Sauerlach:Landwirte sollen Strom ernten

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Mehr Photovoltaik gehört zur Vision von Franz-Xaver Demmel. (Foto: Sebastian Gabriel)

Neuer Pakt zwischen Land und Stadt möglich: Nach dem Streit über den Agrardiesel richtet sich der Blick darauf, was Bauern Großes für eine nachhaltige Energieversorgung leisten könnten. Franz-Xaver Demmel hat einen Vorzeigehof und eine Vision.

Von Bernhard Lohr, Sauerlach

Gerade noch blockierten die Landwirte mit ihren Traktoren Autobahn-Zufahrten. Der offene Protest über den schrittweisen Wegfall der Agrardiesel-Subvention ist inzwischen vorbei. Der Ärger und die Probleme bestehen fort. Derweil werben einige im Berufsstand dafür, mal ganz anders auf das Thema Energie zu schauen.

Sind Landwirte nicht prädestiniert dafür, aus erneuerbaren Quellen Energie herzustellen? Könnten sie nicht gerade im Münchner Umland zu Erzeugern werden, die sich selbst und die Stadt versorgen? Ein neues Land-Stadt-Bündnis zu beider Vorteil könnte die aktuelle Stimmungslage umkehren. Noch ist das nur eine Vision. Eine Träumerei ist es nicht, wie sich im Gespräch mit Landwirten im Münchner Umland zeigt.

Franz-Xaver Demmel erläutert in Arget seine Vision vom energieautarken Hof. (Foto: Claus Schunk)

Als Vorbild kann Franz-Xaver Demmel aus Schönrain in Königsdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen herhalten. Er hat seinen "Huabahof" zum Musterhof umgebaut und sich ein Stück weit vom Strommarkt und auch vom Diesel verabschiedet. Auf Vorträgen beim Bayerischen Bauernverband propagiert er seine Vision einer sogenannten "netzdienlichen Energieautarkie". Demmel heizt auf seinem Biohof mit Hackschnitzeln und nutzt im großen Stil Photovoltaik. Bei ihm arbeiten im Stall der Gülle- und der Melkroboter. Ein elektrisch betriebener Radlader ist im Einsatz. Ein Energie-Managementsystem steuert das, sodass er Strom kaum noch einkauft. In Kooperation mit der TU München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf will Demmel zeigen, dass sogar noch viel mehr möglich wäre.

Martin Stadler in seinem Stall in Peiß. (Foto: Claus Schunk)

Bei Kollegen im Landkreis München kommt das gut an. Das zeigt sich bei einem Vortrag im Gasthof Schmuck in Arget in der Gemeinde Sauerlach. Unter den 27 anwesenden Bauern ist Martin Stadler aus Aying, der auf seinem Hof mit 70 Kühen selbst Solarstrom auf dem Dach produziert, den er unter anderem für seinen Melkroboter nutzt. Er betreibt tagsüber damit die Kühlung für die Milch und das Kartoffellager. Er würde gerne den Strom effektiver nutzen, sagt er, und denkt über einen Batteriespeicher nach und auch eine automatisierte Fütterung im Stall, um nicht mehr mit dem Traktor alles herankarren zu müssen. "Da wird viel Diesel verfahren."

"Das größte Ökoprojekt der Welt"

Franz-Xaver Demmel ist da schon weiter. Er setzt einen elektrisch angetriebenen Radlader ein und spart von einst 12 000 Litern Diesel, die er am Hof verbraucht hat, mittlerweile 1000 Liter ein. Noch könne der E-Antrieb den Diesel auf dem Acker nicht ersetzen, sagt Demmel. Dazu sei er zu schwach. Leistungsstarke E-Traktoren kämen in naher Zukunft auf den Markt. Und spätestens dann ist nach Überzeugung des Diplom-Ingenieurs und staatlich geprüften Landwirts, der in zehnter Generation den "Huabahof" bewirtschaftet, der Moment gekommen, an dem die Landwirtschaft einen entscheidenden Anteil an einer nachhaltigen Energieversorgung sogar im regionalen Stromnetz übernehmen kann. Die Bauernhöfe könnten Strom im großen Stil produzieren. Dieser könnte in Batterien der Landmaschinen gespeichert und mit "bidirektionalen Ladeschnittstellen" abgeben werden, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Landwirte könnten in die Wasserstoffproduktion einsteigen und große Speicherkapazitäten aufbauen. Die Landwirtschaft habe den Hebel für "das größte Ökoprojekt der Welt".

