Rassismus-Debatte:Ismanings Mohr hat seine Schuldigkeit nicht getan

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Die Wappen der einstigen Schlossherren zieren das Ismaninger Schloss, das heute das Rathaus beherbergt. (Foto: Florian Peljak)

Auch Ismaning und Unterföhring haben einen Mohren im Wappen. Doch anders als etwa in Coburg gibt es bislang in beiden Gemeinden noch keine öffentliche Debatte

Von Gudrun Passarge, Ismaning/Unterföhring

Anderswo kann der Mohr gehen, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. In Ismaning und Unterföhring dagegen, wo ein sogenannter Freisinger Mohr im Wappen daran erinnert, dass die beiden Gemeinden einst zum Freisinger Hochstift gehörten, soll er bleiben. "Da wird nichts geändert. Das ist historisch bedingt und das bleibt so", sagt etwa der Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU). Und auch der Ismaninger Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) betont: "Wir tragen unseren gekrönten Mohren mit Stolz im Wappen." Eine Diskussion wie etwa in Coburg, wo eine Petition auf eine Änderung des Stadtwappens mit Mohr abzielt, gebe es in ihren Gemeinden nicht. Bisher jedenfalls nicht, denn die Ismaninger Grünen sagen auf Nachfrage: "Wir fordern eine offene Diskussion in der Gemeinde, welche Botschaft das Wappen transportieren und wie es dafür ausgestaltet werden soll."

Christine Heinz kennt die Diskussion um das gekrönte schwarze Haupt. Die Leiterin des Ismaninger Schlossmuseums ist auch Ortschronistin und schon von daher öfter mit dem Thema befasst. Aus ihrer Praxis berichtet sie, dass es wohl keine Besuchergruppe im Museum gebe, die nicht nachfrage, welche Bewandtnis es mit dem gekrönten Mohr im Wappen auf sich habe. Es gebe zwar einige Theorien, wie der Mohr ins Wappen der Freisinger Bischöfe gekommen ist, bewiesen ist aber nichts.

Die Wappen der einstigen Schlossherren zieren das Ismaninger Schloss, das heute das Rathaus beherbergt. (Foto: Florian Peljak)

Erstmalig tauchte der farbige Kopf 1316 in einem Besitzverzeichnis von Bischof Konrad III. auf. In dem Katalog zur Wanderausstellung "1319 - Eine Insel in Bayern. Die Grafschaft auf dem Isarrain 1319 - 2019", die im vergangenen Jahr in Unterföhring und Ismaning zu sehen war, wird das Wappen als "Caput Aethiopum" beschrieben, "ein gekrönter Mohrenkopf, der wie ein furchterregendes Tier seine weißen Zähne zeigt und seine Zunge herausstreckt". Aber bereits ein Vorgänger Konrads, Bischof Emicho, hatte ein gekröntes Haupt im Wappen. Ob es einen Mohren darstellen sollte, ist unklar.

Die Ismaninger Ortschronistin Heinz erinnert an die Entstehungszeit der Wappen, die von den Schilden der Ritter kamen. Diese trugen sie als Erkennungszeichen, weil unter der Rüstung nicht zu sehen war, ob es sich um einen Freund oder Feind handelte. Und um den Feind einzuschüchtern, griffen die Adligen gerne auf furchteinflößende Tiere wie Löwen oder Eber zurück. Der Mohr im Wappen wies auf einen Teilnehmer eines Kreuzzuges hin, was passen würde, denn der Freisinger Bischof Otto war bei den Kreuzzügen dabei. "Wenn ich den Gegner erschrecken will, dann war ein dunkler Kopf eine gute Möglichkeit", sagt Heinz, denn der sollte Wildheit und Kraft symbolisieren.

