Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen:Schon wieder ein ungebetener Gast

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Umstritten: der Historiker und Buchautor Daniele Ganser bei einem Vortrag in der Dortmunder Westfalenhalle. (Foto: Christoph Hardt/IMAGO/Panama Pictures)

Trotz verschärfter Regeln ist für Anfang März eine Veranstaltung mit dem umstrittenen Historiker Daniele Ganser angekündigt, der Verschwörungsmythen verbreitet und den Holocaust verharmlost. Im Rathaus zuckt man mit den Schultern.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Es soll um "Begegnung" gehen an diesem Tag, um "inneren Frieden" und die "Menschheitsfamilie". So weit die Ankündigung zu einem "Achtsamkeits-Workshop" im Taufkirchner Kultur- und Kongresszentrum. Was zunächst harmlos klingt - einmal abgesehen von den satten Ticketpreisen in Höhe von 180 Euro. Und doch hat diese Veranstaltung für eine längere Debatte am Donnerstagabend im Gemeinderat gesorgt. Denn wer sich dort am 3. März im gemeindeeigenen Ritter-Hilprand-Hof eingemietet hat, ist Daniele Ganser - ein Historiker aus der Schweiz mit einer beachtlichen Fangemeinde, der Verschwörungsmythen verbreitet und den Holocaust verharmlost.

"Wie kann es sein, dass so jemand einen ganzen Tag im Kultur- und Kongresszentrum ist?", erkundigte sich Gabriele Zaglauer-Swoboda (Grüne) im Gemeinderat. Sie hatte den Auftritt Gansers in Taufkirchen beim antifaschistischen Aida-Archiv entdeckt, das "Rechte Termine" in München und der Region auf seiner Webseite auflistet. Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) nahm die Beschäftigten des Kulturzentrums in Schutz: "Man kann nicht erwarten, dass sie sich über jeden Einzelnen informieren, der dort anfragt." Dies sah Jutta Henkel (Grüne) anders: "Eine kurze Internetrecherche hätte genügt, um herauszufinden, um wen es sich handelt. So viel muss man von den Mitarbeiterinnen im Kultur- und Kongresszentrum erwarten."

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Henkel regte an, dass derlei Anfragen künftig auf dem Tisch des Bürgermeisters landen. "Wir sollten mehr als vorsichtig sein, welchem Mob wir da Raum geben." Schließlich wäre es ein Leichtes gewesen, den Auftritt zu verhindern, argumentierte die Grünen-Politikerin. "Indem man zum Beispiel sagt: Das Kultur- und Kongresszentrum ist zu den angefragten Terminen ausgebucht."

Inwiefern die Grünen aus Anlass des Ganser-Auftritts eine Protestaktion planen, ließ Gabriele Zaglauer-Swoboda offen. Vor knapp einem Jahr hatten die Ökopartei und die SPD zu einer Demonstration vor dem Ritter-Hilprand-Hof aufgerufen, als dort ein Vortragsabend des AfD-Kreisverbands stattfand. Um der Rechtsaußen-Partei derlei Treffen künftig zu erschweren, beschloss der Gemeinderat im Nachgang, kommunale Veranstaltungsräume nur noch ortsansässigen Parteien und Wählergruppierungen zur politischen Nutzung zu überlassen.

Schon 2017 hatte das Gremium versucht, ein AfD-Treffen im Ritter-Hilprand-Hof mit der damaligen Vizeparteivorsitzenden Beatrix von Storch zu verhindern. Das Veto des Gemeinderats gegen diese Veranstaltung kassierte jedoch der Bürgermeister - aufgrund der Einschätzung des Landratsamts. Und auch das Verwaltungsgericht München sprach eine einstweilige Anordnung im Sinne der AfD aus.

