Streit um Gewerbegebiete:Bauen vor Nachbars Haustür

Lesezeit: 3 min

Taufkirchen will Gewerbe an der Ottobrunner Gemeindegrenze ansiedeln, Grasbrunn in Keferloh bei Haar. Die betroffenen Gemeinden sind umso empörter, weil davon ein Grünzug und eine Rodungsinsel berührt sind.

Von Stefan Galler, Iris Hilberth und Bernhard Lohr

In der Regel bemüht man sich in den Rathäusern um gute nachbarschaftliche Beziehungen. Geht es aber um die Ausweisung neuer Gewerbegebiete unmittelbar an der Gemeindegrenze, geraten mitunter selbst Parteifreunde aneinander. So wie jetzt die Haarer SPD-Bürgermeisterin Gabriele Müller und ihr Grasbrunner Partei- und Amtskollege Klaus Korneder. Oder der Ottobrunner CSU-Bürgermeister Thomas Loderer und der parteifreie, allerdings CSU-nahe Taufkirchner Rathauschef Ullrich Sander.

Die Grasbrunner Pläne für ein Gewerbegebiet in Keferloh bringen die Nachbarn in Haar auf die Palme. (Foto: Angelika Bardehle)

Längst sichtbares Beispiel für das Bauen direkt vor Nachbars Haustüre ist das Unterhachinger Gewerbegebiet am Grünwalder Weg, das die Taufkirchner seit Jahren direkt vor der Nase sitzen haben. Die wiederum wollen nun auf der anderen Seite des Gemeindegebiets den Ottobrunnern ein Gewerbegebiet an deren Ortsrand setzen. Und schon gibt es Zoff zwischen Ottobrunn und Taufkirchen. Zumal Taufkirchen für die Gewerbeansiedlung zwischen Ludwig-Bölkow-Allee und A 8 einen Teil des regionalen Grünzugs opfern will.

Im Beteiligungsverfahren zur Fortschreibung des Regionalplans hat die Gemeinde Taufkirchen kürzlich eine eventuelle Rücknahme des Grünzugs an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich begrüßt. Man stellt sich vor, dort für junge Unternehmen aus dem Start-up-Bereich, die derzeit vorübergehend auf dem benachbarten Tip-Gelände untergebracht sind, eine Ansiedlungsmöglichkeit zu schaffen.

Ein Gewerbegebiet in der Frischluftschneise

Sehr zum Ärger der Ottobrunner. Denn sie finden, dass ein solches Gewerbegebiet im "völligen Widerspruch" zu den im Regionalplan genannten Zielen des Landschaftserhalts als Erholungsraum und Frischluftschneise stehen. "Dies ist in keiner Weise zu rechtfertigen und wurde auch nicht ansatzweise begründet", heißt es in der einstimmig beschlossenen Ottobrunner Stellungnahme. Zudem würde eine "bauliche Ausdehnung in den Außenraum dem Prinzip der Nachverdichtung und der Innenentwicklung" widersprechen. Die Folge wäre aus Sicht der Ottobrunner eine Beeinträchtigung der "hohen Qualität der Region".

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) kann sich in Rage reden, wenn er über die Taufkirchner Pläne referiert: "Das ist für uns ein Schuss vor den Bug, wir reagieren sehr empfindlich", sagt er, hofft aber auf eine einvernehmliche Lösung: "Wir verfolgen weiter den Beratungsweg, führen viele Gespräche und versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten." Zwei Dinge erzürnen Loderer besonders: Die neuerliche Versiegelung von Grünflächen unmittelbar neben dem Ortsrand. "Und das, wo wir als Ottobrunn ohnehin so dicht besiedelt sind." Dazu kommt der zu erwartende Durchgangsverkehr: "Das ist absolut unakzeptabel. Das Gewerbegebiet Brunnthal ist durch die Autobahnausfahrt an der B 471 einigermaßen erschlossen, aber auch dort sind die Kapazitäten erschöpft. Wir würden damit wieder mehr Verkehr auf die Rosenheimer Landstraße und den Haidgraben bekommen", so Loderer.

Nun ist es nicht so, dass die beiden Bürgermeister nicht über die Sache gesprochen hätten. An deren Standpunkten hat das aber nichts geändert. "Wir müssen für unsere Unternehmen eben Möglichkeiten schaffen", sagt Sander. Gleichwohl könne er schon verstehen, dass das Ottobrunn nicht gefalle. "Da liegt ein klarer Interessenkonflikt vor", stellt Loderer fest. Sander weiß zumindest seinen gesamten Gemeinderat hinter sich. Auch Grüne und SPD haben zugestimmt. "Das ist die einzige Möglichkeit, wo wir Gewerbe ansiedeln können", findet die Grünen-Gemeinderätin Gabriele Swoboda. "Dort ist es ideal, weil auch die Autobahnanschlussstelle direkt daneben ist", sagt Matteo Dolce (SPD).

Die Argumente ließen sich so oder ähnlich auf die Akteure in Haar und Grasbrunn übertragen. Wobei dort nicht mehr nur darüber gestritten wird, was in einigen Jahren passieren könnte. Dort ist man deutlich weiter. Grasbrunn hat im November 2016 mit seinem Beschluss, an der Bundesstraße 471 in Keferloh ein 4,8 Hektar großes Gewerbegebiet auszuweisen, bei den Nachbarn einen Nerv getroffen. Das Verfahren für die Änderung des Flächennutzungsplans und für die Aufstellung eines Bebauungsplans läuft.

Haar wird dabei als Nachbar formal gehört und hat sich auch Gehör verschafft. Die Gemeinde befürchtet mehr Verkehr auf der B 471 und sorgt sich um Erholungsflächen am südlichen Ortsrand. Die CSU gibt sich mittlerweile große Mühe, die SPD in dem seit Jahren immer wieder geäußertem Appell zu übertönen, die Rodungsinsel Keferloh zu schützen. Der Regionalplan soll entsprechend angepasst werden.

Grasbrunn hält Keferloh für den bestmöglichen Standort

Mittlerweile hat Grasbrunn darauf mit juristisch ausgearbeiteten Schriftsätzen reagiert und der Gemeinde Haar mehrere Aktenordner zukommen lassen. Deren Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte im Bauausschuss, sie führe viele Gespräche mit ihrem Kollegen in Grasbrunn, um diesem klar zu machen, welche "städtebaulichen Grundsätze" gegen das Gewerbegebiet Keferloh sprächen. Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) freilich hat seine eigene Sicht auf die Dinge.

Er argumentiert, Grasbrunn habe sich bisher bei der Ausweisung von Gewerbeflächen zurückgehalten. Das Gebiet in Keferloh sei relativ klein und die Anbindung an eine Bundesstraße vernünftig. Aus seiner Sicht sei Keferloh keine Rodungsinsel und Haar könne nicht auf Erholungsflächen in der Nachbargemeinde bestehen. Keferloh sei für ihn der beste Standort. "Wenn wir eine bessere Lösung gefunden hätten, hätten wir die umgesetzt."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: