Kabinettsumbildung in Bayern:"Viele verstehen die Entscheidung nicht"

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Kerstin Schreyer würde nie öffentlich etwas Negatives über Markus Söder sagen, auch nicht, nachdem er sie als Verkehrs- und Bauministerin abserviert hat. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Unterhachinger CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer wehrt sich nach ihrer Entlassung als Bau- und Verkehrsministerin gegen den Vorwurf, sie habe mit den Mitarbeitern ihres Hauses über Kreuz gelegen - und verspricht, der Politik treu zu bleiben.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Kerstin Schreyer kommt mit dem eigenen Auto. In den vergangenen vier Jahren war das eher ungewöhnlich. Da stand früh morgens schon der Fahrer vor der Tür, lud einen Berg von Akten in den Kofferraum, die Ministerin startete in einen weiteren Tag voller Termine, meist sieben Mal pro Woche. Das ist jetzt nicht mehr so, es ist Tag zwei nach der Kabinettsumbildung, die Unterhachinger CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer hat das Büro im Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr bereits an ihren Nachfolger übergeben. Ihr haftet jetzt ein a.D. an. Sie ist Ministerin außer Dienst. Ihr Plan war das nicht. Aber sie sagt: "Ich bin mit mir im Reinen. Alles hat seine Zeit."

Das klingt tapfer. Und wenn man es genau betrachtet, ist es das. Denn Schreyer sagt auch: "Ich habe mein Maximales gegeben." Sie hat gerackert, Tag für Tag und oft auch in der Nacht. Erst im Sozialministerium, schließlich im Bau- und Verkehrsministerium, einem Haus, in dem ein schneller Erfolg kaum möglich ist, in dem man einen langen Atem braucht, um Ergebnisse zu liefern, und in dem man nicht ins Ziel kommen kann, wenn der Chef vollmundig Unmögliches verspricht. Wer weiß, wie lange allein Machbarkeitsstudien dauern, wird das verstehen. Wer nachrechnet, wie wenige Grundstücke schnell zur Verfügung stehen, um die von Ministerpräsident Markus Söder zugesicherten 10 000 Wohnungen bis 2025 zu bauen, auch.

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Viele ihrer Wegbegleiter können ihre Entlassung nicht nachvollziehen. Das wird aus den Reaktionen deutlich, die sie auch zwei Tage nach der Verkündung ihrer Entlassung auf allen Kanälen fast sekündlich erreichen. "Im Ortserverband, Stimmkreis aber auch aus ganz Bayern, habe ich ganz viel Wärme bekommen. Viele verstehen die Entscheidung nicht", sagt sie, "offenbar habe ich es geschafft, die menschliche Komponente zu leben. Ich freue mich, dass ich deutliche Zeichen der Wertschätzung auch von Leuten aus anderen Parteien bekommen habe."

Die Opposition spricht von einem Bauernopfer

Es gab keinen Skandal, das Kabinett wurde durch die Umbesetzung weder jünger noch weiblicher. Beides waren in der Vergangenheit oft Gründe, Minister auszutauschen. Schreyers Nachfolger Christian Bernreiter ist sieben Jahre älter, und seit der Umbesetzung im Kabinett gibt es dort insgesamt eine Frau weniger als zuvor. Es sind "wahlstrategische" Gründe, wie es heißt. Die Umfragen sind im Keller. "Als ob Bauernopfer die Probleme lösen", hat am Mittwochnachmittag Martin Hagen, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, gesagt. Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, formulierte es so: "Es ist ein Umbruch, der mehr über den Chef aussagt." Sie warf Markus Söder vor, "Minister nur als bessere Gehilfen" zu sehen, die er "nach Lust und Laune benennen und entlassen kann", er sei kein Teamspieler, sondern habe über Wochen und Monate das Damoklesschwert über den Kabinettsmitgliedern schweben lassen und gezielt Spekulationen gestreut.

Kerstin Schreyer will solche Aussagen nicht kommentieren, aber sie widerspricht auch nicht. Sie hat es mit Fassung getragen, als sie zum Entlassungsgespräch in die Staatskanzlei gebeten wurde. Schon länger war ihr Name immer wieder öffentlich genannt worden, wenn die Sprache auf eine Kabinettsumbildung kam. Sie wollte erhobenen Hauptes dort hinausgehen, und hat nach eigener Aussage auch keine Rachegedanken. Sie sagt: "Als ich mich für die Politik entschieden haben, wusste ich, es ist immer ein Arbeitsvertrag auf Zeit. Beim Landtagsmandat ist klar, wann die Frage der Vertragsverlängerung ansteht: am Wahlabend. Beim Kabinett kann es jeden Tag sein." Die Enttäuschung versucht sie, so zu verarbeiten: "Ich weiß auch durch meinen sehr starken Glauben, dass es immer richtig ist, wo ich stehe."

