Rettungseinsätze:Diese neue Einsatz-Gruppe hilft bei Isar-Unfällen

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Im Taucheranzug gegen die Unvernunft: Weil es so oft zu Wassernotfällen in und um München kommt, gibt nun die neue Schnell-Einsatz-Gruppe der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft.

Von Lenja Hülsmann, Landkreis

Der erste Atemzug ist tief. Wie ein Röcheln klingt das Luftholen bei Jacqueline Gläsener. Sie trägt eine Vollgesichtstauchermaske, nur ihre Augen sind zu sehen. Die Luft zum Atmen bekommt Jaqueline durch die schwarzen Schläuche, die aus dem Behälter auf ihrem Rücken zu ihrer Tauchermaske führen. Mit vorsichtigen Schritten steigt sie in den Fasaneriesee in Feldmoching. 30 Kilo wiegt ihre Taucherausrüstung. "An Land fühlt man sich wie ein gestrandeter Wal", sagt sie. Jetzt hinzufallen, wäre fatal. Erst als Gläsener im Wasser ist, kann sie sich schneller bewegen. Sie streift die gelben Flossen über ihre Füße und taucht unter. Die Suche nach der zu rettenden Person beginnt.

Jacqueline Gläsener und ihr Team von der Schnell-Einsatz-Gruppe der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) München-Mitte proben an Mariä Himmelfahrt einen möglichen Einsatz. Zu viert retten sie eine 70 Kilo schwere Puppe aus dem sieben Meter tiefen Fasaneriesee. Über ein Tauchertelefon, einen gelben Schlauch, gibt Signalmann Christoph Jansing Befehle an Jacqueline Gläsener durch. "Wie ist die Sicht?", fragt der Ottobrunner. Die Einsatztaucherin nutzt das Seil auch zur Absicherung. Als sie die Puppe im See findet, kommen ihre Kollegen mit dem Motorboot zu Hilfe, ziehen sie aus dem Wasser.

Erst seit knapp einem Monat gibt es die Schnell-Einsatz-Gruppe, die für jeden Ertrinkungseinsatz im Stadtgebiet und im Landkreis München zuständig ist. Seit der Gründung am 22. Juli wurde die Gruppe sechs Mal zu Einsätzen gerufen, zuletzt zu einem Fehlalarm am Feringasee in Unterföhring am Montag. Zweieinhalb Stunden haben die Einsatzkräfte nach einer Person gesucht, die zuvor als untergegangen gemeldet wurde.

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Vor allem die Isar sei nach starken Regenfällen gefährlich. "Die Ufer sind steil, die Fließgeschwindigkeit hoch. Dennoch werden die Risiken häufig falsch eingeschätzt", erklärt Michael Förster, stellvertretender Leiter der Verbandskommunikation der DLRG Bayern. "Gerade nach dem Genuss von Alkohol springen Leute in das eiskalte Wasser. Und auch das Befahren der Isar mit instabilen Gummibooten kann gefährlich werden", so Förster. Erst Anfang August rettete die Schnell-Einsatz-Gruppe zusammen mit der Feuerwehr und der Wasserwacht die Besatzung eines gekenterten Schlauchboots bei der Grünwalder Brücke aus der Isar.

Die Zahl der Wassernotfälle in und um München, zu denen auch Katastrophenereignisse wie Überflutungen infolge plötzlichen Starkregens gehören, habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagt Förster. Die ersten Planungen zur Gründung der Schnell-Einsatz-Gruppe liegen ein Jahr zurück.

Finanziert werden die Retter größtenteils durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Lediglich größere Investitionen wie Fahrzeuge oder Boote übernehme das bayerische Innenministerium. Eine Rettungsweste kostet beispielsweise 200 Euro, eine Ausrüstung für Strömungsretter 1500. Aber nicht nur der finanzielle Aufwand ist groß. Die 23 ehrenamtlichen Mitglieder der neuen Gruppe, die ebenfalls Teil der DLRG sind, investieren einen großen Teil ihrer Freizeit. Manchmal verzichten sie auch auf die Ruhe im Privatleben.

"Im besten Fall ist der Piepser immer an", sagt Kilian Arnold, Leiter der Schnell-Einsatz-Gruppe. Er zeigt auf das kleine blau-schwarze Gerät, das die Ehrenamtlichen nun schon seit einem Monat rund um die Uhr bei sich tragen. "Wer während der Arbeit nicht weg kann, der schaltet den Piepser einfach aus", erklärt Arnold.

Jacqueline Gläsener ist Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation im Klinikum Fürstenfeldbruck. Sie ist Extrem-Situationen gewöhnt und sieht ihren freiwilligen Einsatz als Taucherin als Ausgleich zum Vollzeitjob. "Man ist ganz alleine unter Wasser. Man hört nur das Blubbern und den eigenen Atem", sagt sie. Während ihrer Schichten im Krankenhaus kann Gläsener keine Einsätze übernehmen. Nach der Arbeit stelle sie den Piepser jedoch wieder an. "Am Anfang war es schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dass man so plötzlich aus seinem Alltag gerissen wird", sagt sie. Daran gewöhne man sich aber schnell. Wichtig ist Gläsener vor allem, dass sie anderen Menschen helfen kann. "Das hat wirklich einen Sinn, was ich hier mache", erklärt sie.

Der Weg zum Einsatzort ist nicht immer einfach. Am Wochenende und an Feiertagen ist die Station der DLRG München-Mitte am Fasaneriesee besetzt. Dann kann die Schnell-Einsatz-Gruppe innerhalb von zwei Minuten zum Einsatzort losfahren. An Werktagen dauert das deutlich länger. "Die Ehrenamtlichen müssen von ihrer Arbeitsstelle zur Station kommen. Erst im Einsatzwagen können Martinshorn und Blaulicht benutzt werden", erklärt Michael Förster. Das helfe bei Stau aber auch nicht immer. Vor allem mit dem Bootsanhänger gebe es in München kein Durchkommen zu den Stoßzeiten. "Rettungsgassen sind wichtig für uns, denn bei der Rettung von Ertrinkenden können Minuten über Leben und Tod entscheiden", sagt Förster.

Um bei einem echten Einsatz gut vorbereitet zu sein, trainiert die Schnell-Einsatz-Gruppe mindestens einmal im Monat. Auch beim Training gilt: Sicherheit geht vor. So trägt jeder eine Rettungsweste, selbst wenn man sich nur in der Nähe des Wassers befindet.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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