Raumfahrt:Aus Garching in den Orbit

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Studierende der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt (Warr) an der Fakultät für Maschinenwesen der TU München arbeiten in einer Werkstatthalle am solarstrombetriebenen, in einer Röhre auf einem Luftpolster fahrenden Hochgeschwindigkeitszug Hyperloop. (Foto: Catherina Hess)

Seit 60 Jahren basteln Studierende der TU in der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft Warr an Raketentechnik, Satelliten und Mars-Rovern. Sie inspirieren Elon Musik und gründen Raumfahrtunternehmen.

Von Irmengard Gnau, Garching

"Reaching for the stars since 1962" - mit so einem stolzen Slogan können wenige werben. Die derzeit mehr als 250 Aktiven der Warr am Garchinger Forschungscampus tun es mit gutem Recht: Seit 60 Jahren arbeiten Studierende neben ihrem Hauptstudium in der "Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für Raketentechnik und Raumfahrt", wie die Gruppe ausgeschrieben heißt, an Wegen und Möglichkeiten, ins All zu fliegen und Rätsel des Kosmos zu erforschen. Und das überaus erfolgreich.

1974 startete von der Ostseeküste die erste deutsche Hybridrakete namens "Barbarella" - erdacht und gebaut von ambitionierten Studentinnen und Studenten in der Werkstatt der Forschungsgruppe. Inzwischen steht die Rakete im Deutschen Museum in München. Auch heute noch machen die Projekte der Studierenden von sich reden: Drei von Warr-Mitgliedern konstruierte und gefertigte Satelliten kreisen aktuell im All. Ein von der Gruppe entwickeltes autonomes Mini-Labor wird Anfang kommenden Jahres auf die internationale Raumstation ISS geflogen werden, um dort Experimente zu Zellalterung unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit vorzunehmen. Bei der Entwicklung von Mars- oder Mond-Rovern arbeitet die Gruppe vielfach mit der Europäischen Weltraumorganisation Esa zusammen.

Auch das Start-up Isar Aerospace, das in Ottobrunn günstige Trägerraketen entwickelt und baut, sowie die Satelliten-Entwickler von Orora-Tech haben ihre Wurzeln in der Arbeitsgruppe Warr, ebenso wie die Gruppe "Next Prototypes", bekannt für ihre erfolgreichen Versuche bei der Entwicklung eines Hyperloop-Transportsystems, von dem unter anderem Tesla-Gründer Elon Musk träumt. All das nahm seinen Ausgang Anfang der Sechzigerjahre, als sich Studierende der Technischen Universität in München (TU) - damals noch in Ermangelung eines Lehrstuhls für Luft- und Raumfahrttechnik - zusammentaten, um ihre Forschungsinteressen im Bereich Raketentechnik und Raumfahrt praktisch auszuleben.

Der spätere Professor und Ehrensenator Robert Schmucker war als Student die treibende Kraft

Treibende Kraft war Robert Schmucker, damals selbst Student, später Professor und inzwischen Ehrensenator der TU. "Mir war immer wichtig, dass wir neben der Theorie, die wir lernten, auch selbstverantwortlich etwas machten", sagt Schmucker rückblickend. Erst in der Umsetzung eigener Pläne tauchten manche ganz praktischen Herausforderungen auf, die die Studenten so zu bewältigen lernten. Die Studenten machten Versuche zu Triebwerken und Zündern, entwickelten Treibstoffe, um unbemannte Raketen ins All schießen zu können. "Barbarella" war 1974 das erste erfolgreich gestartete Modell, Ende der Achtzigerjahre folgte die Höhenforschungsrakete "Harry 1". Als Treibstoff kam damals rotrauchende Salpetersäure mit Furfurylalkohl zum Einsatz.

Der heutige außerplanmäßige Professor und Ehrensenator der TU Robert Schmucker hat die Warr in seiner Zeit als Student Anfang der Sechzigerjahre gegründet. (Foto: Claus Schunk)

Inzwischen ist die Warr als gemeinnütziger Verein organisiert und hat ihr Interesse auf fünf Forschungsfelder ausgeweitet. Studentinnen und Studenten können sich in der Raketentechnik, der Satellitenforschung, der Entwicklung von Mars-Rovern, Weltraum-Laboren oder dem Entwerfen von Weltraumaufzügen ausprobieren. Und das nicht nur mit technischem Können. "Man kann sich voll einbringen, je nach seinen Interessen", sagt Marie Pruckner. Die Masterstudentin der Kern-, Teilchen- und Astrophysik ist derzeit Vorsitzende der Warr und hat die Forschungsgruppe "Space Labs" mit aufgebaut. Neben Elektrotechnikern, Physikern und Studierenden der Luft- und Raumfahrt sind in den Teams heute besonders Informatiker gefragt, aber auch Engagierte aus den Fachbereichen Chemie, BWL oder Marketing. Schließlich sollen die zukunftsträchtigen Entwicklungen auch Aufmerksamkeit auf dem Markt finden.

Was das betrifft, beobachtet Pruckner zuletzt eine positive Entwicklung. In Bayern wie auch bundesweit rücke Luft- und Raumfahrttechnik mehr in den Fokus. Daraus schöpft die Warr-Chefin Hoffnung, dass auch Fördergelder früher an studentische Gruppen wie Warr fließen. "Wir haben den Nährboden", sagt sie selbstbewusst. Warr-Gründer Schmucker ist sehr angetan von der Entwicklung der Arbeitsgruppe, die heute die größte Studierendengruppe der TU ist. "Meine Grundarbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt", sagt er.

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