Die Grünen wollen nicht jeden in das Taufkirchner Kultur- und Kongresszentrum lassen, schon gar nicht Leute wie den umstrittenen Historiker Daniele Ganser. (Foto: Angelika Bardehle)

Etwas anders verhält es sich freilich bei Anmietungen durch Privatpersonen oder Vereine - wie im nun vorliegenden Fall. So wird "Ein Tag mit Daniele Ganser" laut dessen Webseite vom Hambacher Kulturförderverein organisiert, der wiederum Träger der "internationalen Friedensweg-Community" ist. Eine ähnliche Veranstaltung habe es bereits im Vorjahr in Taufkirchen gegeben, sagt Fabian Sass, der im Rathaus den Geschäftsbereich Öffentliche Sicherheit, Bürgerservice und Kultur leitet und damit für das Kultur- und Kongresszentrum zuständig ist. "Der Kunde war damals zufrieden, und wir waren auch zufrieden." Daher sei man einem abermaligen Auftritt offen gegenübergestanden. "Das Team schaut sich natürlich die Personen an, die Räumlichkeiten anmieten wollen", sagt Sass. "Hier handelt es sich um einen Achtsamkeits-Workshop. Das war kein Anzeichen, das groß aufhorchen ließ. Bei einer politischen Veranstaltung wäre das anders gewesen."

Ein Auftritt des Historikers im Münchner Circus Krone wurde von Protesten begleitet

Andernorts haben Gansers Auftritte zuletzt regelmäßig zu Debatten über Verbote und auch zu Gerichtsverfahren geführt. So wurde 2023 eine Veranstaltung in Nürnberg zunächst abgesagt, ehe die Stadt zurückruderte und sie genehmigte, nachdem ein Gastspiel des Historikers in Dortmund juristisch durchgesetzt wurde. Damals nannte Ludwig Spaenle (CSU), der Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Daniele Ganser einen "antiwestlichen Verschwörungsunternehmer", wie ihn zuvor sein baden-württembergischer Amtskollege Michael Blume bezeichnet hatte. "Auch in einem demokratischen Staat, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellt, müssen die demokratischen Räume verteidigt werden", forderte Spaenle. "Verschwörungsideologen verfolgen nur das eine Ziel, die Gesellschaft zu spalten, um schlussendlich die Demokratie zu zerstören."

Daniele Ganser ist unter anderem mit kruden Aussagen zu den Anschlägen am 11. September 2001 aufgefallen, wonach der US-Geheimdienst CIA darin verwickelt sein könnte. In einem Video nannte er den Holocaust der Nazis an den Juden einen "Wahnsinn", der "lokal in einzelnen Ländern" stattgefunden habe. Und zuletzt verbreitete Ganser auch Verschwörungsmythen zum Krieg in der Ukraine, etwa dass hinter Präsident Wolodimir Selenskij eigentlich die USA stünden und die Maidan-Proteste 2013/14 durch "amerikanische Akteure" eingefädelt worden seien. Daraufhin bezichtigte Luxemburgs Verteidigungsminister François Bausch den Historiker der "Geschichtsverfälschung".

Bei einem Auftritt von Daniele Ganser am 11. Mai 2023 im Circus Krone kam es vor dem Gebäude zu Protesten. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Als Daniele Ganser im vergangenen Mai im Circus Krone in München auftrat, kam es dort zu Protesten. Die von der Stadt geförderte Fachinformationsstelle Rechtsextremismus in München verwies damals auf die Vernetzung des 51-Jährigen im verschwörungsideologischen Milieu. Ganser, der sich selbst als "Friedensforscher" bezeichnet, sei "ein wichtiger Stichwortgeber und Lieferant von Verschwörungserzählungen", so die Fachstelle. Inwiefern der Schweizer auch in Taufkirchen seine politischen Ansichten kundtun wird, ist offen. In der Ankündigung heißt es zum Programm am 3. März: "Im intensiven Austausch und Kontakt können wir uns trainieren, um in diesen Zeiten großer Unordnung im Jetzt, in der Kraft, in der Liebe und in unserer inneren Ordnung zu bleiben."

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