Wobei nicht klar ist, ob dieses Haupt wirklich von Anfang an schwarz war. Bemerkenswerter findet sie jedoch, "dass sich der Bischof selbst die Krone aufgesetzt hat. Das zeugt von Selbstbewusstsein und ist die politisch viel interessantere Aussage", so Heinz. Die Freisinger boten damit den Wittelsbachern Paroli und demonstrierten als Fürstbischöfe ihre Selbständigkeit. Den Mohr im Wappen führen die Freisinger Bischöfe bis heute, er hat sogar Eingang in das päpstliche Wappen von Benedikt XVI.

gefunden. Bürgermeister Greulich verweist auf diese Geschichte. Er legt Wert auf die Feststellung, dass Ismaning ja noch gar nicht so lange bayerisch ist, erst seit der Säkularisierung gehört es zum Freistaat. "Unser Kraut ist immer noch das Bischofskraut", erzählt er und berichtet von der engen Verbundenheit mit Freising. In Ismaning gehöre das Wappen zur gelebten Geschichte und erfreue sich großer Beliebtheit. So gebe es immer wieder Nachfragen von Privatleuten, die gerne einen der Kanaldeckel mit dem Mohren-Wappen in ihrer Einfahrt hätten.

Greulich schwärmt vom besonderen Ismaninger Wir-Gefühl, zu dem auch das Hoheitszeichen gehöre. Es habe auch schon Bauhofmitarbeiter gegeben, die ihn um Erlaubnis baten, sich das Wappen tätowieren zu lassen. "Alle Ismaninger tragen es mit Stolz", sagt der Bürgermeister. Vielleicht doch nicht alle. Irene Holler, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Ismaninger Gemeinderat, teilt mit: "Wir als Ismaninger Grüne sehen das Ismaninger Gemeindewappen als problematisch an, da es rassistisch wirken kann." Es gebe sehr unterschiedliche Interpretationen zu den Mohren. "Mancherorts stellen sie Schutzpatrone dar und können damit eine positive und antirassistische Aussage enthalten, oder aber sie enthalten abwertende Bezüge gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe." Zumindest sehen die Grünen Diskussionsbedarf.

Den sieht Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer nicht. Im Unterföhringer Wappen seien alle für den Ort relevanten Dinge vertreten. Die Zugehörigkeit zum Freisinger Herrschaftsbereich, die Isar und die Ziegeleien. Zum gekrönten Mohr sagt er: "Ich sehe das überhaupt nicht rassistisch." Ebenso wenig wie den Kulturpreis "Unterföhringer Mohr", der seit 2008 als Keramikstatue an Künstler verliehen wird, etwa an die Wellbappn oder Wolfgang Krebs. "Die Künstler freuen sich sehr über diesen Preis", sagt Kemmelmeyer, auch weil es ein Publikumspreis ist. Es gibt allerdings sehr wohl Vorbehalte gegen die stereotype Form der Darstellung, bei den Unterföhringer Grünen etwa sei der Mohr schon länger Thema. "Wir wünschen uns eine differenzierte Diskussion darüber, bei der auch Menschen mit dunkler Hautfarbe zu Wort kommen sollen und ihre Sicht darlegen können", schreibt Stephanie Moser, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Der "Freisinger Mohr" ist weit verbreitet, wie Leon Eckert (Grüne) in seiner Bachelorarbeit festgestellt hat. Der Dritte Bürgermeister in Eching, das ebenfalls den Schwarzen mit roter Krone im Wappen führt, kennt die historischen Hintergründe, wendet sich aber gegen manche Form der Darstellung. Etwa wenn die Lippen besonders wulstig gezeichnet werden oder der Mann einen dicken goldenen Ohrring trägt. "Das sind rassistische Merkmale", sagt er. Aus heutiger Sicht bewertet, müsse man überlegen, ob sich die Verbindung zum Freisinger Herrschaftsbereich nicht anders darstellen ließe. Etwa wie in Langenbach und Marzling: Dort ziert nur noch eine rote Krone das Wappen.

© SZ vom 27.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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