patrik Stäbler, Landkreis München

Im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn ruft die Lokführergewerkschaft GDL zum nächsten Streik auf - sechs Tage lang, von diesem Mittwoch an. In der Folge werden zahlreiche Züge ausfallen, auch die Münchner S-Bahn bietet bloß einen Notfahrplan an. Wie groß ist das Verständnis für den bisher längsten Streik in der Geschichte der GDL? Wir haben uns am S-Bahnhof Unterhaching umgehört.

Petya Georgieva (Foto: Sebastian Gabriel)

Petya Georgieva: "Ich bin auf die S-Bahn angewiesen, um zur Arbeit zu kommen. Ab Mittwoch werde ich entweder im Homeoffice bleiben oder den Bus nehmen, was jedoch deutlich länger dauert. Für den abermaligen Streik habe ich kein Verständnis - und schon gar nicht, dass er diesmal sechs Tage dauern soll. Ich denke, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche angesichts des aktuellen Fachkräftemangels bei der Bahn keine gute Lösung ist. Ich selbst kann auch nicht einfach nur 35 Stunden arbeiten. Die Forderung der Lokführergewerkschaft nach mehr Geld kann ich zwar nachvollziehen. Aber obendrein auch noch weniger zu arbeiten, das ist aus meiner Sicht zu viel."

Rebecca Mager (Foto: Sebastian Gabriel)

Rebecca Mager: "Ich bin beim Thema Bahnstreik zwiegespalten. Einerseits finde ich die Forderungen der Lokführer gerechtfertigt - gerade wenn man sich anschaut, wie viele Millionen die Vorstände der Bahn verdienen. Andererseits habe ich kein Verständnis für die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche. In Deutschland ist der klassische Arbeitstag von neun bis fünf Uhr nun mal Standard. Klar ist Schichtarbeit belastend, aber rein körperlich haben Lokführer keinen besonders anstrengenden Job. Ich selbst fahre täglich mit der S-Bahn zur Uni. Wenn jetzt wieder alles stillsteht, werde ich die Vorlesungen entweder online verfolgen oder - wenn das nicht geht - den Bus und die U-Bahn nehmen."

Florian Antes (Foto: Sebastian Gabriel)

Florian Antes: "Ich brauche die S-Bahn, weil ich damit in die Arbeit fahre. Das heißt für mich, dass ich ab Mittwoch nach anderen Möglichkeiten suchen muss. Meiner Meinung nach hätte man für den ersten Streik der GDL vielleicht noch Verständnis haben können. Was die Lokführer jetzt aber machen, das geht zu weit. Sechs Tage streiken ist zu lang. Außerdem leiden darunter die Wirtschaft und die Geschäfte. Ich denke, dass die Bahn sich Gedanken machen sollte, wie sie mittelfristig weniger abhängig von den GDL-Lokführern sein kann. Denn das ist schon ein großes Problem, wenn eine so kleine Gruppe von Leuten die Möglichkeit hat, den kompletten Bahnverkehr zum Erliegen zu bringen."

Josef Graf (Foto: Sebastian Gabriel)

Josef Graf: "Sechs Tage Streik sind eindeutig zu viel. Das bringt ja das ganze System zum Erliegen und wirft alles durcheinander. Ich kenne viele Menschen, für die ist es eine Katastrophe, wenn die S-Bahn nicht fährt, weil sie darauf angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen. Ich selbst fahre fast immer mit dem Auto, deshalb betrifft mich der Streik nicht wirklich. Wenn die Lokführer jetzt argumentieren, dass sie mehr Geld haben wollen, dann kann ich das verstehen - schließlich ist alles teurer geworden, von Lebensmitteln bis zum Strom. Zusätzlich aber noch eine Reduzierung der Arbeitszeit zu fordern, das geht meiner Meinung nach zu weit. Das ist in der jetzigen Zeit einfach nicht drin."

Norbert Schäfer (Foto: Sebastian Gabriel)

Norbert Schäfer: "Ich habe durchaus Verständnis für die Forderung der Lokführer nach mehr Geld, denn grundsätzlich müsste sich an ihren Gehältern etwas ändern. Wofür ich kein Verständnis habe, ist die Art und Weise, wie die GDL vorgeht. Warum ruft sie zum Streik auf, noch bevor sie sich überhaupt an den Verhandlungstisch setzt? Und wieso muss sie jetzt noch mal eine Schippe drauflegen und ganze sechs Tage lang streiken? Das ist aus meiner Sicht zu viel. Denn so ein Bahnstreik trifft ja immer die Menschen am meisten, die am wenigsten bewirken können. Ich persönlich habe mir ein 49-Euro-Ticket gekauft. Dass man das jetzt nur noch eingeschränkt benutzen kann, finde ich schade."

Lena Caspar (Foto: Sebastian Gabriel)

Lena Caspar: "Ich fahre regelmäßig mit der S-Bahn in die Arbeit, und trotzdem stellt mich der Streik nicht vor größere Probleme. Wenn nichts mehr geht, dann nehme ich das Auto - das ist in meinem Fall möglich. Viele meiner Freunde sind dagegen auf die S-Bahn angewiesen, für sie ist das nicht so leicht. Prinzipiell kann ich die Anliegen der Lokführer nachvollziehen und habe auch Verständnis dafür, dass sie jetzt streiken. Ich denke, dass die Gehälter steigen sollten, und auch die Forderung nach einer geringeren Arbeitszeit ist okay - auch ich selbst arbeite nur 35 Stunden. Das Problem ist aber, dass so viele Menschen von dem Arbeitskampf betroffen sind. Und dass der Streik diesmal so lange dauert."

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