Nur in einer Angelegenheit ist es ihr ein großes Bedürfnis, öffentlich die Sache geradezurücken, den Gerüchten Fakten entgegenzusetzen. Sie soll in ihrem Ministerium mit den Mitarbeitern über Kreuz gelegen haben, weil sie dort aufräumen sollte, wurde immer wieder erzählt. Es ist ein Vorwurf, den sie nicht herunterschlucken kann, den sie mehr als ungerechtfertigt findet. Einen Tag nach ihrer Entlassung macht sie daher ein Schreiben des Hauptpersonalrats an den Ministerpräsidenten aus dem Dezember öffentlich, in dem der bekräftigt, die Veränderungsprozesse in der Organisation mitzugehen und betont, dass diese Prozesse nur gelängen, wenn Kontinuität an der Spitze des Ministeriums gegeben sei. Der Brief endet mit den Worten: "Wir wünschen uns, dass wir gemeinsam mit unserer Ministerin diesen Reformprozess umsetzen."

Auch wenn das Sozialressort auf sie als Sozialpädagogin zugeschnitten war, betont Schreyer im Rückblick: "Ich habe beide Ministerien gerne gemacht." Auf die Frage, ob sie wieder zurück in ihre altes Haus gegangen wäre, hätte Söder ihr das angeboten, wie einige ihrer Parteifreunde sich das gewünscht haben, bleibt sie vage in der Antwort: "Ich habe mir die Frage nicht gestellt und hätte es mir spontan überlegt."

Es gab aber nichts zu überlegen, sondern nur noch zu packen. Und zwar noch am selben Dienstagabend. Der Fahrer sollte sie ein letztes Mal nach Unterhaching bringen. Doch er bat darum, sie am nächsten Tag zur Übergabe des Ministeriums noch einmal fahren zu dürfen. Ein Angebot, das Kerstin Schreyer noch immer anrührt, wenn sie davon erzählt. Ein gutes Verhältnis zu allen Mitarbeitern sei ihr stets sehr wichtig gewesen, sagt sie. Als Schreyer das Haus übernahm, hatte sie sich zuerst bei der Pforte, dem Fahrdienst und den Reinigungskräften vorgestellt, um ihnen ihre Wertschätzung auszudrücken.

"Ich werde ein bisschen mehr Schlaf bekommen und Zeit für Familie und Freunde haben."

Und nun? "Ich werde ein bisschen mehr Schlaf bekommen und Zeit für Familie und Freunde haben", sagt sie. Und für Sport. Sie wird froh sein, beim Schwimmen nicht mehr den nächsten Termin im Nacken und kaum aus dem Wasser wieder hundert Mails empfangen zu haben. "Dann sind es vielleicht nur noch zehn", versucht sie das Positive der plötzlichen Veränderung in ihrem Leben zu sehen. Die Mitarbeiter in ihrem Stimmkreisbüro haben ihr gesagt, lange werde sie diese Entschleunigung nicht aushalten. "Sie geben mir maximal eine Woche. Ich habe dagegen gewettet."

Natürlich wird sie nicht hinwerfen. "Politik wird mir weiter Spaß machen in der Rolle, die ich habe", sagt Schreyer. Im Moment ist es eben nur noch die als Landtagsabgeordnete. "Im Schoß der Fraktionsfamilie werde ich mich wiederfinden. Sie hat mich gut aufgefangen. Jetzt werde ich mich wieder stärker für den Landkreis München einsetzen können", sagt sie. "Ich möchte weiterhin menschliche Politik machen. Da ist es nicht wichtig, auf welchem Stuhl ich sitze." Kerstin Schreyer ist jetzt 50 Jahre alt. Warum also ans Aufhören denken? Für sie ist klar: "Ich werde für eine weitere Kandidatur zur Verfügung stehen, wenn die CSU entscheidet, mich wieder aufzustellen." Nach all den Höhen und jetzt gerade auch wieder Tiefen in diesem harten, mitunter brutalen Politikgeschäft sagt sie aber auch: "Ich würde meine ehrliche Art nie für ein Amt opfern. Dann bin ich lieber nicht in dem Amt. Es muss den Maßstäben entsprechen, die ich mir selbst auferlege."

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