Xaver Demmel mit E-Hoflader auf dem Huabahof (Foto: Thomas Plettenberg /Molkerei Berchtesgadener Land)

Allerdings läuft seit Jahren vieles nicht so, wie es sich die Landwirte vorstellen. Nicht nur, dass die Politik nach Demmels Überzeugung den Agrardiesel-Streit zur Unzeit angezettelt hat, da die Bauern doch noch keine Alternative zum Diesel haben. Martin Stadler beklagt, dass Bauern einst eingestiegen seien mit Biogasanlagen, die dann aus der Einspeisevergütung herausgefallen seien, ohne dass es eine Nachfolgeregelung gegeben habe. Kreisobmann Anton Stürzer erinnert an die Rapsmühlen vor 20 Jahren. Dann sei der Biodiesel besteuert und alles wieder abgewickelt worden. Stürzer hat einen Hof in Höhenkirchen-Siegertsbrunn und sagt, er habe wie viele das Vertrauen in die politischen Akteure verloren. Diese seien nicht berechenbar. "Ich bin da sehr, sehr vorsichtig", sagt er zu allem, bei dem der Staat die Finger drin habe. Der Frust sitze tief.

Der moderne Stall auf dem Huabahof: 90 Kühe werden dort versorgt, unter anderem mit einem Gülleroboter. (Foto: Manfred Neubauer)

Aus Sicht von Kreisobmann Stürzer ist die Vision vom Energiewirt im Landkreis München bisher nicht richtig angekommen. Das liege auch an der Art der Bewirtschaftung mit viel Ackerbau und Gemüsebetrieben. Milchviehbetriebe mit hohem Gülleanteil gebe es kaum. Deshalb seien Biogasanlagen kaum vorhanden. Er wisse auf Anhieb nur von einer am städtischen Gut in Ismaning.

Aber dass die Energieproduktion ein Zukunftsthema ist, ist vielen doch klar. Michael Wagner etwa hat einen Gemüseanbaubetrieb in Ismaning und war dabei, als sich vor Jahren mit Aussicht auf eine hohe Einspeisevergütung viele Bauern Solarmodule aufs Dach schraubten. Er hat einen Batteriespeicher und seine Solarproduktion zuletzt noch ausgebaut. Er sagt, er suche nach Alternativen für die mittlerweile niedrige Einspeisevergütung und interessiere sich für Wasserstoffproduktion mit einem Elektrolyseur auf dem Hof. Und er hält auch einen Einstieg in eine E-Fuel-Produktion für spannend.

Franz-Xaver Demmel macht Mut. Er sagt, die Technik sei vorhanden oder werde in einigen Jahren so weit sein. Er fordert ein Umdenken. Verbraucher wollten gute Lebensmittel und eine intakte Natur. "Aber das geht nicht zu dem Preis", sagt er. Die Politik müsse den Wandel unterstützen. Er kämpfe gerade vergeblich darum, dass der Freistaat ein Forschungsprojekt zum smarten Ein- und Ausspeisen von Strom mit bidirektionalen Ladeschnittstellen in der Landwirtschaft finanziere. Sein Vorzeige-Bauernhof laufe gut, sagt Demmel, aber mit Unterstützung seines eigenen Ingenieurbüros. Und mit viel Idealismus. Der Huabahof könnte ein "Leuchtturmprojekt" sein. Noch sehe er ihn als "Mahnmal" für das, was alles falsch laufe.

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